... ist ein Ereignis von beträchtlichem Seltenheitswert. Doch wenn es einmal einen interessanten, lesenswerten Artikel dort gibt — warum dann nicht? Im Gegensatz zu all den Flachdenkern, die bei Gedanken zwar genau darüber nachgrübeln, von wem sie geäußert wurden, damit sie sich dann nicht wirklich damit auseinandersetzen müssen, versucht (sic! Mit einem etwas reumütigen »mea culpa« sei's gesagt!) LePenseur Gedanken unabhängig vom Denkenden zu bewerten (was bei »schnellen« Lesern dieses Blogs bisweilen zu Schluckauf führt) ...
Es ist ein nachsinnender, und — das sei zugegeben — manchmal verstörender Artikel. Und zwar LePenseur verstörend teils wegen einer Sichtweise, die er als ungewohnt, aber durchaus angebracht empfindet, teil wegen solcher, die ihm einfach fehlsichtig vorkommen. Aber darauf kommt es nicht an: wichtig ist — es ist eine andere Sicht, wenn auch vielleicht mit anderen Brillen. doch die eigenen mit ihren Verzerrungen und Filtern kennt man ja ohnehin schon längst ...
Sind die Terroristen nun Feinde oder Bürger? 
Befinden wir uns wirklich im Krieg mit dem 
Islamismus? Wenn ja: Sind wir auch im Krieg mit dem »Christianismus«? 
Unsere Rechtskolumne über Terrorismus und Völkerrecht
Dank an Nereus im »
Gelben Forum«, dessen Hinweis uns querständige Gedanken vermittelt, die einem in 
dieser Präzision nicht immer präsent sind, wie z.B.:
In den letzten zwanzig Jahren hat der Bonner Strafrechtsprofessor 
Günther Jakobs, einer der scharfsinnigsten, gnadenlosesten und 
gründlichsten Denker seiner Zunft in der europäischen Nachkriegszeit, 
das Bild eines sogenannten Feindstrafrechts entworfen – zunächst 
vorsichtig, kritisch, distanziert; später auf irritierende Weise 
bestätigend und fordernd. 
Jakobs geht davon aus, dass es zunächst ein Bürgerstrafrecht gibt (und 
geben muss), also ein Strafrecht des Staates, das für all diejenigen 
gemacht und auf diejenigen angewandt wird, die innerhalb der 
(jeweiligen) staatlichen Gemeinschaft – im Sinne einer gemeinsamen 
Kultur – leben, leben wollen und als solche anerkannt werden. So ein 
Strafrecht für seine Bürger entwickelt jede staatlich verfasste 
Gemeinschaft zur Regulation und Verfolgung von abweichendem Verhalten in
 ihrem Inneren. 
Daneben aber gibt es (oder sollte es nach Jakobs geben) ein Strafrecht 
für "Feinde", also für Personen, die nicht bloß einzelne Gesetze 
übertreten, deren Geltung sie im Grunde anerkennen (auch der Dieb möchte
 durch das Bürgerstrafrecht geschützt und nicht bestohlen, der 
Vergewaltiger nicht vergewaltigt werden) und die daher auch wir als 
Mitbürger anerkennen. Sondern für Personen, die die jeweilige 
Rechtsordnung als solche im Grunde und im Ganzen verwerfen und deshalb 
zerstören wollen. Nach Ansicht von Jakobs muss der Rechtsstaat, will er 
sich nicht in pure Vernichtung flüchten, rechtzeitig Prinzipien und 
Grenzen des Umgangs mit solchen Feinden entwickeln, um sich selbst nicht
 aufzugeben. Denn: Einerseits darf er die Rechtsgüter gegenüber einem 
zerstörerischen Angriff nicht preisgeben, den er mit den Mitteln der 
"Bürgerstrafrechts" nicht aufhalten kann; andererseits darf er 
Prinzipien einer zivilisierten Gesellschaft nicht opfern, welche für 
seine eigene Legitimität unabdingbar sind. 
Oder:
Nach allem, was wir wissen, hat sich unser Staat im "Krieg gegen den 
Terror" wissentlich an Aktivitäten beteiligt, die in unserem Recht nur 
schwerlich eine Rechtfertigung finden: An Entführungen, an Folterungen, 
an Ermordungen. Wir, die wir doch vor siebzig Jahren geschworen haben, 
dass niemals mehr Schweigen herrschen dürfe über staatliches Unrecht: 
Was sagen wir nun, nachdem wir die verflossene DDR empörungsmäßig 
abgearbeitet haben, zu unserem eigenen Unrecht? "Ich bin froh, dass es 
gelungen ist, Osama bin Laden zu töten". Ein großer Satz, ein Satz für 
die Ewigkeit und die Geschichtsbücher. Die deutsche Bundeskanzlerin 
sagte ihn über das Recht und die Gerechtigkeit. 
Oder:
Im Krieg ist vieles erlaubt, was uns hier und heute unvorstellbar 
erscheint: Das Zerstören fremden Eigentums. Die Tötung von Feinden. Die 
Opferung der eigenen Zivilbevölkerung, wenn es denn nicht anders geht. 
Die Tötung fremder Zivilbevölkerung, unter bestimmten Umständen. Im 
Krieg darf man entführte Flugzeuge abschießen, auch wenn unschuldige 
Geiseln darin sitzen. Man darf vorsätzlich Menschen töten, um größeren 
Schaden zu verhindern. Man darf die feindlichen Kombattanten von hinten 
erschießen, im Schlaf töten, in Hinterhalte locken. Man darf sich auch 
einmal irren. Man wird auch dann zum Brigadegeneral befördert, wenn man 
aus Versehenen – shit happens! – hundert afghanische Bauern in 
die Luft gesprengt hat, die Benzin klauen wollten, in der tragischen 
Annahme, es handle sich um hundert Feinde.  
Oder:
Warum nennen wir diejenigen, die uns angreifen, "feige" und 
"hinterhältig"? Sie sind es nicht. Sie sind Mörder, aber das steht auf 
einem anderen Blatt. "Feige" sind sie nicht. "Feige" ist vielleicht 
jemand, der eine satellitengelenkte Bombe in eine Hochzeit steuert und 
dabei in Ramstein sitzt und einen Dreifach-Burger mit den Fingern 
frisst. "Feige" ist vielleicht, wer den Führerbunker rechtzeitig vor der
 Explosion der Aktentasche verlässt. [...]
Wenn wir also mit denen, die uns da angreifen, als gehe es um die 
Rettung der Welt, tatsächlich reden und sie nicht nur vernichten wollen 
wie Ungeziefer, müssen wir ihren Mut anerkennen – einen Mut, der uns 
selber längst abhandengekommen ist. Träumt Euch, Ihr Steuerberater und 
Wirtschaftsstrategen, Ihr Halbmarathonläufer und Porsche-Besteller, 
Vertriebsberater und Servicekräfte, einen einzigen Tag lang hinein in 
die Unendlichkeit eines Lebens als Dreck. Und sagt mir dann, was "mutig"
 ist. 
 
Nochmals: der Autor hat nach LePenseurs subjektiver Ansicht nicht »einfach recht«. In einigem würde er ihm sogar entschieden widersprechen, in manchem Befunde nochmals nachprüfen wollen, oder Gewichtungen hinterfragen. Doch er ist Jurist genug, den Wert eines Plädoyers auch dann zu schätzen, wenn für die andere Partei das Wort ergriffen wird. Und ist schon gespannt auf den zweiten Teil, der in einer Woche erscheinen wird.
 
Werter Penseur,
AntwortenLöschendazu möchte ich doch mal ein paar Anmerkungen machen:
Bürgerstrafrecht und Feindstrafrecht:
Hört sich ja erst mal ganz „verlockend“ an. Aber wie und vor allem von wem wird denn entschieden, welches Strafrecht bei einem Täter anzuwenden ist.
Stellt sich der Täter selbst als Gesellschaftsfeind dar, dann erscheint das ja noch einfach. Aber im allen anderen Fällen eröffnet sich dadurch doch der politisch genehmen Willkürentscheidungen Tür und Tor??
Feige Angriffe:
Der Begriff „feige“ wird heutzutage ja leider ziemlich inflationär für alles und jedes gebraucht. Aber ab wann meint denn der Autor einen Angriff nicht als feige zu betiteln. Also nur noch wenn es um einen duellartigen Kampf Mann gegen Mann handelt? Mit Messer, Degen und vielleicht noch einschüssiger Pistole??
Grüße
Cher SF-Leser,
AntwortenLöschenwie bereits im Artikel gesagt:
der Autor hat nach LePenseurs subjektiver Ansicht nicht »einfach recht«. In einigem würde er ihm sogar entschieden widersprechen, in manchem Befunde nochmals nachprüfen wollen, oder Gewichtungen hinterfragen.
»Feindstrafrecht« wird wohl (will man nicht die von Ihnen befürchteten Willkürentscheidungen — und das traue ich den Autor irgendwie nicht zu!) nur gegenüber dem »bekennenden Feind« gehen. Abgrenzungen in der Praxis werden sicher haarig — aber der prinzipielle Gedanke ist schon durchaus faszinierend weiterzudenken!
ad »feige«:
Hier z.B. gehe ich mit dem Autor eher nicht konform. Mit der Kalaschnikow (wenn's überhaupt so war! Zweifel sind durchaus angebracht, spätestens seit dem »zufällig« vorlorenen Personalausweis, der fatal an die unzerstörbaren Reisepässe von 9/11 und MH 17 erinnert!) in der Hand pensionsreife — größtenteils von 60 bis 80! — bis auf ihren Bleistift unbewaffnete Redakteure niederzumähen finde ich eher nicht sehr mutig.
einverstanden
AntwortenLöschenGrüße