... nach den Ergebnissen in den Niederlanden und (vermutlich, denn wir wissen es offiziell noch nicht) Großbritannien. Gutmenschliche Redakteure orakeln über bedrohliche Rechtsrucke in Europa, in Österreich wird der Intimfeind der am staatlichen Fördertropf hängenden Medien, die FPÖ, als Menetekel kommender Nazidiktaturen beschworen. Und jetzt auch noch das: da schickt die FPÖ vor den EU-Wahlen ganz einfach an die Waffenscheinbesitzer Waffenputztücher aus!
Schrecklich! Damit ist endgültig klar: die FPÖ plant eine gewaltsame Machtübernahme, oder spielt wenigstens mit diesem Gedanken — so der Tenor der Kommentare. Nun, über die Intelligenz von Zeitungsschreiberlingen sollte man sich keinen allzu großen Illusionen hingeben — hätten sie was gelernt und wären sie anderweitig verwendbar, dann hätten sie wohl eine ehrbare Karriere als Anwalt, Arzt, Ingenieur oder IT-Spezialist einem beruflichen Dasein als Schmock vom Dienst ("... ich kann schreiben links ...") vorgezogen — aber soviel Hirn, um zu erkennen, daß ein Waffenputztuch zur Pflege, zur optischen Verschönerung einer Waffe dient, und nicht zu ihrem Einsatz, das hätte man sogar Journalisten zutrauen können! Man kann jemanden nur mit einer geladenen Waffe erschießen — ob sie dabei sauber geputzt ist, darauf kommt's eher nicht an. Man putzt sie eigentlich, um sie danach sauber in den Schrank zu stellen.
Die FPÖ hat nun weder Munition, noch diesbezügliche Gutscheine verschickt, sondern eben Waffenputztücher. Also wäre die einzige Symbolik, die man ihr damit unterstellen könnte, daß sie implizit auffordert, die Waffen in den Schrank zu stellen. Ist doch eigentlich schön, wenn eine Partei trotz massivster Angriffe ihrer Gegner derartig ostentativ friedfertig reagiert ...
Weiters verwundert die Tatsache, daß die Waffenbesitzer in Österreich seitens der Gutmenschen und ihrer Medien als Gefahr für den inneren Frieden angesehen werden. Lauter Neonazis, offenbar. Nun, dem steht entgegen, daß der Waffenbesitz in Österreich schon seit Jahren streng reglementiert ist. Damit Sie den Waffenschein erhalten, dürfen Sie keine einschlägigen Vorstrafen aufweisen und müssen sich u.a. einer psychologischen Eignungsprüfung durch dazu berufsbefähigte Gutachter unterziehen, in welcher Ihre Besonnenheit, Verläßlichkeit und Verbundenheit mit den österreichischen Gesetzen zu beurteilen sind. Außerdem ist nachgewiesen, daß die registrierten Besitzer ihre Waffen praktisch nie zu illegalen Zwecken mißbraucht haben — Verbrechen und Amokläufe geschehen nämlich fast ausschließlich mit illegal besessenen Waffen, das bestätigt jede Polizeistatistik Europas, und so auch die Österreichs.
Was also könnte bei einer Partei denn ein besseres Signal ihrer Verläßlichkeit und Gesetzestreue sein, als daß sie sich an besonnene, verläßliche und gesetzestreue Bürger wendet und sie auffordert, ihre legal besessenen Waffen besser zu pflegen? Aber da nach dem bekannten Palmström'schen Axiom "... nicht sein kann, was nicht sein darf", darf folgerichtig von gutmenschlicher Seite der FPÖ keine positive Intention unterstellt werden, sondern ausschließlich die der Verhetzung und gewaltsamen Machtergreifung ...
Honi soit qui mal y pense: könnte das aber nicht daran liegen, daß die Systemparteien Europas — die, welch ein Zufall, mit den Systemparteien des großkoalitionären Filzes in Österreich ident sind, nämlich der "konservativen" Volkspartei und den "progressiven" Sozialisten — einfach die herandräuende Gefahr einer Entmachtung (oder doch wenigstens Machtbeschneidung) seitens der Bürger fürchten, die sich einfach nicht mehr länger an der Nase herumführen lassen wollen?
"Ich kann schreiben links, ich kann schreiben rechts", preist sich Schmock in Freytags "Journalisten" an. Offenbar sehen die heutigen dieser Zunft die Zeit noch nicht als gekommen, in der sie rechts schreiben werden. Doch Wetten werden angenommen, daß sie es vom selben Kothurn moralisierender Untadeligkeit herab tun werden, von dem aus sie sich heute über die "Hetze" der FPÖ entrüsten.