Mittwoch, 23. November 2011

In memoriam Georg Kreisler

Gestern ist Georg Kreisler im neunzigsten Lebenjahr verstorben. Geboren am 18. Juli 1922 in Wien, besuchte er das dortige Konservatorium, um Dirigent zu werden. Nach der Besetzung Österreichs durch NS-Deutschland emigrierte er 1938 mit seinen Eltern nach Hollywood, wo er weiter Musik studierte. Im amerikanischen Exil arbeitete er als Arrangeur, Pianist und Dirigent bei Film und Musicals, für Soldaten als Truppenbetreuer in Shows und Revueprogrammen.

Kreisler war zeitlebens ein »Linker«. Wenngleich ich politischen Linksdrall eher als psycho-pathologisches Phänomen ansehe, will ich doch Künstlern hierin eine gewisse Narrenfreiheit zugestehen — wer sich vor Publikum auf eine Bühne stellt, braucht offenbar privat einen Ausgleich zum Wahnsinn, den er beruflich darstellen muß.

Kreisler war mit seinen schwarzhumorigen Liedern für viele einfach ein übellauniger alter Mann. Ich erinnere mich an eine Fernsehshow, in der ein völlig verunsicherter Moderator nach Kreislers genial deprimierendem Lied »Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!« ganz hilflos ein paar Worte Überleitung zu stammeln versuchte. Auch das Publikum applaudierte, gelinde gesagt, verhalten.

Dennoch: der Mann war (was immer man ihm an »Leihgaben« anderer Künstler vorrechnen will — ich denke z.B. an Tom Lehrer) ein begnadeter Zeit- und Gesellschaftskritiker! Und oft mit einem ungeahnt sensiblen Sinn für menschliche Zwischentöne begnadet, so z.B. in einem seiner weniger berühmten Lieder: »Es wird alles wieder gut, Herr Professor!«. So typisch österreichisch in seiner ständigen Wiederholung des Professorentitels. Man hat so richtig ein treusorgendes Faktotum vor Augen, das rührend seinem verehrten »Herrn Professor« über einen Schicksalsschlag hinweghelfen —»Aspirin, Herr Professor? Disziplin, Herr Professor!«, einfach genial mit einer leichten Schattierung im Stimmtimbre! — will:



Georg Kreisler wurde von der Republik Österreich kein Professorentitel verliehen (diese Ehre wurde m.W. dem großen alten Karl Farkas als erstem und einzigem Kabarettisten zuteil). Er hätte ihn wohl verdient — denn »professio«, Bekenntnis, war sein Leben genug. Ein vom Publikum, das seine »Hits« bevorzugte, meist überhörtes Bekenntnis, freilich ...

2 Kommentare:

Morgenländer hat gesagt…

Lieber Le Penseur,

danke für diesen schöne Würdigung, die mir - obgleich kein Österreicher - aus der Seele gesprochen ist.

Ach, und dann: dass Sie Tom Lehrer kennen (und offenbar auch ein wenig schätzen?), überrascht mich denn doch (angenehm).

Viele Grüße
Morgenländer

Anonym hat gesagt…

Tja, der alte Anarchist Kreisler:

http://www.youtube.com/watch?v=NIJ-I2gzxEA&feature=related