Montag, 10. Juni 2013

Kennen Sie den?

Der Ostfriesenbauer Heiko geht mit seiner Freundin spazieren. Beide beobachten, wie ein Stier eine Kuh besteigt. Davon inspiriert teilt Heiko seiner Freundin mit: »Dazu hätte ich jetzt auch Lust!« Darauf die Feundin: »Na, dann mach doch — es sind doch Eure Kühe!«  ;-)
Obacht, lassen Sie das besser sein, denn da droht Ihnen bereits der Staatsanwalt! Wenigstens in Tirol, wie uns »Die Presse« heute berichtet:
Ab wann stellt ein vermeintlicher Witz im Internet eine Verhetzung dar? Um diese Frage drehte sich ein Berufungsprozess am Oberlandesgericht Innsbruck. Ein 19-Jähriger hatte gegen das erstinstanzliche Urteil berufen, nachdem er wegen eines Postings auf Facebook verurteilt worden war.

In erster Instanz standen vier junge Facebook-Nutzer vor dem Landesgericht Innsbruck. Zwischen ihnen hatten sich im Internet Diskussionen um Ausländer entsponnen, im Zentrum standen Zuwanderer aus der Türkei. Schnell wurde es untergriffig, und die Beteiligten spornten sich in der für andere einsehbaren Diskussion gegenseitig zu weiteren Einträgen an. Schließlich war sogar schon von Gaskammern zu lesen. Die Staatsanwaltschaft wurde aktiv. Sie erhob vor dem Landesgericht Innsbruck gegen vier Personen Anklage wegen Verhetzung.

Die jungen Tiroler zeigten sich vor Gericht großteils einsichtig und erklärten, sie wüssten, dass sie mit solchen Aussagen eine Volksgruppe schlechtgemacht hätten. Sie erklärten aber alles damit, dass sie sich nicht „viel gedacht“, sondern „einfach geschrieben“ hätten. Der Richter ließ Milde walten und bot den Leuten eine Diversion an. Drei Angeklagte (zwei Männer, eine Frau) nahmen an und ersparten sich durch gemeinnützige Arbeit eine Verurteilung wegen Verhetzung.

Der vierte Angeklagte gestand auch ein, auf Facebook die ihm vorgeworfenen Worte gepostet zu haben. Aber er betonte, keinen strafrechtlichen Tatbestand gesetzt zu haben. Denn er habe nur einen Türkenwitz gepostet, sich nicht viel gedacht und keinesfalls gehetzt. Konkret hatte der Mann geschrieben: „Warum gibt's in da türkei koane samenspender??? ...weil di ganzn wixxa bei uns sein;)“ (sic!). Der Mann, der über 400 Facebook-Freunde, die seine Einträge lesen können, verfügt, erklärte, den Witz unterhaltsam zu finden. Er habe ihn persönlich auch schon Türken erzählt, und selbst von diesen hätten 90 Prozent den Gag lustig gefunden.
Was ein gutmenschlicher Richter freilich nicht finden darf. Denn so jemand lacht sicher auch niemals über Ostfriesenwitze (wie den obigen), oder über Burgenländerwitze. Oder etwa doch? Ach so, da geht's ja nur um Einheimische, um Piefkes bzw. Ösis — da ist natürlich gleich ein anderer Maßstab anzulegen! Auch »Schweinefresser« oder »Christenschlampe« sind bekanntlich immer im kulturellen Kontext zu sehen und daher mit gebotener Sensibilität straffrei zu belassen. Was also macht ein gesetzeskonform gutmenschlicher Richter in Tirol?
Ohne eine Schuldeinsicht ist eine Diversion nicht möglich. Der Richter musste daher urteilen, und er erblickte in dem „Witz“ sehr wohl eine Verhetzung. Er verurteilte den 19-Jährigen zu 480 Euro Strafe (120 Tagessätze à vier Euro). Sollte der Notstandshilfebezieher nicht zahlen können, würden stattdessen 60 Tage Gefängnis fällig. Die Hälfte der Strafe wurde bedingt ausgesprochen.

Der Richter betonte, dass der Angeklagte selbst vor Gericht eingeräumt habe, dass „Wichser“ ein abwertender Ausdruck sei. Der Mann habe zumindest einen bedingten Vorsatz darauf gehabt, Türken öffentlich verächtlich zu machen.
Auf die Gefahr hin, österreichische Richter (freilich keine »Volksgruppe«) mit zumindest bedingtem Vorsatz öffentlich verächtlich zu machen, erlaube ich mir die Festellung, daß ich dieses Urteil für eine ziemliche Wichserei halte. Das Oberlandesgericht hatte ein Einsehen mit dem jungen Mann und sah das ähnlich:
... das Oberlandesgericht Innsbruck sprach ihn nun vom Vorwurf der Verhetzung frei. Es betonte, dass der Mann am Ende seiner Äußerung das Emoticon „;)“ verwendet hatte, das für „zwinkern, nimm's nicht so ernst!“ stehe. Derartige Äußerungen verwende man, um den Bedeutungskontext der Aussagen im Internet zu verdeutlichen, sagte das Gericht.

Die Bedeutung des Zeichens lasse sich auf Wikipedia nachlesen, heißt es in dem Urteil. Man könne daher insgesamt nicht feststellen, dass der Mann Türken in einer der Menschenwürde verletzenden Weise beschimpfen wollte, entschied das Oberlandesgericht Innsbruck (11 Bs 110/13h). Der Freispruch ist rechtskräftig.
Pffffffft ... ist ja nochmal gut gegangen für den jungen Mann. »Die Presse« merkt ob der hiezu gebrachten Leserkommentare (waren da etwa auch Türkenwitze drunter? — ich habe den Artikel dafür leider zu spät entdeckt) lapidar an:
Anmerkung der Redaktion
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Nun gut, liebe Sensibelchen in der »Presse«-Redaktion — kein Kommentar ist auch ein Kommentar. Man lernt jedenfalls daraus: um von irgendwelchen Wichsern im Talar nicht verknackt zu werden — vergessen Sie nicht zu zwinkern!

;-)

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