Donnerstag, 26. März 2020

Bachelor, Master, Hausmaster

von  it’s  me 


Dieses alte, einsam gelegene, etwas renovierungsbedürftige Haus hat es mir angetan, aber es ist unser Traum, daher wollen wir das Projekt  angehen.

Meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich das gesagt und angekündigt, den Baumeister meines Vertrauens, der jahrzehntelange Erfahrung hat, als Experten beizuziehen, ob der Kauf Sinn macht und wie hoch die Sanierungskosten werden.

Da hörte ich natürlich Gegenstimmen, dass ich als alter Mann doch mit der Zeit gehen müsse und nicht einem einfachen HTL-Ingenieur vertrauen dürfe, auch wenn er Erfahrung hat, sondern ich müsse auf die Chance zurückgreifen, wahre Akademiker – jeder ein Experte auf seinem Fach – zu konsultieren.

Ich gestehe, ich bin in der Steinzeit aufgewachsen, als man an der Universität nur die Wahl hatte, Theologie, Jus, Philosophie oder Medizin zu studieren. Dann gab es noch Wirtschaftshochschule, die Technische Universität und die Montanistik in Leoben. Und  das war’s auch schon mit den akademischen Studien.

Heute ist natürlich alles besser, wurde ich belehrt, ich werde den Baumeister nach Hause schicken und mit Experten – jeder auf seinem Gebiet – das Projekt realisieren.

Erst einmal – soll ich das alte Gemäuer überhaupt kaufen? Bei der Bewertung der Immobilie habe ich jetzt die Möglichkeit, mich beraten zu lassen entweder von einem „Akademischen Experten für Immobilienbewertung“, der an der Donau-Universität diesen Grad in 3 Semestern berufsbegleitend um 11.270€ erworben hat, oder von einem richtigen Akademiker, einem Master of Science, der sich seinen akademischen Grad in 4 Semestern – berufsbegleitend – um 15.900€ erworben hat, aber dafür Experte in „International Real Estate Valuation“ ist. Ich denke, dass ich mich als Dr.med. für den Akademiker, den MSc., entscheiden werde – so von Akademiker zu Akademiker. 

Da ich im Haus etwas Schimmel gesehen habe, hat mir der MSc. für „International Real Estate Valuation” geraten, einen Experten zu Rate zu ziehen, der ebenfalls an dieser Eliteuniversität sein Studium gemacht hat, nämlich einen zertifizierten Experten (leider gibt es noch keinen MSc.) für „Schimmel im Bauwesen“ (2 Semester, berufsbegleitend um 2.700€). Gott sei Dank habe ich jetzt Profis an meiner Seite und wir können weiterschreiten.

Da die alte Bude  saniert und revitalisiert werden muss, benötige ich einen entsprechenden Experten, den ich in Form eines MSc. für „Sanierung und Revitalisierung“ an dieser Uni gefunden habe (4 Semester, berufsbegleitend, 14.500€). Halt, jetzt sehe ich, da gibt es ja etwas Besseres, nämlich einen, der gleich die Planung auch machen kann, den MSc. für „Sanierung und Revitalisierung – Planen und Entwerfen“ (5 Semester, berufsbegleitend, 18.500€). An dieser Stelle frage ich mich manchmal, warum ich zwölf Semester verschissen habe für einen einfachen Dr., wenn ich in derselben Zeit an der Donau-Uni Krems ganze drei MSc. hätte machen können? Vergaß, in der Steinzeit gab es diese intellektuelle Bildungsstätte noch nicht.

Zurück zu meinem Hausprojekt: Obwohl die Bude alt, ist, möchte ich auf die Annehmlichkeiten der modernen Technik nicht verzichten, und für diesen Zweck wurde mir der nächste Akademiker empfohlen, nämlich der Master of Engineering – Building Innovation, (5 Semester berufsbegleitend, 18.500€), der mir alles Technische planen soll, bis hin zum Zentralstaubsauger und der Gegen-stromanlage im Swimmingpool.

Das Heizsystem muss ebenfalls effizient und ökologisch kompatibel sein, daher der nächste Aka-demiker für mein Projekt in Form des MSc. für „Energy Innovation Engineering and Management“ (4 Semester, berufsbegleitend, um wohlfeile 14.900€). 

Ein paar weitere akademische Topprofis kommen noch an Bord, nämlich MSc. für „Building Inno-vation“,  „Energie Autarkie“, „Gebäudeautomation“, „Lightweight Membrane Structures“, „Digitales Bauen“ und „Building Information Modeling“.

So, das Haus kann dann irgendwann saniert werden, aber parallell dazu möchte ich noch den Garten gestalten lassen, und dazu habe ich noch den MSc. für „Ökologisches Garten- und Grünraum-management“ (4 Semester berufsbegleitend, 12.500€) gefunden, der mir meinen Garten zu einer Oase gestalten soll. 

Auf geht’s, nichts kann passieren mit dieser geballten Ladung an Profis.
Zeitsprung: 5 Jahre später: Jetzt habe ich ein Vermögen ausgegeben und dennoch befindet sich mein Haus im Zustand wie das von Düringer aus dem Film „Hinterhaus“ und ich werde reumütig zum alten erfahreren, nichtakademischen Baumeister zurückkehren, damit dieser mit seinen Maurern, Zimmerern, Installateuren und Elektrikern das Begonnene zu einem befriedigenden Ende bringen kann. 
P.S.: Und diese ganzen Bachelor und Master wünsche ich mir auf die Müllhalde der Pseudo-akademiker – mögen sie dort kein Unheil anrichten.
P.P.S.: Wenn diese inflationäre „Akademikerschwemme“ weiter anhält, werden in Zukunft an den Kassen von Billa und Hofer nur mehr „Bachelor for Monetary Science“ sitzen, weil sie – ohne auf die Kasse schauen zu müssen -  bei einem Einkauf von 22,66€ das Wechselgeld auf 100€ zurückgeben können.
P.P.P.S.: Keine Akademikerin, aber mir lieber, vom Großmeister der Fotografie – Helmut Newton




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