Sonntag, 13. November 2016

Wort zum Sonntag: "Barmherzig sollen die anderen sein"

Katholische Soziallehre
Barmherzig sollen die anderen sein

von Martin Rhonheimer

Als «Mutter aller Sozialenzykliken» wurde die päpstliche Enzyklika «Rerum novarum», deren Erscheinen sich heuer zum 125. Mal jährt, allerorts gepriesen. Die zahlreichen Würdigungen des von Papst Leo XIII. 1891 veröffentlichten Lehrschreibens durchzieht ein gemeinsamer Tenor: Die im Laufe des 20. Jahrhunderts gewachsene – und bis heute gültige – katholische Soziallehre mit ihrer zunehmenden Befürwortung des umverteilenden Sozialstaates sei nichts anderes als eine bruchlose Weiterentwicklung der Ansätze dieser ersten Sozialenzyklika. Doch hält diese Einschätzung näherer Prüfung nicht stand.

Reichtum abtreten?

Ebenso wenig stichhaltig erscheint der mit dieser Beschwörung von Kontinuität verbundene Anspruch der katholischen Soziallehre, ein originär christlicher Beitrag zu Fragen einer gerechten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu sein. Auch hier sprechen die Quellen eine andere Sprache. Die zunächst als «Dritter Weg» zwischen Kapitalismus und Sozialismus konzipierte katholische Soziallehre gründet vor allem in der von dem Jesuiten Heinrich Pesch (1854 bis 1926) entwickelten Doktrin des «Solidarismus». 

Diese «Vermittlung von Individualismus und Sozialismus», so Pesch, war eine deutliche Abkehr von der bisherigen sozialethischen Tradition.

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Zum Autor: em. Univ.-Prof. Dr. Martin Rhonheimer lehrt seit 1990 Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom und ist seit 2015 Präsident des von ihm mitbegründeten Austrian Institute of Economics and Social Philosophy in Wien, wo er gegenwärtig lebt.


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