Gut gebrüllt, Herr Löwe (alias Tamm)!
Aber denken Sie nicht, daß die Wahrscheinlichkeit, Ihnen Ihr sicher unbezweifelbares Recht
… dass man in dem Land, in dem ich lebe, sagen kann, dass man dieses Land Scheiße findet (um das Wording aus ihrer Rede zu verwenden) – auch wenn ich es nicht Scheiße finde-, ohne dass man irgendwelche staatlichen Konsequenzen zu fürchten hat
verkürzt zu bekommen, unter einem Gauland (& Co.) weitaus geringer ist, als unter der Ägide, sagen wir, von Mutti, Maasmännchen & Co., oder unter der von diversen kulturbereichernden Sozialnetz-Zuwanderern mit Bleibe-, Familiennachzugs- und irgendwann Staatsbürgerschaftsverleihungs-, und damit schließlich Wahlrecht …?
Aber, Sie schreiben ja ganz richtig:
Aber scheinbar habe ich mich da geirrt.
“Scheinbar” ist nämlich was anderes als “anscheinend” … wie man auch ohne Unterstützung von Leitkulturgedanken wissen darf (resp. sollte). Aber das nur nebenfüglich. Zurück zum Thema:
Das mit der Leitkultur ist im Grunde ein Streit um Kaisers Bart. Gibt es sie nicht als Selbstverständlichkeit bejaht, dann ist sie ohnehin für die Katz’. Und gibt es sie so, dann sind Diskussionen darüber etwa so überflüssig wie die Frage, ob es der Freiheit des Menschen widerspricht, bei Rot über die Kreuzung zu fahren, oder nach dem ausatmen wieder einzuatmen.
Nein, im Ernst gesprochen: ich bin nun ohne Zweifel ein gutes Stück konservativer gestimmt als Sie (was zu lesen Sie nicht verwundern wird), aber ich bin (es steht schließlich so in meinem Blog-Heading) auch libertär und nonkonformistisch genug, um nicht petrefakt zu sein. Und auch ich hätte als stets lästernder Indivuidualist meine Probleme mit so einer Leitkultur. Aber (und dieses aber ist wichtig): ohne geht’s nicht.
“Leitkultur” ist in vielen, ja sogar den meisten Fällen schlicht ein etwas hochgestochenerer Ausdruck für jene “Sekundärtugenden” (mit denen man bekanntlich, wie Joschka und Consorten zu ätzen pflegten, auch KZs betreiben könne. Ja, mag sein. Aber eben auch erfolgreiche Firmen … und überhaupt Gemeinwesen jenseits der Größe einer Einsiedelei im Himalaya!), die es, und zwar verinnerlicht, braucht, um zusammenleben zu können! Wer in Deutschland “Morgen erhalten Sie …” sagt, der meint “morgen", der Empfänger der Botschaft versteht “morgen", und rechnet seinerseits mit “morgen". Wenn jetzt ein Teil dieser “Leitkultur” wegbricht, indem kultuell bereichernde Elemente uns mit orientalischen Begriffen von Zeit und Ewigkeit vertraut macht, dann wird das problematisch.
Wer weiß, daß er zwar am Oktoberfest grölen und der vollbusigen Kellnerin einen Klaps auf den Hintern geben kann, der weiß eben auch, daß er zu anderen Zeiten auf der Straße nächtens nicht einfach Bohei machen und/oder vorbeikommenden Passantinnen in den Schritt greifen darf.
Manfred Kleine-Hartlage (oh, ich weiß: ein pöhser Rechter! Aber trotzdem einer der klügsten Köpfe auf dem Gebiet scheuklappenloser Gegenwartssoziologie) hat in einem seiner Bücher (und m.W. auch in einem auf Youtube zu findenden Vortrag) geäußert, daß “Gesellschaft” eben nur im vorgängigen Vertrauen auf die Einhaltung bestimmter Verhaltensnormen funktioniert.
Dagegen kann man streng individualistisch und 150% libertär allerhand einwenden - nur wird es an der faktischen Richtigkeit des Befundes exakt null ändern!
Nochmals, cher Monsieur Tamm - ich verstehe Ihren Punkt, teile ihn sogar in des Gedankens Blässe zu einem gewissen Grade. Nur: in praxi ist mir dann dennoch eine (theoretisch unlibertäre) Leitkultur wichtiger als ein theoretisch ideal libertärer, nur leider unlebbarer Individualismus, der leider eine zu 100% aus platonischen Philosophenkönigen (oder, wenn Ihnen das sympathischer ist: flächendeckend aus Mises und Rands) bestehende Gesellschaft voraussetzt.
Die ich für noch unwahrscheinlicher halte als die Augustinische Civitas Dei …