Montag, 29. Januar 2018

»Unwörter«

Zu einem überaus lesenswerten Artikel beim »Papsttreuen« über das sogenannte »Unwort des Jahres 2017«:
Alternative Fakten gibt es tatsächlich. Und genau darum ist der Begriff auch kein Unwort, seine Wahl dazu ein Akt mangelnden Verständnisses von Fakten.

Nun also „Alternative Fakten“. Nachdem es im vergangenen Jahr der Begriff des „Volksverräters“ war und im Jahr zuvor der „Gutmensch“, davor (2014) „Lügenpresse“ und (2013) „Sozialtourismus“ hat sich eine – laut FAZ –  „unabhängige Jury aus Sprach-wissenschaftlern und einem Publizisten“ wieder für ein Wort als „Unwort des Jahres“ entschieden, dass nicht nur aus der politischen Diskussion stammt sondern dort ins- besondere aus der Auseinandersetzung der politisch rechten und linken Lager (diese Vereinfachung bitte ich zu entschuldigen, aber ich denke, es ist klar, was ich meine). [...]

Zum Glück eilt da ein sehr aktuelles Beispiel herbei. Man kann nämlich – so wird berichtet – faktisch richtig sagen, dass in Deutschland lebende Flüchtlinge (dabei wird vermutlich nicht zwischen Asylanten, Migranten, subsidiär Geschützten etc. unter-schieden … sei’s drum) die Krankenkassen entlasten! „Hurra“, ruft da der Gutmensch, „es lohnt sich also doch, sie alle rein zu lassen!“ [...]

Gleichzeitig kann man aber ebenfalls behaupten: „Flüchtlinge belasten das Gesund-heitssystem!“ Nanu, wie das? Ein kleiner, aber immerhin bei n-tv nicht verschwiegener Aspekt kommt hier zum Tragen: „Das Geld kommt vom Bund.“
erschienen dortselbst einige Kommentare, die hier »konsolidiert« wiedergebracht seien als 

Gastkommentar
von Gero

Wer sich mal die Truppe ansieht, die da “offiziell” eine angebliche Wahl veranstaltet, wird schnell sehen, das man es da mit linken und linksextremen Personen zu tun hat, die aus ihrer ideologischen Verblendung vor allem eins tun wollen: Dem Normalbürger das Vokabular für seinen Protest gegen die herrschende Politik zu entziehen.

Es sind genau diese Worte “Lügenpresse”, “Gutmensch” und “Volksverräter”, die der Lügenpresse, den Gutmenschen und Volksverrätern entgegenschlagen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Da tut es weh, genau und da sollte der geneigte Bürger ansetzen und diese Wahl als Empfehlung verstehen, mit welchen Verbalitäten man den größten Hebel in der Hand hält!

Für mich sind diese Worte gerade durch ihre angebliche Wahl dieser Ideologen als Kampfbegriffe geadelt. Sorgen wir also dafür, das der Schuß nach hinten losgeht und gebrauchen sie kräftig und ohne Unterlass.

Die Sache mit den Flüchtlingen und der Entlastung der Krankenversicherung — eine Frechheit, wie offensichtlich man uns dabei ins Gesicht lügt. Denn das ...
“Beide Schlagzeilen – „Flüchtlinge entlasten gesetzliche Krankenversicherung“ und „Flüchtlinge belasten Gesundheitssystem“ sind also durchaus richtig, wobei die erstere einen nicht ganz unwichtigen Aspekt unberücksichtigt lässt – gelogen ist sie deshalb noch nicht.”
... sehe ich nicht so: Gemäß der Redewendung, daß die halbe Wahrheit eine ganze Lüge ist, ist die darin getätigte Aussage mit Absicht auf eine ganz bestimmte Art und Richtung irreführend.

Mich wundert nur, daß solche Sachen so dilettantisch und überhaupt nicht mehr subtil angestellt werden. Ist der Berufsstand “Mainstreamjournalist” intellektuell wirklich am Ende? Oder hat die “Speerspitze der Demokratie” tatsächlich nur in den feuchten Träumen von Nachkriegs-Lohn- schreibern stattgefunden?

Hakt man da nämlich nach, kommt, von Apotheken-Rundschau bis zur FAZ einzig der Vorfall um den Spiegel im Jahr 1962 (!) als Begründung für dieses gern genommene Attribut zur Sprache. Ein Vorfall, der genausogut als Ausrutscher weniger Journalisten in einem Artikel dieses Magazins gewertet werden könnte, als Legitimation für den Allmachtsanspruch der vierten Gewalt? Und all den üblen Sermon, der seither durch die Federn geflossen ist? Für wie blöde halten die uns eigentlich?

Auf den sofort gebrachten Einwand von Siegfried Simperl:
Die Jury besteht aus vier Sprachwissenschaftler und einem Journalisten, die Sprachkritik auch außerhalb der Universität für relevant halten. Die Jury wird im jährlichen Wechsel durch ein weiteres sprachinteressiertes Mitglied aus dem Bereich des öffentlichen Kultur- und Medienbetriebes ergänzt. Sie arbeitet institutionell unabhängig, d.h. ist weder an einzelne Universitäten, Sprachgesellschaften/ -vereine oder Verlage gebunden.
Die Jurymitglieder beteiligen sich ehrenamtlich und aus Interesse und verstehen sich als Vermittler öffentlichen Unbehagens an bestimmten Sprachgebrauchsweisen, nicht aber – ein häufiges Missverstehen – als “Sprachschützer”.
Die sprachkritische Aktion basiert auf dem Interesse und auf der Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger. Jede und jeder kann zum 31.12. eines jeden Jahres schriftlich Unwortvorschläge an die Jury einreichen (bitte mit kurzer Begründung und Quellenangaben!). Die Jury “kreiert” also keine Unwörter, sondern wählt nach gemeinsamer Diskussion begründet aus den aktuellen Einsendungen aus.
kann ich nur entgegnen: Haben Sie die von Ihnen angeführten Sprachwissenschaftler mal in persona gegoogelt? Also Herkunft und ihre politische Zugehörigkeit sowie die der sie ausbildenden oder alimentierenden Universitäten und/oder Stiftungen. Was denken Sie über das Zusammentreffen der Wörter “Gutmensch”, “Lügenpresse” und “Volksverräter” in abfolgender Reihe? Welches politische Spektrum würde selbst eine solche Wahl vorschlagen? Sie können wählen zwischen
1.)”Links”
2.) “Mitte”
3.) “Rechts”
Wobei wir 1.) und 3.) jeweils mit 25% der Bevölkerung, 2.) aber mit 50% gewichten wollen. Wenn Sie jetzt ehrlich zu sich selbst sind, sehen Sie, was da für eine Nummer abläuft.

Und die Frage, die ich jetzt noch an mich selbst stelle, ist, wieso ich so was hier schreiben muß, statt eine realistische Einschätzung zu diesem Mummenschanz in den üblichen Printmedien lesen zu können — denn die sollten das gelernt haben und werden schließlich dafür bezahlt!


Wer mit den Wölfen heult, wird irgendwann vom Jäger erschossen.




1 Kommentar:

Biedermann hat gesagt…

"Gut gebrüllt." Danke! Ein Kommentar der die miefige Luft reinigt.