Freitag, 21. Februar 2020

Höflichkeit ist eine Zier


und das sogar, wenn der sie übende fürwahr keine Zier in seinem Amt ist. Der höchst verdienstvolle Journalist (nicht alle Journalisten sind Lügner und Gauner, es gibt eben Ausnahmen) Christian Ortner echauffierte sich unlängst über ein diplomatisches Grußwort unseres aktuellen Bundespräsidenten:

Irans Regime mordet und foltert, Österreich schickt Glückwünsche

(CHRISTIAN ORTNER) Mit den in solchen Fällen üblichen zwei Worten „Niemals wieder“ gedachte Bundespräsident Alexander van der Bellen Ende Jänner in Israel des 75. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz. Ein paar Tage später, es war Anfang Februar, ließ der Herr Bundespräsident von seinen Beamten ein freundliches Glückwunsch-Schreiben formulieren. Adressiert war der (nach den Usancen der Hofburg) nicht zur Veröffentlichung gedachte Text an „His Excellency Hojatoleslam Dr. Hassan Rohani, President of the Islamic Republic of Iran, Teheran“.
Weit davon entfernt zu sein, ein besonderer Fan muselmanischer Gottesstaaten zu sein (ebensoweit entfernt, wie ein Fan eines Mannes, den man lt. Gerichtsurteil nicht als Kinderschänder bezeichen darf, weshalb ich das auch nicht tue), muß ich doch sagen: hier irrt Ortner!

Diese Art von Schreiben ist diplomatische Usance und nicht mehr. Ich darf daran erinnern (bzw. die meisten werden es gar nicht wissen), daß bspw. die Regierung des Irish Free State (der im Gegensatz zum UK neutral geblieben war) Anfang Mai 1945 der deutschen Reichsregierung ein Kondolenz-telegramm zum Ableben Hitlers übermittelte, obwohl ich nicht glaube, daß die irische Regierung von den Nazis so wirklich begeistert war (dasselbe werden wohl auch die anderen verbliebenen Neutralen gemacht haben, mit ebensowenig innerer Begeisterung)!

Das ist nicht im Effekt mehr, als wenn ich einen mit der Honorarzahlung weit überfälligen Mandanten mit den Worten:
“Sehr geehrter Herr XY!
Leider mußten wir feststellen, daß unsere Honorarnote vom … von Zahlungserinnerung noch immer nicht beglichen ist. Wir ersuchen Sie daher letztmalig, die offenen Beträge lt. Beilage zu überweisen, da wir ansonsten gezwungen wären, rechtliche Schritte zu ergreifen. Sollten Sie die offenen Beträge inzwischen bereits überweisen haben, betrachten Sie, bitte, dieses Schreiben als gegenstandslos.
Mit vorzüglicher Hochachtung”
mahne, und nicht mit
“Sie Arschloch!
Es reicht! Zahlen Sie endlich, und zwar dalli — oder wir sehen einander vor Gericht!”
obwohl das meiner Stimmungslage und Einschätzung des Mandanten (bei dem von “sehr geehrt” und “Hochachtung” wohl längst keine Spur verblieben ist) weitaus mehr entspräche.

Und so, wie ich kein Freund muselmanischer Gottesstaaten bin, bin ich auch keiner des aktuellen Bundespräsidenten (mein Blog beweist beides regelmäßig!), aber da muß ich ihn einfach verteidigen: solche Schreiben bekamen schon “nette Leute” à la Idi Amin, und selbstmurmelnd hat unsere Bundesregierung z.B. beim Ableben des Massenschlächters Stalin der Regierung der UdSSR formvollendet kondoliert. Und all das vor der Amtszeit des derzeitigen Präsidenten.

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Eine Kommentarposterin bei Ortner-Online meinte daraufhin allerdings bemängeln zu müssen: 
@ lepenseur
Sie haben recht, solche diplomatischen Usancen sind üblich. Das heißt jedoch nicht, dass man damit einverstanden sein muss und diese Usancen für immer bestehen bleiben müssen. Außerdem können sie auf Jugendliche oder uninformierte Menschen eine ungünstige Signalwirkung ausüben.
Worauf ich nur replizieren  konnte: wohl kaum, denn – wie auch Herr Ortner dankenswerterweise klarstellte –
Adressiert war der (nach den Usancen der Hofburg) nicht zur Veröffentlichung gedachte Text (Hervorhebung durch mich)
Sowas ist also nur für Diplomaten-Insider und Protokollbeamte gedacht. Anläßlich der Entsendung eines ägyptischen Botschafters nach Israel wurde von Mohammed Mursi, dem damaligen Präsidenten der Republik Ägypten, u.a. folgendes textiert (Zitat aus der Times of Israel, 17.10.2012):
“Great and good friend,” Egypt’s Islamist president, Mohammed Morsi, wrote in the letter to his Israeli counterpart, “being desirous of maintaining and strengthening the cordial relations which so happily exist between our two countries, I have selected Mr. Atef Mohamed Salem Sayed El Ahl to be our ambassador extraordinary and pleni-potentiary.” Morsi closed his letter, which largely followed standard diplomatic language for the exchange of ambassadors, by expressing “highest esteem and con-sideration.”
Wäre daraus zu schließen gewesen, daß Mursi denn wirklich und ernstlich Peres als “great and good fried” betrachtete? Und daß so besonders “… cordial relations which so happily exist between our two countries …” zu bemerken gewesen wären? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu beantorten!

Nein, natürlich nicht! Das sind Sätze aus dem geläufigen Floskelset diplomatischer Höflichkeiten, von denen ganz besonders die klassische Höflichkeits-Definition gilt: “Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: es ist nichts drin, aber es dämpft die Stöße.”

Was auch für den von Ortner inkriminierten Text VdB’s zutrifft. Daher: bitte die Kirche im Dorf lassen — was immer man an VdB kritisieren mag (und da gibt’s sehr, sehr viel zu kritisieren!): das nicht!


2 Kommentare:

Da schau her! hat gesagt…

Ach ja, und wenn Mr. Trump an einen seiner diversen "best friends", den Kronprinzen des "Saudi"-Regimes, dem gegenüber das Iran-Regime noch vergleichsweise harmlos ist, Grußbotschaften versendet, dann ist das unseren Populisten keinen Aufreger und schon gar keine Zeile wert. Das gilt dann als "kluge Diplomatie".

Wie ja überhaupt es unsere lieben Popöuliste nicht nur nicht stört, sondern mit Bewunderung erfüllt, dass Trump Leute Putin, Erdogan, Kim, Duterte, Bin Salman, Bolsonaro & Co. bewundert und immer wieder twitternd anpreist, während er Leute wie Merkel, Macron, Conte und Sanchez ebenso verlässlich per Twitter schmäht.

Fragolin hat gesagt…

Werter "Da schau her!",
dass Van der Bellen in Österreich Präsident ist und Trump nicht, ist dir absolut entgangen, oder? Versuch es mal mit dem Selbststudium eines Globus', es reicht auch Google Maps, es ist niemals zu spät sich damit auseinanderzusetzen, wo man wohnt und wer dort Staatsoberhaupt ist.
Ja, es ist mir vollkommen egal, an wen sich Trump anwanzt, weil ich nicht in den USA lebe. Aber ich verfolge mit Interesse die Ausflüsse des greisen Hofburgbewohners, denn die betreffen mich. Wenn Trump dem Erdowahn in den Hintern kriecht ist das ein Problem der Amerikaner, wenn VdB aber meiner Frau die Eeisung geben möchte, aus Solidarität mit Musliminnen Kopftuch zu tragen, dann hört der Spaß auf.
Warum die Linksextremen bis heute eine solche Mullah-Verliebtheit an den Tag legen ist mir schleierhaft, aber das müsst ihr selbst mit euch ausmachen. Der Rest deines Ausflusses ist eh Blödsinn, aber das weißt du eh selbst.
Wenn du damit ein Problem hast, dann wende dein Interesse amerikanischen Blogs zu und beschwere dich da, hier ist die falsche Adresse.
MfG Fragolin