Nun hat auch Portugal sein Referendum abgehalten. Es ist zwar ungültig, da zu wenige sich daran beteiligten, aber wen kümmert das schon. Es ist das Richtige herausgekommen, obzwar nicht das, was sich Embryonen wünschen könnten, aber so doch das, was Portugal in Kürze in die europäische Gegenwart bringen wird.
„Wir müssen mit dieser nationalen Schande Schluss machen“, appellierte der sozialdemokratische Regierungschef José Sócrates an seine Landsleute. „Es darf nicht sein, dass ein modernes Land so tut, als ob nichts passiert und gleichzeitig treiben Tausende von Frauen heimlich ab.“ Die Schätzungen liegen bei 40.000 Abtreibungen jährlich, davon sind ungefähr 1.000 legal. Mit anderen Worten: schon bisher wurde mehr als jedes vierte Kind abgetrieben.
In Zukunft wird also nicht heimlich abgetrieben, was bekanntlich eine Schande ist, sondern hochoffiziell, womit es offenbar keine Schande ist. Wie schön. In Zukunft wird also nicht mehr so getan, als ob nichts passiert, sondern man tut was dafür, daß weiter, und völlig legal, abgetrieben wird. Denn die Abtreibung ist schließlich ein Menschenrecht, an dem nicht gerüttelt werden darf — das sowieso nicht — und das in allen Ländern, in denen sie bisher schändlicherweise nicht nicht völlig freigegeben war, schleunigst eingeführt gehört.
Wie war es denn bisher? Mußten denn bisher die bedauernswerten Opfer von Vergewaltigungen oder jene werdenden Mütter, deren Gesundheit durch die Schwangerschaft ernstlich gefährdert war, ihre Kinder zwangsweise zur Welt bringen? Das nicht gerade. Es war Frauen bloß nicht erlaubt, ihre Kinder aus jedem x-beliebigen Grund (will heißen: auch überhaupt ohne Grund) abzutreiben. Und das war also eine „nationale Schande“. Meint Sócrates, der seinen Namen mit einem bedeutenden griechischen Philosophen teilt. Zu Recht? Denn Regierungschef Sócrates weist darauf hin, dass Verantwortung auch heiße, zur „Kriminalisierung“ der portugiesischen Frauen „nicht länger zu schweigen“. Im Klartext: es ist besser, zur Abtreibung zu schweigen, indem man sie legalisiert, als nicht zu schweigen, wenn nicht vergewaltigte, nicht gesundheitsgefährdete Frauen ihre Kinder abtreiben lassen.
Es ist schon seltsam, was heute als Menschenrecht betrachtet wird. Der naive Beobachter wird denken, daß das Recht eines jeden Menschen weiterzuleben das fundamentalste aller Rechte wäre, das nur aus gravierendsten Gründen (wie Notwehr, möglicherweise Todesstrafe — aber schon das ist höchst kontrovers!) verletzt werden darf. Bei der Abtreibung ist das auf einmal ganz anders. Denn bekanntlich haben abgetriebene Kinder kein Wahlrecht — ihre Beseitigung ist damit etwas, was in Sonntagsreden bedauert werden kann, aber im Gegensatz zu jeder Stimme einer Frau, die abgetrieben hat bzw. solches plant, nicht ins Gewicht fällt. Gesetze richten sich nun einmal besonders gerne gegen jene, die sich dagegen bei den nächsten Wahlen nicht mehr rächen können.
Künftig, so verkündet eine Sprecherin der „Ja-Plattform“, werden die Portugiesinnen „mit dem Respekt behandelt, den sie verdienen“. Respekt, Respekt, kann man da nur sagen! So eine Frau, die ein Kind (das nicht behindert oder das Ergebnis einer Vergewaltigung ist), ohne Gesundheitsgefahr zur Welt bringen könnte, verdient also unseren Respekt, wenn sie das Kind abtreibt. Statt es leben zu lassen.
Wie gesagt: Menschenrechte sind eine eigenartige Sache. In Europa, und überhaupt. Portugal hat die Weichen gestellt, sich dieser Situation anzupassen. Bald wird das Menschenrecht von der straflosen Beseitigung werdenden Lebens sich auf andere Bereiche ausbreiten. In Belgien und den Niederlanden wird es uns bereits vorexerziert. Dorft dürfen auch lästige Alte entsorgt werden. Zu ihrem und unserem Besten. Die Behinderten werden folgen — was hat denn so ein Altzheimerpatient schließlich schon von seinem Leben, nicht wahr?
„Schöne neue Welt, die solche Bürger hat!“ rief Shakespeare aus. Huxley machte daraus einen Romantitel. Die Realität des Lebens wird beide einholen. Nein: übertreffen!