Donnerstag, 17. Oktober 2024

Besteht eine reale Hoffnung auf Frieden in absehbarer Zeit? — Teil 2

von Franz Lechner
 
Wie haben wir gesagt? "Die Hoffnung stirbt zuletzt…" All diese Szenarien endeten mit der bedingungslosen Kapitulation. Natürlich sind auch andere Möglichkeiten denkbar.  

e) Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten und ein Vertragsfriede: Angesichts der mittlerweile auch hohen russischen Verluste erscheint es unwahrscheinlich, dass Putin zu große Kompromisse eingehen kann. Schließlich steht der russische Sieg außer Zweifel. Ein Friede, der folglich für beide Seiten annehmbar wäre, erscheint damit in immer weitere Ferne zu rücken. Dazu kommt, dass die Russen wirklich jeglichen Grund haben, der Ukraine und dem Westen zu misstrauen, vor allem, was alle etwaigen (und für Russland unabdingbaren) Zusagen betrifft, die Ukraine werde nicht der NATO beitreten. Letztlich erschiene eine solche Klausel ohne russische Truppenpräsenz in der Ukraine nicht um- bzw durchsetzbar. Andererseits sind bereits die bisher geäußerten russischen Gebietswünsche hinsichtlich aller vier Oblaste (von deren vollständiger Eroberung die Russen noch weit entfernt sind) für die Ukrainer, solange für sie noch so etwas wie eine Hoffnung auf westliche Waffen besteht, kaum annehmbar.        

f) Ansonsten: „Bis zum letzten Ukrainer“: Es muss klar sein: Dieser Krieg dient dem Gaudium der Angloamerikaner, die, sofern überhaupt zu derartigen Differenzierungen willens, weder Groß- noch Kleinrussen mögen und es leiwaund finden, dass sich die Bewohner des ehemaligen Sowjetreiches gegenseitig in großen Mengen umbringen. Naturgemäß hat der Verlierer, also die Ukraine, am meisten unter diesem Krieg und unter seinen Folgen zu leiden. Bisher kann man von etwa einer Million getöteten oder versehrten ukrainischen Soldaten ausgehen. Von der Ursprungsarmee sind ca 70 % ausgefallen. Die Anzahl der umgekommenen Zivilisten ist vergleichsweise gering, aber das könnte sich nicht zuletzt aufgrund des bevorstehenden Winters ändern. Und nicht nur das – auch der Drohnenkrieg könnte für die ukrainische Zivilbevölkerung ganz verheerende Auswirkungen haben, wie noch zu zeigen sein wird. 

Ein besonders schwerwiegendes Phänomen wird gerne aus den Augen verloren. Osteuropäische Staaten leiden relativ häufig unter Abwanderung. Bulgarien etwa weiß ein Lied davon zu singen – ohne Frage ist das einer der Hauptgründe, warum der EU-Beitritt besonders für wirtschaftlich schwächere Länder einen gewaltigen Fluch darstellt. Aber auch für Bürger aus Nichtmitgliedsländern gibt sich die EU extrem aufnahmefreudig. Im Falle der Ukrainer wird man das nicht zu kritisieren haben, indes sind die Folgen für das Land existenzbedrohend. Solange in der Ukraine noch (offizieller) Friede herrschte, wurden ihren Bürgern, insbesondere was Reise- und Niederlassungsfreiheit betrifft, keine besonderen Privilegien gewährt. Andersrum: Auch zu Friedenszeiten wären etliche Ukrainer in EU-Staaten ausgewandert, hätten sie nur die entsprechenden rechtlichen Möglichkeiten gehabt. Umso stärker sind die Wanderbestrebungen in Kriegszeiten, und sie werden sich mit Fortdauer des Krieges noch mehr verstärken.  

Die Bereitschaft zu späterer Rückkehr dürfte sich dabei in Grenzen halten, zumal sich nach dem sich abzeichnenden militärischen Zusammenbruch auch die politische wie auch wirtschaftliche Lage verschärfen wird. Kriegstote, Flucht, Gebietsabtretungen, Migration aus einem russisch kontrollierten und daher noch mehr ungeliebten Staat bzw die Angst vor diesem Szenario, dazu ein sich naturgemäß noch deutlich verstärkender Frauen- und Mädchenüberschuss werden das Land ethnisch ausdünnen und die Bevölkerungszahl in den einstelligen Millionenbereich drücken. All dies mag zwar die Wirtschaft noch gründlicher ruinieren, schließt aber das unverdrossene und nur umso rücksichtslosere Weiterkämpfen von westunterstützen Truppenteilen in keiner Weise aus. Der Krieg wird entsprechend brutaler werden, zumal auch die Russen – wie seitens des Westens erhofft – in immer stärkere Schwierigkeiten kommen und auf ein möglichst rasches Ende dringen werden. 

Dazu tritt folgender gravierender Umstand: Die Drohnenproduktion der Ukraine erfolgt in Privathaushalten. Jeder Patriot bastelt mit dem entsprechenden Equipment incl. 3D-Drucker Drohnen für die Front. Diese richten nicht nur dort, sondern auch im russischen Hinterland unermesslichen Schaden an. Damit stellen Wohnquartiere – anders als im 2. Weltkrieg – ein legitimes Angriffsziel dar. Es ist nach meiner Einschätzung nur eine Frage der Zeit, bis den Russen der Geduldsfaden gerissen sein wird. Auch ohne eigentliche physische Zerstörung wird es heutiger Kriegstechnik ein Leichtes sein, jegliche energetischen Ströme in Wohnquartieren zu unterbinden, um jegliche Produktion von kriegsrelevanten Gegenständen zu verhindern. Die Ukraine wird zunehmend ein äußerst unangenehmer Platz zu Leben sein. 

Übrigbleiben wird neben dem Hass der Sieger eine gewaltige Scham, sich gegen sein Brudervolk, mit dem man jahrhundertelang aufs Engste verbunden war, gewendet und sich einer derart niedrigen Sache zugunsten fernab gelegener böswilliger Kräfte hingegeben zu haben. Man wird sich, durch verschiedenste Umstände, nicht zuletzt durch das erfahrene Leid geläutert, dafür schämen, Ukrainer zu sein und für das Zelenskij-Regime so etwas wie patriotische Gefühle empfunden zu haben. Nicht wenige ethnische Ukrainer werden es bevorzugen, in einem wie anno dazumal dem russischen Reich zugehörigen Gebiet namens Kleinrussland zu leben und ansonsten brave wie unauffällige russische Staatsbürger zu sein und nichts mit dieser jüngsten schändlichen Geschichte zu tun gehabt zu haben.

g) Keine Entscheidung auf dem Schlachtfeld bzw ernste Gefahr für die russische Fortexistenz – schlussendliche Eskalation: Also genau jenes Szenario, das nicht nur unsere Dummköpfe so inniglich herbeisehnen (wobei sie letzterwähnte Implikation offenbar nicht zu erkennen in der Lage sind – nun ja, wie gesagt, sie sind ja eben Dummköpfe.

Tut mir leid, das möchte ich nicht ausmalen. Mir geht es da nicht anders als den Pentagon-Mitarbeitern, die schon für nächsten Sommer den Urlaub planen. Nur dass ich halt überhaupt nix zu sagen habe…    

  

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

> Dieser Krieg dient dem Gaudium der Angloamerikaner <
Er dient auch und vor allem (wie der Erste Weltkrieg schon) im Interesse eines gewissen Völkchens der Verminderung des "Genpools" der Europiden.

Anonym hat gesagt…

gegenüber dem letzten Abschnitt unter f) waren die Gebrüder Grimm die reinsten investigativen Reporter. "Wunschdenken" und "Pfeifen im Wald" sind noch euphemistische Begriffe für das, was der Autor dort "vorhersagt".
Freilich hat derselbe Autor schon vor zweieinahlb Jahren den unmittelbar bevorstehenden Sieg der Russen und den Sturz des "faschistischen Regimes" in Kiew "vorausgesehen".
Er muss es also wissen. :-)

Anonym hat gesagt…

"...ohne Frage ist das einer der Hauptgründe, warum der EU-Beitritt besonders für wirtschaftlich schwächere Länder einen gewaltigen Fluch darstellt."
Das Gegenteil ist doch offenkundig der Fall. Nur mal Polen als Exempel: Vor dem EU-Beitritt nahm die Abwanderung in den Westen und den EU-Bereich dramatische Züge an. Inzwischen findet man die sprichwörtliche "Polin" für die häusliche Pflege kaum mehr, weil die Polen durch die EU-Mitgliedschaft einen derartigen wirtschaftlichen Aufschwung genomme haben, dass die überwiegende Zahl der Auswanderer gen Westen längst zurück sind. Fragen Sie mal in einem x-beliebigen ehemaligen Ostblockstaat, der jetzt zur EU gehört, ob die Menschen dort diesen Zustand als "Fluch" erleben, wie hier behauptet wird....

helmut-1 hat gesagt…

Zum Satz: "Osteuropäische Staaten leiden relativ häufig unter Abwanderung" bereite ich gerade einen extra Artikel vor, der die Dinge genauer beleuchtet.

Zur Überschrift: "Besteht eine reale Hoffnung auf Frieden in absehbarer Zeit?" - darauf meine Antwort:

Ja und Nein. Wenn sich zu gleicher Zeit (oder auch hintereinander) in den europäischen Hauptstädten der Länder, die der NATO angehören, die Menschen zu einer Friedensdemo auf die Straße bewegen, mindestens in 6-stelliger Zahl, und die Politiker, die der NATO den Speichel lecken, merken, dass sie im Land ernsthaft Schwierigkeiten bekommen, wenn sie den NATO-Kurs weiter unterstützen, dann habe ich schon eine große Hoffnung, dass sich der Spuk rasch dem Ende zuneigt.

Soviel zum "Ja". Nun zum "Nein":

Egal, in welchem Land, den Leuten geht das doch am A. vorbei. Sie gehen wegen sowas nicht mehr auf die Straße. Der damalige NATO-Doppelbeschluss Ende 1979, bei dem es Demos in einer Zahl gab, an die man heute nicht mehr denken kann, da war es was anderes.

Damals hatten viele, die an den Demos teilgenommen haben, noch den Krieg in Erinnerung. Was haben wir heute? Wohlstandsprodukte, die lieber auf der Couch die Sportnachrichten sehen, Weicheier, die keinen Bock darauf haben, sich öffentlich zu äußern, und dazu noch die Mehrheit der Bevölkerung, bestehend aus der jüngeren Generation, die gar nicht wissen, was Krieg überhaupt ist.

Also, in der Realität muss ich das Gewicht in der Waagschale eher auf "Nein" geben.