Hätte er in seinem Leben nichts anderes geschrieben als diesen einen, ebenso boshaften wie wahren Satz über die Weimarer Klassiker-Dioskuren:
Goethe wäre auch heute noch Goethe.
Schiller wäre Werbetexter geworden...
… hätte er seinen Platz unter den »Worten für die Ewigkeit« — oder wie derlei zeitlos richtige Zitate genannt werden mögen — redlich verdient. Hans Weigel, der heute vor fünfundzwanzig Jahren, am 12. August 1991, verstarb, schrieb aber in unzähligen Büchern, Zeitungsartikeln, Aufsätzen weit mehr.
Hans Weigel war im Österreich der 50er- bis 80er-Jahre der Theaterkritiker schlechthin, und darüber hinaus als Literaturkritiker ein zwar durch Lispeln und Geburtsreligion mit dem inzwischen auch schon verblichenen »Großkritiker« der FAZkes ähnlicher, sonst denkbar unähnlicher Literaturexperte von Format: er war einfach witziger, pointierter und dabei doch auch versöhnlicher (außer Brecht gegenüber, den er mit Inbrunst verachtete) — sowie nicht zuletzt: im Gegensatz zu jenem anderen nie auch nur im leisesten Verdacht der Handlangerschaft für ein kommunistisches Regime!
Daß er kein Linker war, führte (»natürlich«, ist man versucht zu sagen …) nach seinem Tod zur damnatio memoriæ (davor war er einfach zu sprachmächtig und umtriebig, wie auch wegen seiner Emigration vor den Nazis — er lebte 1938-45 in der Schweiz — auch schwer angreifbar, als daß solche Versuche von Erfolg gekrönt worden wären). Nicht zuletzt auch seinem unermüdlichen Einsatz ist es zu danken, daß die in den 70er-Jahren viel weitreichenderen Pläne einer Duden-Rechtschreibreform jahrelang »schubladisiert«, und schließlich in einer deutlich gemilderten (wenngleich für LePenseur immer noch inakzeptablen und bestenfalls zähneknirschend in ein paar Details übernommenen) Form umgesetzt wurden.
Sein lebenslanger Kampf gegen die schludrige Phrase war legendär. In einem seiner späten Werke (»Die Leiden der jungen Wörter. Ein Antiwörterbuch«) schuf er ein ebenso vergnüglich zu lesendes wie profundes Standardwerk über die um sich greifende Sprachverhunzung durch das »Denglisch« — und die schlichte Hirn- und Kulturlosigkeit unserer Gegenwartsliteraten.
Wer (bspw. als landesunkundiger Piefke) Österreich kennenlernen will, der ist mit Weigels vor 60 Jahren (!) erschienen Buch »O du mein Österreich! Versuch des Fragmentes einer Improvisation für Anfänger und solche die es werden wollen« immer noch gut gerüstet für die Tiefen (und Untiefen) der alpenländischen Seele.
Ich erinnere mich bis heute mit Ergriffenheit an die gebrochene Stimme, mit der seine Frau, die große Komödiantin Elfriede Ott (die noch bis heute, hochbetagt, als Darstellerin und Regisseurin tätig ist!) dem ORF-»Mittagsjournal« per Telefon die Todesnachricht bestätigte. Es folgte ein Tauziehen um die Form der Beerdigung, da Hans Weigel zwar in seinen späten Jahren gedanklich und emotionell dem Christentum, insbesondere in seiner römisch-katholischen Form, eng verbunden, jedoch seine Taufe nicht nachweisbar war, sodaß ihm letztlich ein »kirchliches Begräbnis« verwehrt blieb.
Dem lieben Gott wird’s wohl egal gewesen sein …
3 Kommentare:
Er ist zwar bei uns in Deutschland nicht wirklich bekannt, weil der jüdische Altkommunist im Lügenpressezentralorgan alles überdeckt hatte. Aber wer Brecht verachtete, der die Dreistigkeit besaß, gleich zwei Diktaturen zugleich hörig zu sein - den linksgruenen USA und den Sowjet-Politruks -, der hat auch ohne "Taufe" einen Ehrenplatz im Himmel sicher.
Danke für diese bewegende Erinnerung an einen heute systematisch dem Vergessen Überanworteten.
Um so wichtiger, dass Hans Weigel diesem Vergessen entrissen wird. Dazu gehört auch daran zu erinnern, dass es seinem unerschütterlichen Einsazt zu verdanken ist, dass der besagte unselige Brecht immerhin 12 Jahre lang auf österreichischen Bühnen nicht gespielt werden durfte. Und das, obwohl das Ensemble des Burgtheaters in den 50ern durchsetzt war mit Linken und Kommunisten, wie ebenfalls Weigel aufdeckte. Einige wenige immerhin wurden durch seinen Einsatz gefeuert.
Das mutet leider alles an wie aus einer fernen Vorzeit.
Was von Weigel leider weniger gut in Erinnerung bleibt, ist, dass er zeitweilig mit der linken Sprachverhunzerin Bachmann rumgemacht hat. Eine groteske Geschmacksverirrung.
Kommentar veröffentlichen