Samstag, 22. Juli 2017

Es war einmal

von Fragolin

Es war einmal in Neidistan, dem Land großer proletarischer Töchtersöhne und einer kleinen fiesen neoliberalen Ausbeuterkaste, da mogelten sich die gemeinen Wahlverlierer durch einfache gemeinsame Stimmenmehrheit an die Macht und schickten die eigentlichen Erben der Macht und fulminanten Wahlgewinner, die halt einfach zu wenige Stimmen bekommen hatten, was in einer Demokratie nach ihrem Verständnis aber kein Grund sein kann, um von den wohlerworbenen Futtertrögen verjagt zu werden, in die Wüste. Da half auch kein trotziges Verwüsten der zu räumenden Büros und sabotierendes Vernichten von Computerhardware – es zogen die Vertreter der bösen Neoliberalen und ihre randfaschistischen Steigbügelhalter machtergreifend in die Ministerialbüros und errichteten das eiskalte Kapitalistenkalifat. Die nach sozialer Wärme strebende Masse, der nun nur mehr brennende Mülltonnen zum Erwärmen ihrer frierenden Herzen blieb, schrie ihre Verzweiflung, angestachelt durch die gefühlt ungerechterweise von ihren Futtertrögen verstoßenen Rotjacken und unterstützt von den schon wieder nicht an die Futtertröge gekommenen Grünkleidchen, ihre Wut in die Welt und zwang die sich frecherweise gegen den Willen der Rotjacken konstituierende Regierung, unterirdisch zur eisigsten Vereidigung der Geschichte Neidistans zu schleichen.

Hier könnte man meinen, es wäre der Tiefpunkt allen Elends erreicht und eine dicke Schicht aus sozialem Schnee und Eis legte sich über die hungernden und frierenden proletarischen Massen, aber nein, es gab eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: beherzte Patrioten flüchteten in die arme befreundeter Nachbarn und erflehten von ihnen Acht und Bann gegen die widerrechtlich gewählte Regierung und das renitent falsch wählende Gevölke, was zwar absolut nichts brachte als einen Schub widerlichen nationalistischen Wir-Gefühls der Bio-Neidistaner und ein paar Familienfotos ohne die neidistanische Ministerin. Die Schlechte: Aus den Untiefen des Schwarzblauen Sumpfes kroch das Urböse, der Neoliberalensauron, der Inbegriff des Kapitalismus, der sich wild drehende Privatisierungsderwisch, der Vorzeige-Yuppie, das pawlowsche Neidreflexglöckchen mit der Föhnfrisur und wagte es, sozialistisches Familiensilber in Privatbesitz zu transferieren und das Tempo der Staatsverschuldung zu bremsen. Er setzte die Machete schächtend an den Hals Heiliger Kühe und belud sich mit dem ewigen und unauslöschbaren Fluch des Hasses derjenigen, die glauben, dass Gerechtigkeit bedeutet, einfach vom Geld anderer Leute zu leben. Und das sind besonders in Neidistan nicht wenige.

Es kam, wie es kommen musste, und Neidistan wurde befreit von Neoliberalen und Faschos und konnte sich endlich wieder entfalten: das Subventionswesen erblühte wieder, Privatisierungen wurden gestoppt, Gebühren abgeschafft und Halleluja! Hosianna! auch die Staatsschulden durften wieder fröhlich explodieren. Es gab ja sechs verlorene und finstere Jahre nachzuholen.
Man könnte glauben, Ende gut, alles gut. Aber da war ja noch der Sauron. Die Dartzielscheibe der Hassenden. Der Sandsack, an dem sich die Zukurzgekommenen, Zurückgebliebenen und Abgehängten, die zur Verarbeitung der Schuld am eigenen Versagen immer einen Popanz brauchen, an dem sie sich abarbeiten können. Und so wurde das Märchen geboren, dieser mit seinem Erfolg angebende (in Neidistan ein Schwerverbrechen) Fokus des Hasses der Erfolglosen wäre eine wandelnde kriminelle Organisation. Sofort wurde die einst von elfengleichen Rotjacken besetzte und endlich vom Weisungsjoch der schwarzblauen Orks befreite Neidistananwaltschaft aktiv und bedeckte auf parteifreundlichen Zuruf den Neoliberalen mit Klagen. Das Trommelfeuer medialen Rufmordes und hetzender Vorverurteilung der mit Steuergeldern gemästeten medialen Stalinorgeln begleitete den Rufmord am Verhassten mit knallendem Stakkato.

Und schlussendlich wurde der neoliberale Schuft seiner gerechten Strafe zugefüh…, äh, nach jahrelangen Ermittlungen vor den Kadi, äh…, nein, auch nicht. Eigentlich wurde nach und nach jede der gefaketen Anklagen fallengelassen, weil auch Jahre der juristischen Nachstellung keinerlei Hinweis auf Straftaten erbrachten. Egal, ein erfolgreiches Jahrzehnt für Vernaderer, Hetzer und Hasser wurde abgeschlossen. Man konnte dem Delinquenten zwar nichts nachweisen, aber man konnte ihn lange genug mit Scheiße bewerfen, dass man selbst durch aufgespachtelte Parfüme den Mief der Exkremente zu erspüren meint. Man muss nur genug Dreck werfen, dann bleibt auch was hängen, egal, wie erstunken und erlogen die Anwürfe sind.

Karl-Heinz Grasser war das erste und prominenteste Opfer des postfaktischen Medienstalkings. Eine monate- und jahrelange Hetzkampagne nähert sich ihrem kleinlauten Ende.
So gehen Linke mit denen um, die sie zu ihren Feinden erklären. Man muss Grasser nicht mögen, um den Umgang mit seiner Person für einen handfesten Politskandal zu halten.
Aber warum nur habe ich mir von den Rotjacken nichts Besseres erwartet…

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