Donnerstag, 26. Juli 2012

Animal farm, revisited

Bisweilen fühlt man sich an einen Satz von Orwell erinnert, daß manche eben gleicher seien als andere. So beispielsweise in Äußerungen des ehemaligen Präsidenten der Wiener Israelitischen Kultusgemeinde, Dr. Ariel Muzicant, der mittlerweile Ehrenpräsident besagter Gemeinde ist. Lassen wir die Frage, welche Ehre es bedeutet, von Dr. Muzicant präsidiert zu werden, als völlig off topic beiseite, so ist doch erstaunlich, was dieser Mann so von sich geben kann, ohne damit medial nennenswerte Aufregung zu verursachen:
Einen drastischen Vergleich zieht Ariel Muzicant, Ehrenpräsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), angesichts der laufenden Debatte über ein Verbot von religiös motivierten Beschneidungen. In der "Kleinen Zeitung" stellte er ein mögliches Verbot mit der Vernichtung der Juden gleich. Ein solches "wäre dem Versuch einer neuerlichen Schoah, einer Vernichtung des jüdischen Volkes, gleichzusetzen - nur diesmal mit geistigen Mitteln", wird er zitiert.
... weiß Tante »Presse« heute zu berichten. Nun gut. »Ein drastischer Vergleich« also. In ähnlichen Fällen (freilich keinen der zahlreichen Äußerungen des Ehrenpräsidenten Muzicant) pflegte sofort ein wahrer shit-storm loszubrechen, wenn jemand das Dogma der Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit des Holocaust durch einen unbedachten Vergleich auch nur von ferne zu streifen schien. Ich erinnere mich da z.B. an eine gehässige Medienkampagne gegen den Sohn von Dr. Otto Habsburg vor einigen Jahren, in deren Verlauf letzterer in einem Interview zu äußern wagte:
Karl wird angegriffen, weil er den gewissen gelben Stern trägt, den Namen Habsburg. Die armen Juden haben ja Entsetzliches mitgemacht, ich denke oft an sie in dem Zusammenhang.
Dies war für »Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich« Anlaß genug, durch ihre Generalsekretärin hochoffiziell verlauten zu lassen:
Die Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich verwehrt sich entschieden dagegen, dass der Europaabgeordnete Otto Habsburg zur Verteidigung seines Sohnes sagte: "Karl wird angegriffen, weil er den gewissen gelben Stern trägt, den Namen Habsburg. Die armen Juden haben ja Entsetzliches mitgemacht, ich denke oft an sie in dem Zusammenhang".

Er nahm diesen ungeheuerlichen Vergleich auch nach wiederholten Rückfragen nicht zurück.

Die Geschichte der politischen Verfolgung der Habsburger hat nichts mit Rassismus zu tun und ist auch auf keine Weise mit der Schoah zu vergleichen. Otto Habsburg hat sich durch diesen Vergleich, der die Schoah relativiert und den Revisionistischen Tendenzen der Geschichtsschreibung Vorschub leistet, als Abgeordneter disqualifiziert.
... und damit zum Rücktritt aufzufordern. Nun weiß jeder, der die Geschichte 1933 bis 1945 auch nur von ferne kennt, daß die Nazis beispielsweise besagten Dr. Otto Habsburg auf ihre Todesliste für die Zeit nach dem »Endsieg« gesetzt hatten, und dieser während der Nazizeit des öfteren um sein Leben bangen mußte. Daß er sich nur fernab des Nazi-Zugriffs aufhalten konnte. Dessen ungeachtet hatte die emsig in der Verfolgung wirklicher und vermeintlicher Nazi-Verbrechen tätige Organisation HaGalil nach obiger Äußerung die Staatsanwaltschaft München ersucht, gegen Dr. Habsburg wegen »Verharmlosung von NS-Verbrechen« zu ermitteln.

Ist der Vergleich zwischen dem »Tragen des gewissen gelben Sterns« und der gezielten Kampagne gegen seinen Sohn wirklich eine Verharmlosung von NS-Verbrechen, so stellt sich wohl die Frage, was der Vergleich zwischen dem Urteil des Kölner Landgerichtes, das unter Verweis auf die Grundrechte der körperlichen Integrität und des Kindeswohles, die Beschneidung nicht bloß bei Mädchen, sondern auch bei Knaben — und zwar im konkreten Fall: bei einem moslemischen Knaben — als dem Straftatbestand der Körperverletzung unterfallend beurteilte, mit dem Massenmord von Juden in Gaskammern und durch Erschießungspelotons dann sein mag? Aus der milden Reaktion der Systempresse zu schließen: ganz offensichtlich keine Verharmlosung von NS-Verbrechen. Denn mit Sicherheit, so muß man daraus wohl schließen, bedeutet der Aufschub einer Beschneidung bis zur Mündigkeit des Beschneidungskandidaten etwas vollkommen vergleichbares mit NS-Massenmord. Oder so halt.

Irgendwie drängt sich fast die Frage auf, ob hier nicht unterschiedlich gewertet wird, je nachdem, ob ein Ehrenpräsident einer bestimmten Organisation sowas äußert, oder jemand anderer aus der nicht meinungsfreiheitsprivilegierten misera plebs. Weil eben, wie Orwell vermuten läßt, einige gleicher sind als andere. Und nein — auch die Frage, woran hier wohl in »Animal Farm« näherhin gedacht werden könnte, ist strictly off topic. Viktor Frankl pflegte des öfteren zu äußern, daß es für ihn eigentlich nur zwei Rassen gäbe: die der Anständigen und die der Unanständigen. Der geneigte Leser darf die Frage für sich entscheiden, welcher Gruppe er Dr. Otto Habsburg zuordnen möchte. Der Rest ist Schweigen — denn Schweigen ist, wie uns der Volksmund belehrt, Gold. Oder wie schon der Prediger Salomon (Koh 3,7) so treffend sagt: »Schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit«. Und offenbar nicht bloß seine Zeit, sondern auch seinen berufenen Mund. Der Rest hat eben zu schweigen ...

8 Kommentare:

Zaungast hat gesagt…

Apropos gleich&gleich:

Bei der BUWOG / KHG - Affäre geht's um ein paar Millionen "Maklerprovision". Gemessen am Verkaufspreis von ~960 Mill. bewegt sich das im unteren Promillebereich. (Man gehe einmal zu einem Immobilienmakler wegen eines Haus- oder Wohnungskaufs und staune über 2x 3.6 = 7.2% Maklerprovision!)

Bei der aktuellen Kärnten-Affäre (Birni & Co) geht's um 6 / 12 Mill. "Maklerprovision" - dürfte sich ebenso im untersten Promillebereich bewegen.

Und dann betrachte man den Ausflug der Linzer Anti-Spekulantentruppe ins Frankenkredit- und Zinssatz-Swap-Geschäft. Dieser Ausflug kostet den Nettosteuerzahler im ungünstigsten Fall mehr als 500 Mill Eur (Verzugszinsen mit eingerechnet).

Und jetzt sehe man, worüber und mit welcher Intensität in den Medien berichtet wird.

Die Kleinen henkt man und die Großen läßt man laufen...

quer hat gesagt…

Anmerkung, nur mal so am Rande:
Auch dies ist in Österreich politisch korrekt, indem man per Verstümmelung einen bedeutenden Namen herabwürdigt. Ich hatte vor vielen Jahren die Ehre, innerhalb eines größeren Kreises einen unmittelbaren Eindruck von SKH Erzherzog Dr. Otto v. Habsburg gewinnen zu können, den ich zuvor nur aus seinen Schriften hatte. Ein wahrhaft großer Geist.

Die Häme gegenüber Namen und Person einem nicht gerade unbedeutenden Sohne Österreichs zeigt nicht mehr, aber auch nicht weniger die Herrschaft und die Herrschaftsmetoden des nach oben gespülten Lumpenproletariats. Insoweit ein Spiegel der derzeitigen Verfassung Österreichs und der Masse seiner Politiker(Innen und außen).

Wer so meisterlich und nachhaltig seine Geschichte in die Tonne tritt, braucht sich um die Zukunft keine Sorgen mehr zu machen: Er hat keine. Das gilt in abgeschwächter Form natürlich auch für die engen Verwandten, die sich Deutsche nennen.

Zorgnax hat gesagt…

Kann man Herrn Muzicant denn nicht wegen §3h Verbotsgesetz anzeigen? Eine gröbliche Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermords sollte mit seiner Aussage doch erfüllt sein.

Anonym hat gesagt…

Ohne von als Deutscher von diesem Herrn Muzicant bis heute jemals etwas gehört zu haben - natürlich kann man ihn anzeigen! Sei es wegen Verharmlosung, Beleidigung, Urkundenfälschung, Wiederbetätigung, Steuerhinterziehung oder was auch immer im schönen Österreich sonst noch unter staatlicher Strafandrohung steht. Petzen geht immer. Nördlich wie südlich des Inns.

Merkt denn niemand, worum es bei der ganzen Beschneidungsdebatte wirklich geht?

Es geht doch ganz offensichtlich einzig und allein um das, was irgendwer einmal so schön als die "Lufthoheit über Kinderbetten" bezeichnete. Die Staatsschranzen in schwarzen Roben beim LG Köln erklären da im für Deutschland typischen vorauseilendem Gehorsam die Vorhaut männlicher Neugeborener zu einem Teil-Recht innerhalb des sachlichen Schutzbereits von Art. 2 des Deutschen Grundgesetztes, gegen dessen Verletzung durch operative Wegnahme (auf Elternwunsch hin) das Kind von seinem "besseren Vater", dem Staat geschützt werden müsse.

Wenn sich der Staat hier im Spannunfsfeld zwischen (religösem) Elterninteresse und seiem mitunter psyeudoleligös anmutendem Umerziehungs- und Assimilierungsinteresse zunutze macht, dass Kinder zur freien Willensbetätigung nicht fähig sind, dann ist es zum Staatsbilde eines Himmlers oder Heydrichs nicht mehr weit. Lediglich in der modernen EUdSSR-Variante.

Zorgnax hat gesagt…

So lobe ich mir das. Gar nicht erst bei Banalitäten wie "Das haben wir schon immer so gemacht" oder bei längst widerlegten Studien aufhalten, sondern gleich das ultimative Argument auspacken.

Anonym hat gesagt…

Das Problem ist ja, dass nicht "wir" das mit den Beschneidungen schon immer so gemacht hätten. Sondern vielmehr diejenigen, die religös halt ein wenig anders (im Sinne von orthodoxer) ticken als es dem religiöse Neutralität heuchelnden Macht-Establishment lieb zu sein scheint.

Denn das ist religös alles andere als neutral. Das sind die Hohepriester einer modernistischen Pseudoreligon, die längst zum Theismus des Christentums, des Judentums und des Islams in Konkurrenz getreten ist. Transzendenz ist ihr fremd, doch mit fünf "heiligen Sakramenten" kann auch sie aufwarten:"Demokratie", "Positives Recht", "Sozialstaat", "europäische Integration" und "globale Erwärmung".

Als erstes erkannt hat dies 1918 übrigens ein Österreicher: Ludwig von Mises.

„ Der moderne Sozialismus … ist eine wirtschaftspolitische Partei, die sich als Heilslehre nach Art der Religionen gibt. … Für die große Masse seiner Bekenner ist er Heilslehre … Wer dem Sozialisten dieses Schlages mit vernunftgemäßen Einwänden kommt, findet dasselbe Unverständnis, dem rationalistische Kritik der Glaubenslehren beim gläubigen Christen begegnet. In diesem Sinne ist es durchaus berechtigt, den Sozialismus mit dem Christentum zu vergleichen. Doch das Reich Christi ist nicht von dieser Welt; der Sozialismus hingegen will das Reich des Heils auf Erden errichten. Darin liegt seine Kraft, darin aber auch seine Schwäche, an der er einst ebenso schnell, wie er gesiegt hat, zugrunde gehen wird. … Wenn der Sozialismus Wirklichkeit geworden ist, wird man erkennen müssen, dass eine Religion, die nicht auf das jenseitige Leben hinweist, ein Unding ist.“

- zitiert nach Carlos Gebauer, Der Sozialstaat als Religion (2007)

Anonym hat gesagt…

Karl Eduard sagt: Diese Leute merken es selber nicht. Jede Lächerlichlichkeit wälzen sie zum Holocaust aus und mindern jedesmal seine Schrecklichkeit und Einzigartigkeit, die er nach ihrer Auffassung haben muß. Wenn jedes Pillepalle mit der Ermordung von zig Milliarden Juden gleichgesetzt wird, dann muß man sich doch fragen ob der Holocaust überhaupt das war, als was er dargestellt wird.

Zorgnax hat gesagt…

Religiös nicht neutral wäre nur eine Forderung nach einem absoluten Beschneidungsverbot. Aktuell wird aber nur gefordert, jedem selbst die Entscheidung darüber zu überlassen.
"Ich verbiete Dir, Deinen Körper zu verändern" bedeutet nämlich etwas anderes als "Ich verbiete Dir, den Körper eines anderen zu verändern".