Freitag, 22. Februar 2019

Rindviecher

von Bastiat


Ein aktuelles Urteil eines österreichischen Gerichts sorgt für Aufregung: im Jahr 2014 wurde eine Wanderin, die auf einer Alm in Tirol mit ihrem Hund unterwegs war, von einer Herde Kühe attackiert und getötet. Kühe reagieren, insbesondere wenn sie mit Jungtieren unterwegs sind, sehr aggressiv auf Hunde, weil sie sie für Wölfe halten und deshalb als Bedrohung für die Kälber ansehen. 

Man muss für Flachländer erklärend hinzufügen, dass es im Alpenraum seit Jahrhunderten üblich ist, während der Sommermonate Kühe auf hochgelegene Wiesen (die Almen) zu bringen und dort weitgehend ohne menschliche Aufsicht, und auch ohne Ställe, Zäune, etc., zu belassen, bis sie im Herbst wieder zurück ins Tal gebracht werden. Dies entlastet die tieferliegenden Weiden und erlaubt, das dort wachsende Gras für die Vorratshaltung im Winter zu verwenden.

Der Bauer, dem die betreffenden Kühe gehören, hatte sogar am Zugang zur Weide Schilder angebracht, die vor der Herde mit Mutterkühen warnte. Es wird weiters stets darauf hingewiesen, dass man im Fall eines aggressiven Verhaltens der Kuhherde seinen Hund von der Leine lassen soll; dieser kann schneller laufen als sein Besitzer und auch schneller als die Kühe. Die betreffende Frau jedoch hatte sich die Hundeleine um den Bauch gebunden. Nicht übermäßig clever, möchte man konstatieren. Oder anders gesagt: selbst schuld. Konsequenterweise wurde der Bauer im strafrechtlichen Verfahren freigesprochen.

Nun, das Zivilgericht, das von den Angehörigen der Frau bemüht wurde, zeigte deutlich weniger Hausverstand. Der Bauer wurde zu einer Entschädigungszahlung von knapp € 500.000 verurteilt. Die sinnige Begründung des Gerichts: er hätte einen Zaun errichten sollen, um Wanderer vor seinen Kühen zu schützen.

Nun, bei diesem Richter handelt es sich offensichtlich um einen Juristen, der auch sonst von mäßigem Verstande ist. Es ist komplett lebensfremd zu verlangen, jeder Bauer mit Vieh auf der Alm müsse Touristen, die uneingeladen über seinen Grund und Boden latschen und dabei jegliches Gefühl für mögliche Gefahren vermissen lassen, erstens vor sich selbst und zweitens vor seinen Kühen schützen. Nicht einmal Warnschilder wären ausreichend; offensichtlich stellt das Zivilgericht an die geistigen Fähigkeiten von menschlichen Wanderern keine höheren Anforderungen als an die der Rindviecher, die dort grasen. Selbstverantwortung ist ja auch sowas von 20. Jahrhundert.

Dieses Urteil wurde vom Anwalt des Bauern beeinsprucht. Falls es hält, wird es weitreichende Folgen für die Almbewirtschaftung wie für den Tourismus haben. Auf Almen Zäune errichten zu müssen, um Kühe einzusperren, wäre wirtschaftlich gesehen eine Katastrophe und ein Frevel an der Natur. Verständlich wäre es daher, wenn die Bauern den Zugang zu den Almen für Wanderer generell sperren. Bei Wäldern ist der freie Zugang gesetzlich geregelt; dies gilt jedoch nicht für Weideflächen. Wäre natürlich sehr unerfreulich für Wanderer; die dürften sich dann bei einem geistig überforderten Richter und posthum bei einer ebensolchen Touristin bedanken.

Es scheint, in dieser Causa gibt es viele Rindviecher, und nicht alle tragen Hörner.

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