... enthüllt sich bei der Lektüre eines FAZ-Artikels über die Besetzung des Bundesverfassungsgerichtes:
Weniger verblüffend ist, daß das BVerfG die Regelung für verfassungskonform erachtet — die Damen und Herren in der schmucken roten Volksgerichtshof-Robe zögen sich ja den Sessel unter dem Hintern weg, wollten sie anders judizieren. Denn dann wäre das aktuell urteilende Bundesverfassungsgericht bereits verfassungswidrig bestellt, was der Legitimität seiner Entscheidungen auch nicht gerade förderlich wäre (der österreichische Verfassungsjurist denkt sofort an unser leidvolles Jahr 1934 mit seiner Selbstausschaltung des Nationalrates, welche durch eine ähnlich disputable Selbstausschaltung des Verfassungsgerichtshofes abgerundet wurde).
Die FAZ weiß in Gestalt des Bundestagspräsidenten Lammert natürlich Rat, schlägt diverse Bestelungsmodi für das BVerfG vor und schließt mit Aplomb:
Welche Alternative bestünde denn dazu überhaupt, werden sich manche fragen. Nun, die Lösung liegt ganz einfach in dem, was im Wirtschaftsleben vielfach längst Standard ist:
1. in der Einsetzung eines Schiedsgerichtes — d.h. die beiden Kontrahenten (konkret: der Beschwerdeführer und die betroffene Institution, d.h. Bundesregierung, Bundestag etc.) benennen jeweils einen Richter, diese bestellen übereinstimmend einen Vorsitzenden (bei Nichteinigung Losentscheid aus einer Gruppe neutraler fachkundiger Personen), das Gericht entscheidet mit Stimmenmehrheit; oder gar
2. in der Einsetzung einer Art von »Verfassungs-Schwurgericht« — d.h. einem (idealerweise wie sub 1. berufenen) Richtersenat stehen durch Losentscheid berufene Laienrichter für die prinzipielle »Schuldfrage« (d.h. die Frage, ob ein Gesetz, eine Verordnung oder ein Behördenakt dem Grundgesetz widerspricht) zur Seite.
Geht nicht? Aber ja! — wenn entsprechende fachliche Kautelen eine kompetente Zusammensetzung des Gerichtes sicherstellen. Man könnte bspw. die Berufbarkeit als Verfassungsrichter (bzw. Verfassungsgeschworener) an eine langjährige Tätigkeit im Richter- oder Anwaltsstand binden. Und eine Ergänzung durch eine Minorität von (für die jeweils in Frage stehende Materie fachkundigen) »Outsidern« vorsehen, damit das keine Juristen-Inzüchtlerei wird. Ach, Möglichkeiten gäbe es genug. Nun wollen müßte man.
Daß die Systemparteien ein echtes, unabhängiges Verfassungsgericht ganz offenbar nicht wollen, ist evident. Sie werden wissen, warum. Und genau das sollte uns allen sehr zu denken geben!
Die Hälfte der Bundesverfassungsrichter wird auf verfassungswidrige Weise gewählt.“ Diese von der Politikwissenschaftlerin Christine Landfried in dieser Zeitung am 27. August 2009 getroffene Feststellung mag übertrieben erscheinen, ist aber seit langem Ansicht vieler Staatsrechtslehrer; sogar der jetzige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat das gegenwärtige Verfahren noch in dem 2010 erschienenen Grundgesetzkommentar „von Mangoldt/Klein/Starck“ als grundgesetzwidrig charakterisiert: „Von nicht unerheblichen Teilen der Literatur wird diese Regelung zu Recht für verfassungswidrig gehalten“, heißt es dort. Die Vermutung liegt nahe, denn obwohl es in Artikel 94 des Grundgesetzes heißt „Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt“, erfolgt die Wahl in der Praxis durch ein zwölfköpfiges Gremium und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, obwohl die Verfassung selbst an verschiedenen Stellen zwischen dem Bundestag als Ganzem und den Ausschüssen differenziert und daher, wie wiederum Andreas Voßkuhle feststellt, „Art. 94 Abs. 1 S. 2 nur dahingehend verstanden werden (kann), dass dem Plenum der Abgeordneten die Wahl der Richter vorbehalten sein soll“.In der Tat, man ist, da muß den FAZkes rechtgeben, verblüfft! Der Satz »Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt« ist vom Wortlaut ja nicht mit derart interpretationsbedürftigen juristischen Feinbügeleien gespickt, als daß seine Umdeutung in »Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden von einem Ausschuß gewählt, der je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt wird« nötig wäre.
Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht Mitte dieses Jahres die gesetzliche Regelung der Wahl seiner eigenen Mitglieder im Bundesverfassungsgerichtsgesetz ausdrücklich für verfassungsgemäß erklärt. Die Übertragung der Richterwahl auf einen Wahlausschuss verstoße nicht gegen die Repräsentationsfunktion des Deutschen Bundestages, die dieser grundsätzlich in seiner Gesamtheit wahrnehme. Denn „die Regelung findet ihre Rechtfertigung in dem erkennbaren gesetzgeberischen Ziel, das Ansehen des Gerichts und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit zu festigen und damit seine Funktionsfähigkeit zu sichern.“
Die schlichte Begründung verblüfft. Auch im Vergleich zu den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichts zur unaufgebbaren parlamentarischen Gesamtverantwortung in anderen Angelegenheiten enttäuscht die Entscheidung. Denn das Gericht hatte zuvor im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Euro-Rettung darauf bestanden, dass „Entscheidungen von erheblicher Tragweite“ grundsätzlich im Plenum zu treffen sind, um ihre demokratische Legitimation zu gewährleisten und eine öffentliche Diskussion zu ermöglichen.
Weniger verblüffend ist, daß das BVerfG die Regelung für verfassungskonform erachtet — die Damen und Herren in der schmucken roten Volksgerichtshof-Robe zögen sich ja den Sessel unter dem Hintern weg, wollten sie anders judizieren. Denn dann wäre das aktuell urteilende Bundesverfassungsgericht bereits verfassungswidrig bestellt, was der Legitimität seiner Entscheidungen auch nicht gerade förderlich wäre (der österreichische Verfassungsjurist denkt sofort an unser leidvolles Jahr 1934 mit seiner Selbstausschaltung des Nationalrates, welche durch eine ähnlich disputable Selbstausschaltung des Verfassungsgerichtshofes abgerundet wurde).
Die FAZ weiß in Gestalt des Bundestagspräsidenten Lammert natürlich Rat, schlägt diverse Bestelungsmodi für das BVerfG vor und schließt mit Aplomb:
Gemeinsames Ziel von Gesetzgeber und Gericht sollte sein, dass nicht nur jeder Bundesverfassungsrichter, sondern auch das Verfahren zu seiner Bestellung über jeden Verdacht erhaben sein muss.Nun, genau das wird weder durch die derzeitige Wahlprozedur, noch durch die Vorschläge auch nur ansatzweise erreicht. Ein Verfassungsgericht ist ja zu allererst eines, das die Staatsorgane in (grund-)gesetzliche Fesseln legen soll, um so den Bürger vor der Allmacht des Staates zu schützen. Ein Staatsorgan (egal welches!) damit zu betrauen, sich seine »Richter« zu wählen, hat daher ein G'schmäckle, wie der Schwabe sagen würde. Und wer Richter durch Parteipolitiker wählen läßt, der bekommt entweder parteipolitisch gebundene, oder bestenfalls zwischen den Parteien ausgekungelte Richter. Was offenbar auch das Ziel dieses Bestellungsmodus ist: nur ja keinen reinzulassen, der dem System nicht bereits verpflichtet wäre.
Welche Alternative bestünde denn dazu überhaupt, werden sich manche fragen. Nun, die Lösung liegt ganz einfach in dem, was im Wirtschaftsleben vielfach längst Standard ist:
1. in der Einsetzung eines Schiedsgerichtes — d.h. die beiden Kontrahenten (konkret: der Beschwerdeführer und die betroffene Institution, d.h. Bundesregierung, Bundestag etc.) benennen jeweils einen Richter, diese bestellen übereinstimmend einen Vorsitzenden (bei Nichteinigung Losentscheid aus einer Gruppe neutraler fachkundiger Personen), das Gericht entscheidet mit Stimmenmehrheit; oder gar
2. in der Einsetzung einer Art von »Verfassungs-Schwurgericht« — d.h. einem (idealerweise wie sub 1. berufenen) Richtersenat stehen durch Losentscheid berufene Laienrichter für die prinzipielle »Schuldfrage« (d.h. die Frage, ob ein Gesetz, eine Verordnung oder ein Behördenakt dem Grundgesetz widerspricht) zur Seite.
Geht nicht? Aber ja! — wenn entsprechende fachliche Kautelen eine kompetente Zusammensetzung des Gerichtes sicherstellen. Man könnte bspw. die Berufbarkeit als Verfassungsrichter (bzw. Verfassungsgeschworener) an eine langjährige Tätigkeit im Richter- oder Anwaltsstand binden. Und eine Ergänzung durch eine Minorität von (für die jeweils in Frage stehende Materie fachkundigen) »Outsidern« vorsehen, damit das keine Juristen-Inzüchtlerei wird. Ach, Möglichkeiten gäbe es genug. Nun wollen müßte man.
Daß die Systemparteien ein echtes, unabhängiges Verfassungsgericht ganz offenbar nicht wollen, ist evident. Sie werden wissen, warum. Und genau das sollte uns allen sehr zu denken geben!
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