Sonntag, 4. September 2016

Wort zum Sonntag: "Gesucht: Ein Beweis für die Auferstehung"

... betitelt sich ein interessanter Artikel auf Jobo72's Weblog, in den ich meine Einwände einflechten werde, nicht weil ich damit Herrn Bordat von seinem Glauben abbringen, sondern weil ich damit den meinen klären möchte.

------------------------------------


Gesucht: Ein Beweis für die Auferstehung


Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Themenstellungen die Grundsatzfragen des Glaubens hervortreten. Aber Hauptsache, sie tun es überhaupt. So wurde als Reaktion auf eine sehr persönliche Einlassung zur Katholischen Kirche die Frage gestellt, ob die Autorin denn die Auferstehung beweisen könne. Hm.

Das Schöne an dieser Frage ist: Sie zielt ohne Umschweife auf das Zentrum des christlichen Glaubens. Will heißen: Ohne die Auferstehung brauchen wir uns über die Kirche und die Rolle der Frau in der Kirche und unterschiedliche normative Modelle zur Rolle der Frau in der Kirche keine Gedanken zu machen, auch nicht so positiv stimmungsvolle und ermutigende, wie sie die Autorin vorträgt.

An der Auferstehung scheiden sich die Geister, doch einig ist man sich offenbar in einem Punkt: Mit ihr steht und fällt alles. Von daher ist die Frage nach einem Beweis mehr als legitim.

Die Anschlussfragen lauten jedoch: Wie beweist man eigentlich die Auferstehung? Was würde als Beweis akzeptiert werden? Und: Warum gerade das? Ist es nicht vielmehr so, dass man als Zweifler immer weiter zweifeln würde (und das auch könnte), ganz egal, was der Gläubige vorbringt? Ist das nicht gerade das Wesen des Glaubens? Dass dem Ungläubigen der Beweis eben so wenig hilft, so wenig der Gläubige ihn nötig hat. Wer glaubt, braucht keinen Beweis, sondern Vertrauen, wer nicht glaubt, dem nützt kein Beweis. Nur Vertrauen.

Aber ich will auch zur Sache etwas sagen, denn argumentieren sollte man dürfen.

Ich setze zunächst voraus, dass folgendes unstrittig ist: Wer auferstehen will, muss zuerst sterben, und wer sterben will, muss zuerst leben. Nach allem, was wir wissen, hat Jesus gelebt. Wir sind über keine Persönlichkeit der Antike so gut unterrichtet wie über den historischen Jesus von Nazareth.

1. Einwand: nein! Über den „historischen“ Jesus wissen wir so gut wie nichts. Strenggenommen nicht einmal, daß es ihn gegeben hat.

Die vier Evangelien beschreiben das Leben Jesu zwar nur bruchstückhaft, doch ist das im Ergebnis immer noch weit informativer als das, was wir von der Schülergeneration des Sokrates über den wohl bekanntesten Philosophen wissen.

2. Einwand: die Evangelien sind Glaubensquelle, keine historische Quelle! Sie bezeugen die Überzeugungen der Gruppen, aus denen sie stammen, nicht historische Ereignisse! Wer die Evangelienberichte als (wenn auch nur bruchstückhafte) historische Beschreibungen eines „Lebens Jesu“ liest, wird schon bei den ersten Kapiteln, der Verküdigung, der Geburt und der Kindheit Jesu, in unauflösbare Turbulenzen kommen. Angefangen von den legendarischen Stammbäumen, die sich widersprechen (und durch rabulistische Umdeutungen gegen den klaren Textinhalt irgendwie „harmonisiert“ werden sollen), über die Datierungen (Stichworte: Kaiser Augustus, König Herodes, Statthalter Qurinus etc.) etc. etc.

Es gibt – im Gegensatz zum Fall Sokrates – neben den Zeugnissen der Schüler Jesu noch eine Reihe außerbiblischer Quellen, die Jesus erwähnen. Es gibt insgesamt mindestens neun Texte, die nicht zur Bibel gehören und in denen Jesus erwähnt wird. Es sind dies das Testimonium Flavianum (Flavius Josephus), eine Jakobusnotiz, der Talmud, die römische Geschichtsschreibung bei Sueton, Tacitus und Plinius dem Jüngeren sowie Notizen bei Thallus, Mara Bar Serapion Lukian von Samosata.

3. Einwand: Da gibt es ein hochinteressantes Büchlein — mit dem Titel „Falsche Zeugen“ — des  Dr. Hermann Detering, eines Berliner Theologen (zwar Protestant, aber immerhin Dr. theol., mit einer umfänglichen Dissertation über die Paulusbriefe und Markion), der sich genau mit diesen angeblichen „außerbiblischen Zeugnissen“ für die leibhaftige Existenz Jesu beschäftigt. Und mit sehr plausiblen Argumenten zum Schluß kommt, daß sie zum größten Teil schlichtweg spätere Fälschungen (man kann auch vornehmer „Textinterpolationen“ dazu sagen) sind, bzw. von den „Jesusquellensuchern“ auf geradezu abenteuerliche Art und Weise interpretatorisch vergewaltigt wurden/werden, um so endlich zu einem „außerbiblischen Zeugnis“ zu kommen. Es wäre zu weitführend, hier alle Ergebnisse dieser Forschungen Deterings dazulegen — aber ein erster Überblick läßt sich hier  gewinnen. N.B.: die in den Büchlein dargelegte Unmöglichkeit, die bekannten Stellen als außerbiblische Zeugnisse zu werten, impliziert nicht, daß Jesus nicht gelebt haben kann. wir können es bloß nicht außerbiblisch gesichtert beweisen!

Sie alle erwähnen Jesus, in je unterschiedlicher Absicht. Wichtige Lebensereignisse – wie der Prozess und die Hinrichtung Jesu – gelten Historikern als bestens belegte Tatsachen, weit umfassender und stichhaltiger belegt sind als vergleichbare Ereignisse der antiken Welt.

4. Einwand: Umfassender – vielleicht. Stichhaltiger sicher nicht! Es gibt eine Unzahl von Schriften, die den uns in den Evangelien überlieferten Prozeßverlauf (sehen wir einmal ganz von den Differenzen in diesen Berichten selbst ab!) als so eigentlich nicht vorstellbar bezeichnen, und dafür gute, plausible Gründe liefern, die für mein Dafürhalten bisher nicht widerlegt wurden. Auch die Schilderung der Hinrichtung selbst leidet an Ungereimtheiten, die einem die Frage nach der Historizität der Darstellung geradezu aufdrängt.

Zudem gibt es archäologische Befunde, die die Existenz Jesu nahelegen, etwa die Wandzeichnung eines gekreuzigten Esels, eine antike Karikatur, mit der sich der Künstler über die Verehrung eines Gekreuzigten lustig macht; unterschrieben ist sie mit „Alexamenos betet seinen Gott an“. Ergo: Gelebt hat er, der Jesus von Nazareth.

5. Einwand: das beweist, daß es einen Glauben gab, der karikiert wurde. Es heißt nicht, daß es die als Stifter dieses Glaubens angesehene Person real gegeben hat. Boucher hat bspw. den Besuch Aphrodites bei Hephaistos in einem Gemälde dargestellt: heißt das etwa, daß es diese beiden antiken Götter „wirklich“ gibt, daß dieser Besuch „historisch“ stattgefunden hätte? Das würde wohl jeder als Unsinn bezeichnen — nur: warum soll ein vergleichbarer Fall im „Fall Jesu“ dann auf einmal einen tauglichen Beweis bilden?

Gestorben ist er auch. In den Evangelien nimmt das Leiden und Sterben Jesu den größten Raum ein. Das Johannesevangelium beschränkt sich darauf, überhaupt nur die letzten Tage im Leben Jesu zu schildern. Doch auch die Synoptiker schreiben ausführlich über die Gefangennahme, das Verhör, die Verurteilung, die Kreuzigung. Also: Jesus ist gestorben. Mehr noch: Jesus wurde in ein Grab gelegt. Alles ganz normal bis hierhin.

Doch jetzt kommt etwas ungewöhnliches: Das Grab war am Morgen des dritten Tages leer. Dafür werden in den Evangelien verschiedene Zeugen benannt, die mit Schrecken und Entsetzen auf das leere Grab reagieren: Soldaten, die das Grab bewachen sollten, Frauen, die kamen, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren und die Jünger, die von den Frauen gerufen wurden. Bemerkenswert ist vor allem der Hinweis auf Frauen als Zeugen des leeren Grabes – mal zwei (Mt 28, 1), mal drei (Mk 16, 1), mal eine ganze Gruppe (Lk 24, 10) – , bemerkenswert deshalb, weil Frauen in der Antike nicht als zeugnisfähig galten. Hätte man da nicht etwas drehen können? Nicht, wenn man die Wahrheit berichtet!

6. Einwand: Sorry, geschätzter Josef Bordat — so geht das einfach nicht. Das ist ein „credo quia absurdum“, wie’s im Buche steht! Wenn ich mir beispielsweise die Geschichte ausdenke, daß Hitler am 30. April 1945 von kleinen grünen Marsmännchen aus der Reichskanzlei gerettet wurde, und den Bericht darüber als von HJ-Pimpfen (die wohl auch nicht als zeugnisfähig gelten) überliefert angäbe, dann ist es ein geradezu aberwitziger Nonsense, nun zu argumentieren: „Wenn dieser ganze Bericht nicht wahr wäre, dann hätte man da ja was drehen können, z.B. behaupten können, die Rettungsaktion sei vor den Augen technischer Experten der Luftwaffe abgelaufen, die ihre Beobachtungen danach beim Präsidenten der Berliner Notarskammer eidesstattlich beglaubigen ließen. Weil das aber nicht der Fall war, ist es eben umso glaubwürdiger, daß der Bericht der HJ-Pimpfe den Tatsachen entsprechen muß!“

Und das leere Grab ist wahr. Dass das Grab leer war, wurde damals, als eine Nachprüfung noch möglich war, auch von den Juden nicht bestritten, umstritten war lediglich, warum das Grab leer war. Eine mögliche Deutung lautet: Jesus ist auferstanden.

Halt, Halt! Nach Ockham (Rasiermesser und so weiter) gibt es doch sicher viel einfachere Thesen für das leere Grab! Richtig. Die gibt es. Zunächst jedenfalls. Doch halten sie einer Prüfung nicht Stand.

Eine typische Erklärung für das leere Grab lautete bereits damals, dass der Leichnam Jesu gestohlen worden sei (Mt 28, 13), um die Auferstehung vorzutäuschen. Gegen die Leichenraubhypothese sprechen aber drei Dinge: 1. die Wachen vor dem Grab (Mt 27, 65), 2. der Stein vor dem Grab (Mt 27, 60) und 3. der Umstand, dass im Grab Leinentücher gefunden wurden (Joh 20, 5), höchstwahrscheinlich jene, mit denen man Jesu einbalsamierten Leichnam nach jüdischem Brauch umwickelt hatte (Joh 19, 40). Das heißt: Die Diebe hätten zunächst den Stein vom Eingang zum Grab entfernen müssen, ohne die Wachen zu alarmieren. Statt nun den Leichnam möglichst schnell aus dem Grab zu stehlen, sollen sie diesen erst einmal in aller Ruhe aus den Leinentüchern gewickelt haben, um diese dann im Grab zurückzulassen, nicht ohne zuvor das Schweißtuch von den Leinentüchern separiert und säuberlich zusammengebunden zu haben (Joh 20, 7)? Und das, obwohl sich ein starrer Körper nur sehr schwer handhaben lässt? Und das, obgleich der umwickelte und daher kompakte Leichnam wesentlich leichter zu transportieren gewesen wäre? Und das angesichts der großen Entdeckungsgefahr? Unplausibel.

7. Einwand: hier haben wir Unplausibilitäten, die von Josef Bordat nonchalant übergangen werden, z.B. sind die Wachen und der Stein des Matthäus und die Leinenbinden des Johannes in unterschiedlichen Quellen erwähnt, die aber (aufgrund der zwischen ihnen eklatant bestehenden Widersprüche) von einander nichts zu wissen scheinen. Oder fällt denn wirklich niemandem auf, daß Mt. 28, 1-6
1 Vespere autem sabbati, quæ lucescit in prima sabbati, venit Maria Magdalene, et altera Maria, videre sepulchrum. 2 Et ecce terræmotus factus est magnus. Angelus enim Domini descendit de cælo : et accedens revolvit lapidem, et sedebat super eum : 3 erat autem aspectus ejus sicut fulgur : et vestimentum ejus sicut nix. 4 Præ timore autem ejus exterriti sunt custodes, et facti sunt velut mortui. 5 Respondens autem angelus dixit mulieribus : Nolite timere vos : scio enim, quod Jesum, qui crucifixus est, quæritis. 6 Non est hic : surrexit enim, sicut dixit : venite, et videte locum ubi positus erat Dominus.
mit der Schilderung bei Johannes (Jo 20, 1-2)
1 Una autem sabbati, Maria Magdalene venit mane, cum adhuc tenebræ essent, ad monumentum : et vidit lapidem sublatum a monumento. 2 Cucurrit ergo, et venit ad Simonem Petrum, et ad alium discipulum, quem amabat Jesus, et dicit illis : Tulerunt Dominum de monumento, et nescimus ubi posuerunt eum.
einfach nicht „zusammenpaßt“ (und daß es mit den Berichten bei Markus und Lukas ebensowenig „zusammenpaßt“, wollen wir hier mal außen vor lassen …)? Daß sich das alles zwar ohne Probleme in seiner Glaubensbedeutsamkeit „deuten“ läßt, wenn man eine Legende darin erkennt, daß es jedoch auf unübersteigbare Schwierigkeiten stößt, daraus einen „historischen Bericht“ destillieren zu wollen!

Das Grab könnte aber auch in Kooperation der Jünger Jesu mit den Soldaten geleert worden sein. Übergehen wir mal die Frage, warum sich die Wachen auf solch einen Deal hätten einlassen sollen (viel zu bieten hatten die Jünger ihnen sicher nicht, ihre finanziellen Möglichkeiten waren gering und ihr politischer Einfluss war gleich Null), aber bleiben wir trotzdem mal dabei: die Auferstehung als Betrug. Über solcherlei Betrugsabsichten wurde damals schon spekuliert – unter der jüdischen Obrigkeit (Mt 27, 62-66). Warum aber erwähnt der Evangelist Matthäus dies? Wenn es den Betrug gab, könnten diese Worte dazu dienen, ein erklärendes Argument für die Skepsis nachzuschieben, die eine Generation nach Christus auftrat.

8. Einwand: wer sagt überhaupt, daß ein solcher Betrug von den Jüngern Jesu stammte? Hätte nicht auch die jüdische Obrigkeit Anlaß gehabt, einen eh schon lästigen „Märtyrer“, um dessen Grab sich ein noch weit lästigerer Kult hätte bilden können, zu „entsorgen“? Oder vielleicht ist die ganze Grabes-Geschichte nur eine Legende (politische Verbrecher wurden von den Römern nämlich recht einfach und pietätlos „entsorgt“, und nicht etwa rite et recte bestattet). Und wäre nicht auch vorstellbar, daß Matthäus das Betrugs-Gerücht deshalb erwähnte, weil es einfach viel zu weit verbreitet, und daher nicht mehr totzuschweigen war — sodaß ein offensives Angehen der leidigen Sache mit der Beschuldigung, die Betrugsgeschichte sei ja „in Wahrheit“ von den jüdischen Obrigkeiten „erfunden“ worden, zielführender erschien?

Was jedoch eindeutig gegen die Betrugsthese spricht, das ist die Geschichte der Urgemeinde, der jungen Kirche. Eine Lüge gibt man irgendwann auf, wenn der Preis zu hoch wird, einen Betrug gesteht man ein, wenn der Widerstand zu groß wird. Zumindest zieht man sich schweigend zurück. Das Gegenteil ist aber der Fall: Gegen alle Widerstände wird die Nachricht verbreitet. Warum hielten sie daran fest, obwohl es sie sehr oft das Leben kostete (elf der zwölf Apostel erleiden das Martyrium)? Warum haben sie die Lüge, wenn es denn eine war, so gut durchgehalten? Welches Gut ist mehr wert als das eigene Leben? Doch nur eine Wahrheit, für die es sich zu sterben lohnt. Und keine Lüge!

9. Einwand: Nein, auch das stimmt nicht notwendigerweise! Die Gefängnisse sind voll von — mit den Mitteln der modernsten Kriminalistik überführten — Straftätern, die noch immer, auch nach Jahren der Haft, behaupten, unschuldig zu sein. Wobei es sicher genug Fälle geben mag, in denen das auch zutrifft; es gibt aber eben auch andere Fälle: ich denke da an einen vielfachen Prostituiertenmörder „Jack U.“, der nach Verbüßung seiner ersten Freiheitsstrafe weitere Morde beging, und trotzdem im neuerlichen Prozeß bis zur Verurteilung seine Unschuld beteuerte, obwohl er durch Sachbeweise ebenso belastet wurde, wie auch seine Aussagen sich als widersprüchlich und unwahr herausstellten. Er beging nach seiner zweiten Verurteilung (in erster Instanz) Selbstmord. Wie ist das also mit dem „Lügen aufgeben, weil der Preis zu hoch wird“ …?

Paulus meint dazu, dass es sich nicht lohnte, für den Glauben zu sterben, wenn es nicht um die Auferstehung als wahren Kern dieses Glaubens ginge (1 Kor 15, 17-19). Wie wahr.

10. Einwand: Wann war das? Die angeblichen Zeugnisse eines Christentums aus dem 1. Jahrhundert sind höchst problematisch. Die Evangelientexte, die uns davon „berichten“ sind mit größter Wahrscheinlichkeit erst Generationen nach diesen angeblich durch sie „bezeugten Ereignissen“ geschrieben worden, und ebenso höchstwahrscheinlich nicht von jenen Autoren, von denen zu stammen sie vorgeben. Ich scheue mich, das mit dem harten, abwertenden Wort „Fälschung“ zu brandmarken: andere Zeiten und Kulturen als unsere heutige, wissenschaftsversessene hatten eben andere Vorstellungen von Autorschaft: aber dessen ungeachtet ist Pseudoepigraphie eben Pseudoepigraphie, und auch als solche zu beurteilen. Und was die Paulus-Texte betrifft: handeln die überhaupt von „demselben“ Jesus, den uns die Evangelien schildern (wollen)? Bei der Lektüre hat man da seine Zweifel …

Und dann passiert ja noch etwas: Der Auferstandene zeigt sich den Jüngern, die Evangelien berichten davon.

11. Einwand: Das Hauptproblem bei der Sache wird meist ausgeblendet: bei all diesen Schriften handelt es sich nicht um „neutrale“ Forschungsarbeiten, sondern um apologetisch-missionarische Schriften, entstanden in einer wachsenden Schar von Gläubigen. Selbst wenn man einer Frühdatierung einiger neutestamentlicher Schriften zuneigt: sie entstanden jedenfalls erst Jahrzehnte nach den Ereignissen, die sie schildern (bzw. zu schildern vorgeben). Und sie stammen (auch) von „Überzeugungstätern“, die Jesus persönlich gar nicht kannten! Man stelle sich vor, die frühesten erhaltenen Zeugnisse über einen gewissen Joseph Stalin stammten aus dem Jahr 1993 — und aus der Feder einer begeisterten Jüngerin desselben, namens Sahra Wagenknecht (wiewohl sie ihn nie kennengelernt hatte): würden wir diesem „Sahra-Evangelium“ über den großen Wohltäter des Proletariats bedenkenlos trauen?

Wer nun meint, die Menschen in der Antike seien halt leichtgläubig gewesen und daher solchen Erscheinungen gegenüber aufgeschlossener als der moderne Mensch, der sollte sich vor Augen halten, dass mit dem Apostel Thomas die moderne Skepsis einen Vertreter in den Reihen der Jesus-Freunde hat. Thomas forderte nämlich auch einen Beweis, wobei er sehr genau definierte, welche Erfahrung ihn denn zum Glauben daran brächte, dass Jesus auferstanden ist: eine sinnliche nämlich. Er bekommt seinen empirischen Beweis – und glaubt.

12. Einwand: Nein, es wird bloß berichtet, er hätte seinen empirischen Beweis bekommen. Und dieser „empirische Beweis“ wird, wenn man den Text (Jo 20, 26-29) als „historischen Tatsachenbericht“ verstehen möchte, auch nur in einem Ansichtigwerden Jesu und daran anschließendem Glauben an diesen (im Grunde: in einer Vision) erbracht. Ich kenne aus meiner persönlichen Umgebung Berichte von Visionen, an deren subjektiver Aufrichtigkeit ich nicht zweifle, die ich mich jedoch weigern würde, sie als „objektiv-historische Tatsachen“ anzusehen!

In einem Brief an die Gemeinde in Korinth, der etwa zwanzig Jahre nach der Auferstehung verfasst wurde, beschreibt der Apostel Paulus die Stimmung in der Jerusalemer Urgemeinde und nennt neben „Kephas“ (Petrus) und „den Zwölf“ (vgl. 1 Kor 15, 5) weitere Zeugen: „Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen“ (1 Kor 15, 6). Wenn Paulus ganz unbefangen schreibt, dass die meisten der Zeugen noch leben, hält er sie offenbar für so glaubwürdig, dass er keine Nachfragen an die Urgemeinde fürchtet. Zuvor fasst Paulus den christlichen Glauben zusammen: Christus ist „für unsere Sünden gestorben“, wurde „begraben“ und „am dritten Tag auferweckt“ (1 Kor 15, 3-4). Petrus wiederum stellt sich und die anderen Apostel als Zeugen zur Verfügung. An Pfingsten spricht er in Jerusalem zur mehrheitlich nicht-christlichen Bevölkerung und stellt die Auferstehung in den Mittelpunkt. Er sagt: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2, 32). Auch er scheut offenbar keine Nachfrage. Kein Wunder: Sie hatten nicht nur das leere Grab gesehen, sondern auch den auferstandenen Jesus.

Dagegen könnte man freilich die „Wahnthese“ ins Feld führen. Also: Haben sich die Jünger die Auferstehung und die Begegnungen mit dem Auferstandenen womöglich nur eingebildet und/oder eingeredet? So etwas ist durchaus denkbar. Halluzinationen kommen – zumal in Stresssituationen – nicht gerade selten vor. Nur ist es schwer vorstellbar, dass verschiedene Menschen an verschiedenen Orten urplötzlich unter der gleichen Psychose leiden, die dann Jahrzehnte lang andauert und offenbar hoch ansteckend ist. Nicht nur die Jünger hatten das überwältigende Gefühl der spürbaren Anwesenheit ihres Herrn, sondern auch eine ganze Menge anderer Menschen, darunter solche, die Jesus nie gefolgt waren oder ihn und seine Anhänger sogar verfolgt hatten, darunter Paulus (1 Kor 15, 3-8). Und mit dessen Berufung endet die Massenpsychose (also die Erscheinungen des auferstandenen Jesus) wieder – so urplötzlich, wie sie begann? Möglich, aber nicht überzeugend.

13. Einwand: es gab (und gibt) „Massenpsychosen“, die jahrelang anhielten, und sich irgendwann erledigen, ohne daß man wüßte, warum. Man sehe sich mal die derzeitig besonders akuten Massenpsychosen — die Klimareligion, den Genderismus und den Musel-Fundamentalismus — an: alles schon x-fach als unsinniges Geschwurbel entlarvt, und doch wird propagandistisch weitergehämmert! Irgendwann wird der Wahnsinn schon enden, aber warum erst „irgendwann“ und nicht schon jetzt? Wäre die Tatsache, daß mittlerweile schon ein Papst seine Wortspenden zur Klimareligion abgibt, etwa Beleg dafür, „daß das doch alles stimmen muß“?

Ich weiß: Die Schlussfolgerung aus all dem (Jesus ist auferstanden!), ist für viele Menschen offenbar auch nicht überzeugend. Immerhin sind zwei von drei Menschen (noch) keine Christen. Und auch nicht alle, die als Christen geführt werden, glauben an die Auferstehung (folgt man Umfragen), obgleich dieser Glaubensinhalt für einen Christen unerlässlich ist. Eigentlich.

14. Einwand (pro domo): „eigentlich“ nicht! Ich sehe mich durchaus als Christ an, hege jedoch deutliche Zweifel an der „historischen Realität“ einer Auferstehung Jesu. Ich sehe diese als sehr schöne Metapher dafür an, daß mit dem Tod eines Menschen „nicht alles vorbei ist“. Ich bestreite auch nicht, daß Anhänger Jesu aus diesen ihren Visionen benötigten Trost geschöpft haben, und durch sie zu jenen Schriften inspiriert wurden, die uns bis heute bewegen und beeindrucken. Aber „historisch“ …? Nein, das wohl nicht.

Fest steht: Es bleibt wohl ein Rest an Glauben, an Vertrauen nötig, um die Auferstehung als Wahrheit anzunehmen. Diese Annahme kann keine Argumentation erzwingen (und auch kein Beweis, wie auch immer dieser aussähe). Aber vielleicht kann sie ja doch zum Nachdenken anregen. Damit wäre schon viel erreicht.

Kein Einwand: Nachdenken schadet nie. Und der Artikel hat dazu zweifellos angeregt ...

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wer sich wahrheitssuchend mit Jesus Christus beschäftigt, dem seien die Arbeiten Christian Lindtners zur Lektüre empfohlen (vgl Ch.L. auch auf Youtube)
Prof. Dr. Christian Lindtner: GEHEIMNISSE UM JESUS CHRISTUS - DAS NEUE TESTAMENT IST BUDDHAS TESTAMENT (Titel-Abbildung siehe Anhang)
frühere Auflage kostete noch 39,90 EUR, die Neuauflage nur noch 29,80 EUR
Dieses Buch ist eine Bombe! - Der dänische Sprachforscher und hervorragende Sanskritkenner Prof. Dr. Christian Lindtner zeigt auf, daß das Christentum - insbesondere die vier Evangelien - im wesentlichen ein Plagiat des Mahâyâna-Buddhismus ist. Die wichtigste Quelle der Evangelien ist das berühmte Lotus-Sûtra, das Hauptwerk des Mahâyâna und ein einmaliges Schauspiel. Der große Held heißt Tathâgata, es ist einer der vielen Namen des Buddha. Er stirbt nie, sein Leben ist ewig (unendlich), aber niemand kann ihn so, wie er ist, erkennen. Jesus ist kein anderer als der verkleidete Tathâgata in seiner Hauptrolle als "König der Juden und deren neuer Gesetzgeber". Er opfert, ebenso wie jeder andere Tathâgata seine Seele und sein Blut, damit die anderen erlöst werden können. Die Schlußfolgerung ist zwingend: Die Evangelien des Neuen Testaments bieten keine Grundlage, um von einem "historischen Jesus" zu sprechen. Das gleiche gilt für die sonstigen Personen und Orte, von denen in den Evangelien die Rede ist: Sie sind alle fiktiv!
Ein spannendes hochinteressantes und brisantes Sachbuch gerade zur richtigen Zeit, früher wäre es der Inquisition bzw. dem Index zum Opfer gefallen!
evt Buchhandel oder zu bestellen über:
Kuno Haberkern
Buch- und Stempeldienst
ibs-haberkern@t-online.de

Heidjer hat gesagt…

PANEM ET CIRCENSES
BEATI PAUPERES SPIRTU
AMEN

FDominicus hat gesagt…

Keine Ahnung was ich mir habe zu schulden kommen lassen.
Ich halte es nicht für eine zentrale Frage. Gläubige brauchen keine Auferstehung, um zu glauben. Es reicht Ihnen zu glauben. Auch Beweise sind nicht nötig, ja im Grunde wurde ja immer geschrieben. Leute erwartet keine Wunder.

Anonym hat gesagt…

Wozu Auferstehung? Es war ein sowjetischer Professor für Marxismus-Leninismus der den für viele wegweisenden Satz geprägt hat:
"Jesus darf nicht gelebt haben."
Damit dürfte wohl alles klar sein - oder doch nicht???

Damaszenerklinge hat gesagt…

@Anonym:

"Damit dürfte wohl alles klar sein - oder doch nicht???"

Vermutlich doch nicht! Denn die ersten die sich getrauten Zweifel an seiner historischen Existenz zu äussern, waren ein paar Theologen im 19. Jahrhundert und die waren weder Marxisten noch Leninisten, sondern meist freisinnig-liberal.