Mittwoch, 12. August 2015

Sechzig Jahre ist es nun her

... daß Thomas Mann nicht mehr unter den Lebenden weilt. Am 12. August 1955 starb der Nobelpreis-Literat in Zürich, wenige Wochen nach seinem achtzigsten Geburtstag. »Nobelpreis-Literat« — ist das nicht doch zu despektierlich für diesen »Großschriftsteller« (© Kurt Tucholsky)?

Ich gestehe, daß ich merklich darum kämpfen mußte und muß, mit Thomas Mann in Beziehung zu treten. Als Leser ebenso, wie als Mensch. Er ist mir (um es im Paradoxon aufzulösen) im Ähnlichen zu unähnlich, und im Unähnlichen mir zu ähnlich! Es ist ganz vertrackt: welches seiner Werke ich auch zur Hand nahm, stets mischten sich Interesse und dégoût in der Lektüre ... Natürlich ist mir bewußt, welch große Bedeutung Mann als Schriftsteller, als Essayist für die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts hatte, und auch, räumlich wie zeitlich, darüber hinaus — für die Welt, für künftige Epochen! Doch dieses Wissen vermag mich nicht dazu zu bringen, ihn zu »mögen«. Er ist ein Autor, den ich zur Kasteiung lese (nein, das ist jetzt zu boshaft! Sagen wir: aus Selbstdisziplin) — um mir nicht eingestehen zu müssen: an Mann bist du verzweifelt ...

Und so zögere ich nun vor meinen Lesern ... — aus solchen Präliminarien wird wohl kein gescheiter Gedenkartikel mehr, das ist mir schon schmerzlich bewußt ... ... aber Thomas Mann wird's herzlich egal sein, was ich über ihn denke (mehr jedenfalls als etwaigen Mann-Fans unter den Lesern dieses Blogs, die mir mein merklich geringes Empressement verübeln werden). Doch fange ich vielleicht mit dem an, was mir von Thomas Manns Werken gefällt. Es ist wenig genug — z.B. der »Tod in Venedig«, den ich aber auch erst in der Begegnung mit Brittens Oper dieses Titels mir aneignen konnte, und einige seiner Essays, so z.B. die »Betrachtungen eines Unpolitischen« (von denen er sich freilich bald nach der Veröffentlichung distanzierte — außerdem sind sie, wenigstens für mich, zu sehr »von des Gedankens Blässe angekränkelt« ...). Von den Romanen am ehesten »Lotte in Weimar«, obwohl auch dieser Roman von langatmigen Passagen nur so überfüllt ist. Man fängt zu seufzen an, wenn man Dialoge in Fontane-Romanen gelesen hat, die sich oft auch — scheinbar und/oder wirklich — um wohlgesetzt dahergeredete Nichtigkeiten drehen, und doch von einer Lebendigkeit sprühen, die man im gestelzten Gepränge Mann'scher Sprache leider vergeblich sucht.

Aber was ist mit den »Buddenbrooks«, die ihm schließlich den Nobelpreis eintrugen? Was mit dem »Zauberberg«, seinem opus magnum? Mit »Doktor Faustus«, mit der Joseph-Tetralogie? Sorry, über diese Stöckchen springe ich nicht ... ... oder soll ich jetzt etwa ätzen, daß mir die Buddenbrooks wie »Wiskottens goes Galsworthy« vorkommt (was vermutlich auch nicht untergriffiger ist, als Döblins sarkastisches Diktum von Manns »Bügelfalte als Kunstprinzip«) ... ...

Nein, es wird nichts daraus ... ich sehe es ein! Mögen meine Leser daher das Eingeständnis (m)eines Nicht-Verhältnisses aus diesem Versuch mitnehmen. Und eine hübsche Anekdote über ein Wortspiel — freilich nicht aus dem Munde Thomas Manns, sondern eines witzigen Universitätsrektors, dessen Name mir entfallen ist, welcher aus Anlaß einer Festveranstaltung den — vermutlich als Redner geladenen — Thomas Mann mit dem damaligen Dekan der Juridischen Fakultät dortselbst, dem bekannten Staatsrechtler Richard Thoma, bekanntmachte mit den lapidaren Worten: »Herr Thomas Mann – Frau Thomas Mann«.

Genug ...

1 Kommentar:

Gregorius Braun hat gesagt…

Es gibt bei Youtube von einem Theologieprofessor aus Fribourg eine große Anzahl an Werken von Thomas man als Hörbuch. Wenn man den Professor mal in einer Vorlesung gehört hat, bekommt es natürlich einen ganz neuen Touch. Hier z.B. Josef und seine Brüder: https://www.youtube.com/watch?v=yKqB06caTcI&index=1&list=PLXB9KBC3h-bE78pWJgggMjYnpCKMCmopq