Mittwoch, 19. August 2020

Fußnoten zum Mittwoch

von Fragolin

Erinnert sich noch jemand an die NDW-Hupfdohle Fräulein Menke? Naja, meine Generation wurde in ihrer fortgeschrittenen Jugend und Partyzeit mit solchen Trommelfellvergewaltigungen permanentbeschallt, und ich habe mir den Namen gemerkt, weil das sogenannte Lied besonders nervig war, aber wir haben es überlebt. Man muss den Namen nicht kennen und auch das Gekreisch der Maid nicht gehört haben. Ist sogar besser so. Eine eventuell ins Auge gefasste zweite Karriere als Jurorin einer mitternächtlichen krächzende-Teenager-Anschnauz-Show in einem privaten Spartensender hätte sich nun auch ebenso erledigt wie ein vielleicht geplantes Comeback mit einem Ballermann-Song, denn Fräulein Menke beschallte eine Demonstration, die, nun ja, irgendwas mit gegen Maskenpflicht und Erhaltung der Grund- und Freiheitsrechte zu tun hatte, nach offizieller Lesart also eine rechtsextreme Reichsbürger-Zusammenrottung aluhuttragender Coronaleugner oder sowas war. Auf jeden Fall nicht merkelkonform und damit gaga.
Tja, danke für die Erinnerung an die qualvollen Momente meiner Jugend.
Die Erinnerung an die Berichterstattung in DDR-Medien über die Zusammenrottungen einer Handvoll konterrevolutionärer und vom US-Imperialismus gesteuerter Spinner, wenn hunderttausende Ostdeutsche durch Leipzigs Straßen zogen, lebt ja auch irgendwie wieder auf.

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Erstaunlich. Es gibt Schulen, da fallen die Türen aus den Angeln, Tafeln von den Wänden und Putz und Lampen von der Decke. Seit Jahren wegen Geldmangel nicht renovierte Altbauten mit feuchten, seit Jahrzehnten nicht mehr neu geweißelten Wänden und Schimmel in den Ecken, zugigen Fenstern, maroden deckel- und brillenlosen Toiletten und wegen Legionellengefahr abgedrehtem Warmwasser. Die Gesundheit der Schüler ist den Verantwortlichen in Gemeinde, Land und Staat sowas von scheißegal, dass man es sich kaum vorstellen kann. Kein Geld, kein Interesse, keine Möglichkeit sich ein Denkmal zu setzen sondern nur eine unwichtige Schule zu renovieren. Und so wird lieber vor einer maroden Schule ein moderner Kreisverkehr mit einem noch zusätzlich Hunderttausende kostenden Kunstwerk aus rostigem Schrott errichtet, nebst medialem Abfeiern des verantwortlichen Bürgermeisters in allen Regionalmedien, bevor auch nur ein Cent in eine neue Steckdose in einer Volksschule investiert wird, die alles andere als kindersicher ist.
Und dann, plötzlich, kommt Corona, an dem alte Menschen sterben können und selbst jüngere krank werden, also ein Vorgang, den man so noch niemals erlebt hat (hüstel), und urplötzlich wird mit dem Wundermittel „Mund-Nasen-Schutz“, einer Art Maschendrahtzaun gegen mikroskopische Keime, die Sorge um die Gesundheit der Kinder entdeckt. Das heißt, nein, eigentlich ist die Gesundheit der Kinder den Verantwortlichen auch weiterhin scheißegal, aber die Angst, dass die Kinder ein Virus in sich tragen könnten, das dann alte Leute umbringt, die lässt sie schlottern.
Selten konnte man so überdeutlich sehen, welchen Stellenwert Kinder in unserer Gesellschaft haben und welchen Stellenwert Alte. Wir tun so, als würde uns das Wohl der Alten, die aus der Vergangenheit kommen, und der Drang nach ewigem Leben, mehr am Herzen liegen als jene, denen die Zukunft gehört. Und wundern uns dann, wenn wir als Gesellschaft keine Zukunft mehr haben.
Und das sage ich als, naja, schon ziemlich Alter.
Liebe Kinder, euer Problem wird nicht das Klima sein. Auch nicht das Virus. Ich beneide euch nicht.

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Ach, habe ich gerade mitbekommen: die AUA legt die knappe halbe Milliarde, mit der der österreichische Steuerzahler den überteuerten Laden für seine deutsche Muttergesellschaft retten durfte, zur Bewahrung der Kaufkraft ihres Top-Managements und damit Unterstützung der österreichischen Wirtschaft in Bonuszahlungen für ihre Führungsetage an. Und ich hatte schon befürchtet, es würde sich nur irgendwer damit bereichern.



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