Vor einigen Tagen fand sich in Österreichs selbsternannten Qualitätszeitung »Die Presse« ein Gastkommentar der französischen Philosophin Chantal Delsol unter dem griffigen Titel
welcher sich mit dem künzlich in Frankreich zum Skandal stilisierten Ehe-Annulierungs-Urteil befaßt. Mme. Delsol vertritt darin die Meinung, »Jungfräulichkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung kann (...) wenn es um Zivilehe geht, keine „wesentliche Eigenschaft“ sein«. Wie das?
Sie wird zur Kenntnis nehmen müssen, daß im Fall eines zivilen Rechtsgeschäftes die „Wesentlichkeit“ doch wohl zu allererst vom Willen der Vertragspartner abhängt! Was jemand zur Grundlage eines Rechtsgeschäftes macht — und die Zivilehe ist schlicht ein solches, nicht mehr und nicht weniger! — , bleibt ihm, und nur ihm überlassen. Wenn ich z.B. unbedingt einen blauen Porsche fahren will, und der Händler liefert mir statt dessen einen roten mit der Begründung, die Farbe sei doch letztlich egal, dann werde ich das Auto auf seine Kosten zurückstellen lassen! Und zwar völlig zu Recht.
Offenbar will Mme. Delsol eine Einschränkung der Privatautonomie zugunsten eines hypothetischen Vertragswillens, den die Partner gefälligst zu haben haben. Basta! Pardon, Mme. Delsol — davor schaudert mir mehr, als vor einem Kippen in einem „Föderalismus persönlicher Autonomie“, welches Sie aufgrund dieses Ehe-Anullierung befürchten zu müssen glauben!
Denn das Diktat einer „volonté général“ selbst im privatesten Bereich (und welcher Bereich als der der Eheschließung wäre denkmöglich privater!) wäre das Ende jeglicher Privatautonomie! Dann sind wir bald bei den Antidiskriminierungs-Organen, die bei den Standesämtern nachschnüffeln, ob wohl auch politisch korrekt genügend oft über Einkommens-, Konfessions- und Abstammungsgrenzen hinweg geheiratet wird. Und ob die Behinderten- und die Schwulenquote stimmt.
Im Vergleich dazu ist die gelegentliche Annullierung einer Ehe aus dem Grund, über die Jungfräulichkeit der Braut getäuscht worden zu sein, im schlimmen Fall eine harmlose Marotte!
1 Kommentar:
Nur fraglich, ob derartige Annulierungen nicht bald zu einem regelmäßigen Phänomen in der Gerichtspraxis werden.
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