Freitag, 18. August 2023

Worüber schreibt DiePresse, wenn Saure-Gurken-Zeit herrscht ...?

(letztes Rauchzeichen aus dem Urlaub)
von LePenseur


Übers Duzen und Siezen. »Na, Ihre Sorgen und das Geld vom Rothschild möcht ich haben«, seufzt der Wiener angesichts solcher »Probleme« ...
 
Wobei am Arbeitsplatz das sogar wirklich ein Problem werden kann. »"Du Trottel!" sagt man viel leichter als "Sie Trottel!", aber es ist genauso eine Beleidigung«, mahnte mein seliger Vater meinen Bruder, der als noch recht junger Juniorchef in den hipp(ig)en 70er-Jahren mit der ganzen Belegschaft am liebsten per Du gewesen wäre (außer mit der höflich-distanzierten Frau Strohschneider, der »rechten Hand« unseres alten Herrn — das hätte nicht einmal mein Bruder gewagt ...).

Bedauerlicherweise fällt DiePresse ein eher negatives Urteil über das »Hamburger Sie« (das ich bisher eher — aber wie mich Wikipedia belehrt — offenbar nicht repräsentativ als »Hamburger Du« kannte) und nennt es »ein wenig paradox«, jemanden zu siezen, aber mit dem Vornamen anzureden. Nun, ich mache das in meiner Kanzlei seit Jahrzehnten und predigte (leider praktisch immer vergeblich), daß auch meine Angestellten sich untereinander so anreden sollten.

Der Gebrauch des Vornamens schafft dokumentiert doch irgendwie die Vertrautheit (und, hoffentlich auch das Vertrauen) in einer jahrelangen Berufsbeziehung — und das »Sie« hemmt den »Trottel«, der einem in krisenhaften Situationen sonst leicht(er) entschlüpft; es muß gar nicht so weit gehen, wie es der Wiener Volksmund ausdrückt: »Gleich nach dem 'Du' kommt 's Orschloch« ...

Das »Hamburger Sie« pflege ich natürlich nicht gegenüber allen: als ich noch jünger war, redete ich die älteren Mitarbeiter natürlich mit »Sie« und ihrem Familiennamen ein — das hat sich aber durch Pensionierung dieser Angestellten inzwischen erledigt. Jüngere Mitarbeiterinnen, die meist bald nach der Schule zu mir kamen und die allesamt locker meine Töchter sein könnten (also: rein vom Alter her, meine ich!), werden mit Vornamen gesiezt und haben sich darüber noch nie beschwert. vielleicht überdenke ich diese policy, wenn die ersten unter ihnen den Vierziger feiern, warten wir's ab ...

Das »Münchener Du« hingegen ist mir nicht aus München, sondern noch aus meiner Schulzeit vertraut: »Bist wieder deppert, Weber?« war durchaus gängige Anrede zwischen uns Burschen. Derlei Ruppigkeiten werden heute vermutlich unter Leitung eines Schulsychologen in Stuhlkreisen therapiert — tempora mutantur ...

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Einen Termin bei meinem Frisiersalon erhalte ich immer noch bei Daniela, Erika, Michaela usw. ohne dass ich das Gefühl hätte, dass sich die Damen darüber beschweren. Selbstverständlich bin ich deswegen nicht per Du mit Ihnen. Wie das in den immer mehr aus dem Boden schießenden türkischen Männerfriseurläden ("Barbershop" auf Neudeutsch) gehandhabt wird kann ich natürlich nicht sagen.
Ich finde es im Deutschen sehr angenehm, wenn man zwischen der distanzierenden Ansprache mit "Sie" und Familiennamen und dem "Du" mit Vornamen noch eine Zwischenstufe hat, das "Sie" mit dem Vornamen! Das Problem, dass gewisse Kreise nur mehr Duzen kommt auch aus dem Englischen; hatte das "Our Father .. hallowed be thy name..." noch eine Du-Ansprache ist sie inzwischen völlig verschwunden.
In den Filmen haben die Übersetzer ja ein Problem: sind die zwei Menschen, die sich mit dem Vornamen ansprechen, jetzt schon per Du oder noch per Sie? Da merken wir dann, welche Ideologie die deutschen Filmverleiher bevorzugen.
Die Skandinavier, die ja immer schon besonders progressiv sein wollten, kennen natürlich nur mehr das "Du". Ist für die dortigen Neubürger klarerweise angenehmer als bei uns das "Sie" zu begreifen und zu lernen.
Meint Erich

helmut-1 hat gesagt…

Werte Penseur,
da ist meine Meinung etwas anders gelagert.

Generell wird das "Sie Trottel" wesentlich härter empfunden als "Du Trottel". Nach meinem Gefühl, was aber nicht allgemeingültig sein muss.

Leute im Betrieb oder im Büro mit dem Vornamen anzureden, ist eine Art der Kollegialisierung, die nur positiv sein kann. Vermutlich wird dann beim Nennen des Vornamens das "Sie" nach einiger Zeit (unterschiedlich je nach Art des Betriebes - im Büro ists anders als in der Schlosserei) in das "Du" übergehen. Meistens geben dazu die Betriebsausflüge oder Betriebsfeste einen Anlass.

Es muss schon einen Grund geben, wen sich gleichaltrige, die sich schon einige zeit kennen, mit "Sie" und nicht mit Du ansprechen. Gleichaltrig bedeutet für mich, sich in ungefähr der selben Generation zu befinden.

Was ich nicht nachvollziehen kann, das ist -wie in einigen TV-Serien (z.B. Soko Wismar) die Verwendung des "Du" in Verbindung mit der Verwendung des Familiennamens anstatt des Vornamens. Erinnert mich an manche Vorgänge beim Militär. Wobei es sich da vorwiegend um die Schicht der Unteroffiziere gehandelt hat, die das so angewandt haben, schon beim Leutnant als Maturaabsolventen sah das anders aus.

Hier bei uns in der Provinz gehts lockerer zu, - da sind fast alle per "Du", auch, wenn man sich nur flüchtig kennt. Dazu kommt es ja auch auf die Art der Konversation an. Sagt man zum Nachbar - "Komm hilf mir mal schnell, - ich kann das alleine nicht aufheben, ist mir zu schwer". Dann ist das wesentlich natürlicher als - "Kommen Sie und helfen Sie mir mal schnell".

Auf der Baustelle ist sowieso jeder per "Du", es sei denn, es handelt sich um den Bauherrn oder den Architekten. Egal, ob man denjenigen schon vorher mal gesehen hat oder nicht.

Ich hab da so meine einfache Strickweise:

Ich bin mit jedem per Du, mit drei Ausnahmen:

- Dem ich Geld schulde
- Von dem ich Geld zu kriegen habe
- Den ich nicht ausstehen kann.

Ganz wenige Leute gibt es, die ich seit Jahrzehnten kenne und mit denen ich viel zu tun habe, mit denen ich auch nach so langer Zeit immer noch per Sie bin. Es sind Personen, zu denen ich aufsehe. Leute, die ein immenses Wissen haben, und mir deshalb um einiges voraus sind. Das ist z.B. jemand in unserer Stadt, der ein immenses Geschichtswissen hat, und von dem ich als der um 15 Jahre jüngere immer noch lerne.

Aber, - leider ist der bereits verstorben - es war auch ein einfacher Bauer aus Siebenbürgen dabei, mit dem ich mich so gut verstanden habe, als wären wir Brüder gewesen. Nur drei Volksschulklassen konnte er besuchen, - der Krieg ließ damals nicht mehr zu. Aber er hat mit so vieles aus der "Schule des Lebens" beigebracht, dass ich oftmals mit offenem Munde zugehört habe.