Donnerstag, 11. Juli 2019

»Aus der Perspektive eines Hammers sieht jedes Problem wie ein Nagel aus«


Mit diesen markigen Worten beginnt ein Artikel (»Europa ist kein Kuchenbuffet – und das ist auch gut so«) von , mit dem uns DiePresse von den einzigartigen Vorzügen der EUrokratie zu überzeugen versucht. Doch weiter im Text:
So lässt sich die Kritik am Europäischen Gerichtshof zusammenfassen, die in national-populistischen Kreisen geäußert wird. Für jene, die den Patriotismus ihrer Mitbürger als Waffe gegen den vermeintlich dekadenten Brüsseler Kuhhändler-Klüngel missbrauchen, bietet das Höchstgericht der EU in der Tat ein lohnendes Ziel: Fürstlich bezahlte Roben-träger, die im Großherzogtum Luxemburg residieren und dort im Namen des allmäch-tigen europäischen Binnenmarkts alle nationalen Vorschriften und Gesetze beiseite wischen, die ihnen nicht in den kosmopolitischen Kram passen. Und an denen die Wut des um seine wohl erworbenen Rechte betrogenen kleinen Mannes von der Straße so mühelos abperlt wie kühler Champagner an einem gut gestärkten Tischtuch . . .

Wie Sie spätestens an dieser Stelle gemerkt haben werden, handelt es sich bei der obigen Beschreibung um ein ins Groteske überzogenes Klischeebild. Wenn europäische Populisten die Luxemburger Höchstrichter kritisieren, dann tun sie das üblicherweise sotto voce. Die schrillen Töne hebt man sich für das Bierzelt auf. 
Falsch, Herr Laczynski: nicht nur für das Bierzelt, sondern auch für Artikel wie den Ihren. Denn was Sie hier von sich geben, ist wohl mindestens so schrill getönt, wie jede Bierzeltrede. Denn wenn Sie mit Begriffen wie »nationalpopulistische Kreise« um sich werfen, dann ist die Dissonanz zu dem in der Folge gemachten Eingeständnis
Wie jeder Vorwurf hat das Zerrbild einen, wenn auch klitzekleinen, wahren Kern. Der EuGH ist ein Höchstgericht, das seinen Auftrag, den Binnenmarkt zu hegen und zu pflegen, offensiv betreibt. Seit den 1960er-Jahren haben die Luxemburger Richter ihren Spielraum erweitert und das Primat des EU-Rechts durchgesetzt. Und es ist in der Tat leichter, ein nationales Gesetz per Richterspruch auszuhebeln, als eine analoge Regelung auf EU-Ebene durchzusetzen, denn dazu bedarf es der Zustimmung der anderen Unions-mitglieder und des Europaparlaments.
doch recht beachtlich! Denn das heißt im Klartext nichts anderes, als daß sich eben der EUGH eine Gestaltungskomptenz rechtswidrig arrogiert. Denn das Verfahren wäre eben korrekterweise, daß die Zustimmung der Mitgliedsstaaten und EU-»Parlaments« einzuholen wäre. So aber fahren einfach ein paar Justiz-Nomenklaturisten drüber und fabrizieren ein Urteil im Sinne der EUrokraten, obwohl es dem gesatzten Recht nicht entspricht, sondern nur aus der Präpotenz eines Höchstgerichtes, das sich zur Rechtssetzung statt zur Rechtsprechung berufen wähnt, abgeleitet werden kann. Nach dem Motto: »Geht's doch alle scheißen — wir sind die letzte Instanz und haben daher immer Recht!«

Und so ist — entgegen dem süffisanten Titel des Laczynski-Artikels — die EU (nicht »Europa«, wie der p.t. Journaillist bewußt verunklärend schreibt!) sehr wohl ein Kuchenbuffet: nämlich für die Machteliten, die sich »ohne Genierer« (wie man in Wien sagt) bedienen, und ihren Einflußbereich auch dort ausdehnen, wo er ihnen keineswegs zusteht. Mit dem perfiden Trick, die »Rechtsspechung« (diesem Wort spricht das meiste, was der EUGH so entscheidet, einfach Hohn!) durch einen zentralen kangaroo court als Brechstange gegen die nationale Souveränität zugunsten von Möglichkeiten zur Mauschelei zwischen EUrokraten und Lobbyisten aller Art zu mißbrauchen.

Auch DiePresse-Leser sind großteils mit der servilen Anbiederung des Laczynski-Artikels nicht einverstanden — ein paar Kostproben aus dem Kommentar-Thread sprechen eine beredte Sprache:
Ich sehe das Vorgehen des EUGH leider nicht so positiv, wie Hr. Laczynski. Denn wie er selbst im Artikel schreibt hat der EUGH seinen „Spielraum erweitert“. Das bedeutet nichts anderes, dass die Richter sich selbst Kompetenzen angemaßt haben, die ihnen nicht zustehen. Denn die innere Ausgestaltung des Justizsystems ist laut EU-Verträgen ausschließlich nationalstaatliche Angelegenheit. Darüber haben sich die Richter einfach hinweggesetzt.
Auch Höchstrichter sind nur Menschen und keine unfehlbaren göttlichen Wesen und müssen somit einer Kontrolle unterliegen. Auf nationalstaatlicher Ebene ist diese gegenseitige Kontrolle zwischen Legislative und Judikative vorhanden. Auf EUGH-Ebene nicht. Mit dem Ergebnis, dass die dortigen Richter zunehmend Gefallen am „Spielraum erweitern“ und sich in die Politik einmischen finden. 
 oder
Jaja, klitzeklitzeklitzeklein is er, der wahre Kern.

Und vor allem nie vergessen, in jedem Absatz muss mindestens einmal Populist stehen, sonst weiss man ja zeitweise gar nicht mehr, worum es geht.
Und nein, ich glaube Ihnen nicht bzgl. Brexit und sonstigen Phantasien, Ihr wollt uns schon seit dem Referendum erklären, GB wird im Meer versinken und vor Indien oder Westafrika wieder auftauchen, alles wird schlecht für die Briten, nur wir in der EU werden triumphieren und alle glücklich sein. Wie man sicher von Beginn an erkennen kann, das war nun ins Groteske gezogen.

Es gibt seit diesen Personalrochaden mit bereits verurteilten Gesetzesbrechern (EZB-Chefin) und abgehalfterten Ministern (ebenfalls mit einer Berater-Affaire, die Madame von der Leyen) nichts mehr zu dieser EU zu sagen, ausser "weg damit".
Das ist im Grunde der vorläufige Gipfel eines Totalitarismus, also ein Kuchenbuffet für die Etablierten.
Und bitte, die Gewaltenteilung im Zusammenhang mit Kommission, Parlament und EUGH zu nennen, ist entweder zynisch oder als Witz gemeint, sonst hätt Macron Weber gar nicht verhindern können.
Das ist ja das grosse Problem in dieser Union.  
oder
Der EuGH ist ein Gremium, das hauptsächlich dafür da ist, um Politik zu machen und nicht, um Recht zu sprechen.

Jeder, der Kritik daran als "nationalpopulistisch" bezeichnet und den EuGH verteidigt, hat ein gravierendes Problem mit Demokratie - und ist anscheinend auch noch stolz darauf. 
 oder
Dieser "klitzekleine" wahre Kern, der hier beschrieben wird, ist halt nicht gar so klein. Es mag schon sein, dass es einfacher ist, wenn Richter selbst "ihren Spielraum erweitern" und "offensiv" das Recht verändern, weil das leichter geht, als wenn gewählte Volksvertreter auf verfassungskonformer Basis zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen müssen. Vor allem, weil es aus den gleichen Gründen ja nahezu unmöglich ist, Fehlentscheidungen der Richter durch neue Gesetze zu korrigieren.

Würden wir nach der "Einfachkeit" gehen, würden wir einen Alleinherrscher auf Lebenszeit ernennen und den machen lassen. Geht am schnellsten.

Widerspricht halt dem Prinzip der Gewaltenteilung. Und ob der EuGH jetzt eine besonders überzeugende demokratische Legitimierung hat, darf man vielleicht sogar bezweifeln ohne gleich ein Populist sein zu müssen.

Dass im gleichen Artikel dann auch noch die "Verteidigung der Gewaltenteilung" beschworen wird, ist ja fast schon Chuzpe zu nennen.  
Die Apologeten Brüsseler und Luxemburger Zentralisten-Präpotenz haben es zunehmend schwerer, für das brachial praktizierte Konzept des »Alles für unsere Macht — und möglichst ohne Kontrolle durch die misera plebs« den Bürgern schmackhaft (auch auch bloß weniger widerwärtig!) zu machen.

Zeit wird's, daß die Bürger aufwachen und diesen dreisten, machtgeilen Klüngeln zeigen, welch ein gewaltiger Unterschied zwischen durchaus sinnvoller, freiwilliger Zusammenarbeit in einem »Europa der Vaterländer« und verfilztem Machtmißbrauch korrupter »Eliten« besteht.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hm. Vor nicht allzu langer Zeit haben Sie, in freundlichster Interpretation eines, sagen wir mal: unorthodoxens Diktum des Ex-Innenministers Kickl über die dienende Funktion des Rechts gegenüber der Politik noch sehr überzeugt dafür plädiert, dass das Recht und die Gerichte dazu da seien, "Politik zu machen", indem sie den politischen Willen des Volkes umzusetzen hätten.

Le Penseur hat gesagt…

Cher Anonym,

... über die dienende Funktion des Rechts gegenüber der Politik noch sehr überzeugt dafür plädiert, dass das Recht und die Gerichte dazu da seien, "Politik zu machen", indem sie den politischen Willen des Volkes umzusetzen hätten.

???

Sie scheinen da etwas nicht ganz verstanden zu haben. Kickl wandte sich mit seiner Wortmeldung gegen eine politisierende Judikatur und sagte völlig zurecht, daß die Rechtssprechung (der Gerichte) der Rechtssetzung (der Legislative) zu folgen habe, nicht umgekehrt.

Exakt das ist auch der Tenor meines Artikels.

88er hat gesagt…

IM Erika stolpert von einem Zitteranfall zum nächsten. Wie schön. Hoffen wir, dass sich das Problem mit der F... recht bald auf ganz natürlichem Wege erledigt, bevor wir einem Lufthansa-Kapitän noch zumuten müssen, die Trulla ins Exiel nach Chile ausfliegen zu müssen.