Samstag, 22. Januar 2011

»Lernen Sie sich besser zu benehmen!«

... hätte jener ORF-Reporter Bundeskanzler Kreisky zurufen sollen, als der ihn mit den legendär gewordenen Worten »Lernen Sie Geschichte, Herr Reporter!« sprachlos machte. »Die Presse« hat diesen Satz 2007 dankenswerterweise in einem nostalgischen Kreisky-Gedenkartikel in den meist unbekannten Zusammenhang, nämlich das »Pressefoyer« nach dem Ministerrat am 24.2.1981, gestellt:
Februar1981: Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Bauskandal beim Wiener Allgemeinen Krankenhaus tagte schon monatelang ohne Ergebnis. Die VP wollte neue Zeugen laden, die SP lehnte ab. ÖVP-Obmann Mock war so empört, dass er zu Bundespräsident Kirchschläger marschierte, um sich über die „undemokratische Vorgangsweise“ zu beschweren. Kreisky geriet darüber außer sich und polterte in den „Salzburger Nachrichten“ los: Der Bundespräsident sei kein Schiedsrichter über das Parlament, es drohe eine Verfassungskrise, vor allem sei der Bundespräsident kein „Justizkanzler“.

Im darauffolgenden Pressefoyer am Dienstag, 24.Februar, eskalierte die Szene. Kreisky sah in dem Vorgehen eine Gefahr für die Wiederkehr der Dreißigerjahre. Den Hinweis, dass man das doch niemandem in Österreich unterstellen könne, parierte Kreisky mit dem Hinweis: „Angesichts des gestrigen Putschversuchs in Spanien fragen Sie mich das?“

Brunners Konter: „Wir sind aber nicht in Spanien, sondern in Österreich!“

Kreisky: „Ich habe die Justiztricks der Dreißigerjahre erlebt, und ich kann nicht früh genug warnen vor einer Wiederholung.“

Brunner: „Wir leben doch heute in einer ganz anderen politischen Situation.“

Kreisky explodiert: „Lernen Sie Geschichte, Herr Reporter!“ Alle weiteren Einwände wischte Kreisky weg.
So weit, so mies, möchte man sagen. Brunner war noch dazu ein SPÖ-Mann, konnte sich also gegen »seinen« Bundeskanzler wohl nicht gut wehren. »Die Presse« beeilt sich, sofort begütigend hinzuzusetzen:
Kreisky war damals nicht mehr ganz gesund und beim Pressefoyer immer gereizter. Verständlich. Die Nieren arbeiteten nicht mehr zufriedenstellend, Kreisky musste sich wöchentlich der belastenden Blutwäsche unterziehen.
Politiker mit chronischen schweren Gesundheitsproblemen sollten eigentlich zurücktreten, statt krankheitsbedingte Haßtiraden von sich zu geben.

Überhaupt, Kreisky hätte besser schon viel früher zurücktreten sollen. Oder noch besser: nie an die Macht kommen. Dann hätte Österreich eine Menge Probleme, an denen wir bis heute laborieren, nie gehabt. Ein Regierungschef, der ernsthaft behauptet: »Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger Kopfzerbrechen als 100.000 Arbeitslose mehr«, und seine Budget- und Wirtschaftspolitik (wenn man das noch so nennen kann) demgemäß gestaltet, ist eigentlich als gefährliche Bedrohung für jedes Staatswesen einzustufen.

Signifikant die Explosion der Finanzschuld (umgerechnet in Euro) unter Kreisky:

1970 (d.h. im letzten Budget eines ÖVP-Finanzministers vor Kreisky) betrug die Finanzschuld des Bundes 3.421 Mio. EUR — das waren 12,5% des damaligen BIP — und das Nettodefizit 0,6% des BIP.

1983 (d.h. im letzten Jahr der SPÖ-Alleinregierung unter Kreisky) betrug die Finanzschuld des Bundes 30.246 Mio. EUR — oder 33,3% des BIP — und das Nettodefizit unschöne 5,3% des BIP.

Daß angesichts solch desaströser Entwicklungen in Österreich jetzt aus Anlaß des sich heute zum hundersten Mal jährenden Geburtstags von Bruno Kreisky nostalgisch-lobhudelnde Artikel en masse erscheinen, in den Sendungen des Österreichischen Rotfunks linke Reporter und Medienmacher selig darüber schwadronieren dürfen, wie epochemachend dieser Bundeskanzler für Österreich war, ist ein Beweis, daß Österreichs Bevölkerung wohl einen unerklärlichen Hang zu Polit-Masochismus haben dürfte. So, wie seinerzeit »der Kaiser« Franz Joseph, der Zeit seines Lebens fast nur Niederlagen hinzunehmen und Fehlentscheidungen zu verantworten hatte, verklärt wurde, so geschieht es heute mit Bruno Kreisky, jener Ikone einer politisch stets unverantwortlich agierenden Arbeiterbewegung, die ihn jetzt zum »größten Bundeskanzler Österreichs« hochjubeln will.

Doch nicht nur in ökonomischen Belangen wirkte sich Kreiskys Großmannsucht verheerend aus. Die Schwierigkeiten, mit denen Österreich in der sogenannten »Waldheim-Affaire« später zu kämpfen hatte, resultieren nicht zuletzt aus der Abneigung israelfreundlicher Lobbies in der ganzen Welt, die Kreiskys ebenso engagierte wie größenwahnsinnige Nahost-Politik auslöste. Der Regierungschef eines kleinen neutralen Landes in Mitteleuropa gebärdete sich wie ein Staatsmann einer geheimen Großmacht und versuchte zu »vermitteln« — als ob die USA, die UdSSR und die Arabische Liga dazu einen österreichischen Bundeskanzler brauchten! In meiner Studienzeit verletzte ich meinen Völkerrechtsprofessor, der sich an Kreiskys außenpolitischer Genialität berauschte, zutiefst mit der ironischen Frage, ob er glaube, daß sich Argentinien und Chile in ihrem Grenzstreit über eine wichtigtuenden Vermittlungsversuch des pakistanischen Ministerpräsidenten freuen würden. Pakistan sei doch etwas anderes als Österreich, meinte mein Professor. Sicher, konterte ich: es ist wesentlich größer — und besser gerüstet.

Jeder kennt den alten Satz: »De mortuis nil nisi bene«. So gesehen, sollte man diesen Gedenktag Kreiskys besser mit Stillschweigen übergehen, denn im Gegensatz zu seinen recht überschaubar flüchtigen Verdiensten schlagen die Folgen seiner ökonomischen wie politischen Hochstapelei noch heute schmerzlich zu Buche. Noch besser wäre freilich gewesen, man hätte Kreisky damals rechtzeitig zugerufen: »Lernen Sie rechnen, Herr Kreisky!«

Es bleibt nur fraglich, ob so ein Appell irgendwas genutzt hätte ...

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