von Franz Lechner
„Heute vor 150 Jahren, am 13. September 1874, erblickte Arnold Schönberg, der Gründer der sogenannten Zweiten Wiener Schule der Musik, in Wien das Licht der Welt.“
So beginnt (und endet zugleich) die Notiz, mit der unser Blog-Gründer mich um einen Artikel zum „runden“ Geburtstagsgedenken bat. Irgendwie wäre ich ja neugierig, wie LePenseurs Lobpreis Arnold Schönbergs ausgefallen wäre – aber er wollte nicht so recht ... ... Dafür hier der meine:
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Wann wird die Musikwelt mit Arnold Schönberg „fertig geworden“ sein? Wenn ich mir eine Prognose erlauben darf: Niemals. Seine Musik ist einfach zu vielschichtig und zu komplex. Mitunter würde man dazu neigen, sie um 1990 oder später zu datieren – sie muss also rein ästhetisch betrachtet mit Musik konkurrieren, die schon aufgrund ihrer schieren Quantität wohl niemals mehr so etwas wie eine angemessene Aufarbeitung erfahren wird, es sei denn, es würde sich an den Rezeptionsgewohnheiten der Musikverständigen und -liebhaber in aller Welt auf drastische Weise etwas ändern.
In ihrer schwierigen Fasslichkeit ist sie heute deutlich weniger populär als die Musik der Schönberg-Schüler Berg und Webern. Man tut sich mit Bergs Violinkonzert bzw mit Weberns Sinfonie op. 21 einfach leichter als mit Schönbergs opp. 31 und 36. Das einzige Werk aus Schönbergs Reifezeit, das es wirklich ins „bürgerliche Sonntagskonzertrepertoire“ geschafft zu haben scheint, ist sein „Überlebender aus Warschau“, also ein Werk, dem es der Sonntagskonzertbesucher nachsieht, dass es „grauenhaft klingt“, ja von dem er dies geradezu verlangt, was letztlich ein gravierendes Missverständnis provoziert bzw gar fundamentales Unverständnis fördert, nämlich dahingehend, dass die Atonalität einfach angesichts der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts nicht anders als hässlich zu sein hätte. Genau solche Assoziationen hätte bzw hat Schönberg Zeit seines Lebens aus tiefster Seele verachtet und gehasst.
Über seine Erfindung der Zwölftontechnik etwa schrieb er einem Freund, er hätte etwas gefunden, das der deutschen Musik die Vorherrschaft für die nächsten 100 Jahre sichern würde, was sich übrigens als drastische Fehleinschätzung herausstellen sollte. Nicht, dass diese Erfindung bedeutungslos gewesen wäre – weit gefehlt! Indes sollte die fortan nun dodekaphonisch komponierende sogenannte Wiener Schule – also Schönberg, Berg, Webern – global gesehen niemals so etwas wie eine wirkliche Führungsrolle einnehmen können, dazu war die musikalische Welt zu komplex und vielschichtig geworden, wie das simultane Auftreten von Folkloristen (Janácek, Bártok), Postromantikern (R. Strauss, Rachmaninoff), Neoklassizisten (Strawinsky, Hindemith), völlig „durchgeknallten Avantgardisten“ (Charles Ives) sowie den in diesem Zusammenhang schwer einzuordnenden Protagonisten der „realsozialistischen Welthälfte“ beweist.
Die ersten Nachkriegsjahrzehnte schienen Schönberg eventuell noch recht zu geben, ehe sich herausstellte, dass die von der radikalen politischen Linken (allen voran dem Berg-Schüler Adorno, den Schönberg, gelinde gesagt, ablehnte) propagierte Ästhetik einer auf Schönbergs Prinzipien fußenden maximalen Komplexität ins Nichts (den sogenannten Darmstädter Krach) mündeten. Wer hört und schätzt heute noch Stockhausen oder Boulez besonders? Spätestens ab den mittleren Sechzigern setzten sich nicht nur in Polen neue Bewegungen durch, die in puncto Klangschönheit und Sinnlichkeit die spröden Produkte der seriellen Musik alt aussehen ließen. Für weniger Versierte hier ein paar Begriffsbestimmungen: Unter „Atonalität“ versteht man das Prinzip, einen tonalen Schwerpunkt, spricht eine Tonikabildung (dh die Etablierung eines Grundtons) zu vermeiden, was auf den gänzlichen Verzicht der traditionellen Harmoniebildung hinausläuft.
In ihrer schwierigen Fasslichkeit ist sie heute deutlich weniger populär als die Musik der Schönberg-Schüler Berg und Webern. Man tut sich mit Bergs Violinkonzert bzw mit Weberns Sinfonie op. 21 einfach leichter als mit Schönbergs opp. 31 und 36. Das einzige Werk aus Schönbergs Reifezeit, das es wirklich ins „bürgerliche Sonntagskonzertrepertoire“ geschafft zu haben scheint, ist sein „Überlebender aus Warschau“, also ein Werk, dem es der Sonntagskonzertbesucher nachsieht, dass es „grauenhaft klingt“, ja von dem er dies geradezu verlangt, was letztlich ein gravierendes Missverständnis provoziert bzw gar fundamentales Unverständnis fördert, nämlich dahingehend, dass die Atonalität einfach angesichts der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts nicht anders als hässlich zu sein hätte. Genau solche Assoziationen hätte bzw hat Schönberg Zeit seines Lebens aus tiefster Seele verachtet und gehasst.
Über seine Erfindung der Zwölftontechnik etwa schrieb er einem Freund, er hätte etwas gefunden, das der deutschen Musik die Vorherrschaft für die nächsten 100 Jahre sichern würde, was sich übrigens als drastische Fehleinschätzung herausstellen sollte. Nicht, dass diese Erfindung bedeutungslos gewesen wäre – weit gefehlt! Indes sollte die fortan nun dodekaphonisch komponierende sogenannte Wiener Schule – also Schönberg, Berg, Webern – global gesehen niemals so etwas wie eine wirkliche Führungsrolle einnehmen können, dazu war die musikalische Welt zu komplex und vielschichtig geworden, wie das simultane Auftreten von Folkloristen (Janácek, Bártok), Postromantikern (R. Strauss, Rachmaninoff), Neoklassizisten (Strawinsky, Hindemith), völlig „durchgeknallten Avantgardisten“ (Charles Ives) sowie den in diesem Zusammenhang schwer einzuordnenden Protagonisten der „realsozialistischen Welthälfte“ beweist.
Die ersten Nachkriegsjahrzehnte schienen Schönberg eventuell noch recht zu geben, ehe sich herausstellte, dass die von der radikalen politischen Linken (allen voran dem Berg-Schüler Adorno, den Schönberg, gelinde gesagt, ablehnte) propagierte Ästhetik einer auf Schönbergs Prinzipien fußenden maximalen Komplexität ins Nichts (den sogenannten Darmstädter Krach) mündeten. Wer hört und schätzt heute noch Stockhausen oder Boulez besonders? Spätestens ab den mittleren Sechzigern setzten sich nicht nur in Polen neue Bewegungen durch, die in puncto Klangschönheit und Sinnlichkeit die spröden Produkte der seriellen Musik alt aussehen ließen. Für weniger Versierte hier ein paar Begriffsbestimmungen: Unter „Atonalität“ versteht man das Prinzip, einen tonalen Schwerpunkt, spricht eine Tonikabildung (dh die Etablierung eines Grundtons) zu vermeiden, was auf den gänzlichen Verzicht der traditionellen Harmoniebildung hinausläuft.
Dieses Prinzip wurde von Schönberg nach der spätromantischen Frühphase bis etwa zur Mitte der 1920er Jahre praktiziert, aber keineswegs erfunden. Es lag sozusagen in der Luft, die Musiksprache war immer komplexer geworden und tendierte in diese Richtung. Die von Schönberg nach 1920 erfundene Zwölftontechnik (Dodekaphonie) war nun bestrebt, das atonale Prinzip auf systematischem, konstruktivem Wege zu verwirklichen, indem alle zwölf Töne gleichberechtigt, dh zu gleichen Anteilen verwendet werden mussten. Ein bereits erklungener Ton durfte erst wieder erklingen, nachdem inzwischen die übrigen elf Töne erklungen waren. Grundlage war die sogenannte Zwölftonreihe, dh eine durchnumerierte Folge der vorhandenen zwölf Töne in einer vom Komponisten festgelegten Reihenfolge, zB e, f, g, des, ges, es, as, d, h, c, a, b (die Reihe von op. 25).
Nun noch ein paar Worte zu Person und Werk. Schönberg war ein streitbarer, aber höchst ehrbarer Künstler. Sein oben zitierter Ausspruch („Vorherrschaft…“) zeugt letztlich von jenen höchsten Anforderungen, die er an Technik, Stil und Arbeitsweise stellte und verdient es keineswegs, von einem mediokren Wiener Musikwurschtl namens Otto M. Zykan postum verhöhnt zu werden. Die Schwierigkeiten, die er dem Konzertpublikum, Konzertveranstaltern und Musikern bis zum heutigen Tag bereitet, sind mit Sicherheit teilweise auf den Umstand zurückzuführen, dass er seiner Zeit schlicht und ergreifend voraus war, wobei nicht einmal abzuschätzen ist, um wie viel Jahrzehnte (oder gar Jahrhunderte). Hier nun zwei seiner Werke, die mich besonders faszinieren: Die Suite für Klavier op. 25 (das ersten durchgehend in Zwölftontechnik komponierte Werk überhaupt) und das Klavierkonzert aus seiner späteren, etwas milderen Phase.
Der Reiz von op. 25 liegt in seiner Vielschichtigkeit und Komplexität. In den Ecksätzen kommt das dodekaphonische Element in seiner ganzen Wildheit und Frische voll zur Geltung, der Hörer ist den auf ihn losprasselnden Eindrücken mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Die Folgesätze lassen hingegen deutlicher barocke Muster erkennen und sind dahingehend weit verträglicher. Der vorletzte Satz besticht sogar durch Lyrizimus.
Das späte Klavierkonzert op. 42 (1942) folgt ungefähr der Formidee von Beethovens op. 110 (wobei natürlich die Schlussapotheose ausbleibt) und ist so etwas wie eine Referenz an die Hitlerzeit: Das Leben war so leicht (1. Satz), plötzlich brach Hass aus (2. Satz), es entstand eine ernste Situation (3. Satz), aber das Leben geht weiter (4. Satz). Wie auch in Bergs berühmtem Violinkonzert kennt die zugrundeliegende Zwölftonreihe tonale Elemente wie Dreiklangsbildungen, was es einigermaßen weiter zugänglich erscheinen lässt.
Nun noch ein paar Worte zu Person und Werk. Schönberg war ein streitbarer, aber höchst ehrbarer Künstler. Sein oben zitierter Ausspruch („Vorherrschaft…“) zeugt letztlich von jenen höchsten Anforderungen, die er an Technik, Stil und Arbeitsweise stellte und verdient es keineswegs, von einem mediokren Wiener Musikwurschtl namens Otto M. Zykan postum verhöhnt zu werden. Die Schwierigkeiten, die er dem Konzertpublikum, Konzertveranstaltern und Musikern bis zum heutigen Tag bereitet, sind mit Sicherheit teilweise auf den Umstand zurückzuführen, dass er seiner Zeit schlicht und ergreifend voraus war, wobei nicht einmal abzuschätzen ist, um wie viel Jahrzehnte (oder gar Jahrhunderte). Hier nun zwei seiner Werke, die mich besonders faszinieren: Die Suite für Klavier op. 25 (das ersten durchgehend in Zwölftontechnik komponierte Werk überhaupt) und das Klavierkonzert aus seiner späteren, etwas milderen Phase.
Der Reiz von op. 25 liegt in seiner Vielschichtigkeit und Komplexität. In den Ecksätzen kommt das dodekaphonische Element in seiner ganzen Wildheit und Frische voll zur Geltung, der Hörer ist den auf ihn losprasselnden Eindrücken mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Die Folgesätze lassen hingegen deutlicher barocke Muster erkennen und sind dahingehend weit verträglicher. Der vorletzte Satz besticht sogar durch Lyrizimus.
Das späte Klavierkonzert op. 42 (1942) folgt ungefähr der Formidee von Beethovens op. 110 (wobei natürlich die Schlussapotheose ausbleibt) und ist so etwas wie eine Referenz an die Hitlerzeit: Das Leben war so leicht (1. Satz), plötzlich brach Hass aus (2. Satz), es entstand eine ernste Situation (3. Satz), aber das Leben geht weiter (4. Satz). Wie auch in Bergs berühmtem Violinkonzert kennt die zugrundeliegende Zwölftonreihe tonale Elemente wie Dreiklangsbildungen, was es einigermaßen weiter zugänglich erscheinen lässt.
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