Sonntag, 5. Juli 2015

Gastkommentar: Brain drain von Afrika nach Europa

von SF-Leser:




Das ist sicherlich für viele eine auf den ersten Blick ziemlich befremdliche These. Aber wenn man sich das obige (und auch viele andere Bilder dieser Sorte!) ansieht, so fällt auf, daß man auf den Booten viele kräftige junge Männer mit ein paar Frauen und Kindern als Staffage sieht.

Nach Medieninformationen kommt ein Teil davon aus dem Staat Niger. Ein Staat in dem das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und Jahr unter 1000 Euro liegt. Wie soll da ein Flüchtling in der Lage sein, die geforderten 1000 Euro für eine Schleusungsversuch aufzubringen? Genauer wie soll er es alleine aufbringen? Woher hat der Flüchtling so viel Geld?

Aber vielleicht sollte man sich zuerst einmal fragen, was für Männer das wohl sein könnten, die auf diesen Wegen versuchen nach Europa zu kommen?

Es sind die Menschen, die es sich zutrauen, in das fremde Europa zu kommen und dort irgendwie erfolgreich zu sein, also ihr Glück zu machen. Es sind junge Männer denen andere es zutrauen, Geld, das man ihnen für die Überfahrt leiht, mit Zinseszins zurückzuzahlen. Sicherlich ist der familiäre Zusammenhalt in Afrika enger als hier in Europa. Aber auch dort gibt man Geld für eine Überfahrt mit ungewisser Zukunft nur denen, in die man Vertrauen hat. Doch: was aber müssen das für Männer von ihren Anlagen her sein?

Es sind Männer der Elite der jeweiligen Familie, des jeweiligen Clans oder Dorfs oder der jeweiligen Gemeinschaft. Nicht aus der absoluten Elite des Landes, denn die hat in Europa studiert und braucht solche Anstrengungen nicht auf sich zu nehmen. Aber es sind die jungen Männer aus der zweiten oder auch dritten Reihe. Diejenigen die man aber ebenso braucht, um ein größeres Projekt tatsächlich realisieren zu können. Und damit diejenigen, die man braucht, um ein Land voranzubringen.

Irgendwie pfiffig müssen die Männer schon sein, und bestimmt auch körperlich geschickt, erfolgreich in einem handwerklichen Beruf, jung und kräftig und vor allem mit einem gesunden Selbstvertrauen versehen. Nur: all das macht(e) sie erfolgreich in Afrika — aber heißt das auch zugleich: erfolgreich in Europa?

Sind die Männer dann in Europa angekommen, bemerken sie, daß zwar einiges ganz »easy« für sie sein mag, aber vieles doch ganz anders abläuft, als sie zu Hause dachten. Natürlich haben sie von Bekannten vieles gehört und auch in Afrika gibt es Fernsehen, aber es ist immer noch etwas anderes etwas selbst zu erleben. Als Aslybewerber bekommt man nun also Unterkunft und Verpflegung, aber trotz allem doch nicht soviel Geld, um die Rückzahlungsverpflichtung, ob als moralische Verpflichtung gegenüber den Geldgebern oder als Kredit von einem Geldverleiher so einfach zurückzuzahlen. Körperlich einfache Tätigkeiten werden in Europa kaum gebraucht und auch dabei braucht man andere Fähigkeiten als in Afrika. Was sollen die Männer machen außer Tinnef zu verkaufen oder als Dealer zu arbeiten? Oder eben richtig kriminell zu werden? 

Trotz all dieser Probleme werden die Männer irgendwie in der Lage sein, mehr oder weniger viel Geld an ihre Geldausleiher zurückzuschicken. Dank Geldtransferunternehmen wie z.B. Western Union. Was bedeutet dies aber für die zurückgebliebene Gemeinschaft in Afrika? Was lernt ein junger Afrikaner daraus? Er lernt: selbst bei persönlich guten Voraussetzungen ist es unsinnig, in Afrika zu bleiben und dort im Land zu arbeiten, sondern es ist für ihn und für seine Verwandten weit erfolgversprechender, nach Europa zu gehen und dort sein Glück zu versuchen.

Mit einem Wort: es gibt einen »Brain drain« von Afrika nach Europa! Es werden gerade die, die wichtig für einen Fortschritt in Afrika wären, aus Afrika herausgesogen. Wir bekommen Leute nach Europa, die wir nicht gebrauchen können und die uns nur Geld kosten und Afrika verliert genau die Antreiber, die die jeweiligen Länder voranbringen könnten!

Was kann man dagegen machen? Neben den ganzen aktuell diskutierten Abschottungsmaßnahmen (die sowieso nichts bringen werden) könnte man eher versuchen, Geldüberweisungssysteme wie Western Union irgendwie unattraktiv zu machen. Aber will man das überhaupt?

Eine Frage gibt es noch: Warum interessieren sich die Regierungen in Afrika eigentlich nicht um diese Abwanderung. Mengenmäßig zur Gesamtbevölkerung ist sie sicherlich unerheblich. Aber diese Männer sind ja potentielle Unruhestifter, die man so doch gut und problemlos los wird. Und solange die sogenannten, häufig von Entwicklungshilfe finanzierten, »Leuchtturmprojekte« in den jeweiligen Länder funktionieren, ist doch alles paletti. 

Eine lose-lose Situation ...

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