Mittwoch, 21. Februar 2018

Meinungsfreiheit

von Fragolin

Mal was aus der Mottenkiste meines Blogs, genau ein Jahr alt und doch irgendwie aktueller denn je:

Abgesehen davon, dass die Gedanken sowieso frei sind, denn es ist egal, welche Sprech- und Schreibverbote man mir auferlegen möchte, man kann mir meine Überzeugungen nicht verbieten, und so kann man mir auch meine Meinung nicht verbieten. Man kann mir verbieten, sie zu äußern, sie unter die Menschen zu bringen, sie zu verbreiten oder zumindest jenen, die es interessiert, zur Verfügung zu stellen, aber man kann mir nicht verbieten, sie zu haben. Das ist auch der Grund, warum ich für die Religionsfreiheit bin. Das heißt nicht, dass ich gutheiße, was im Namen irgendeiner Religion oder auch als Religion getarnter Ideologie getan wird, aber glauben kann jeder, was er will. Deshalb sehe ich Verbote von Handlungen im Namen einer Religion oder Zugeständnisse von Sonderrechten im Namen einer Religion, die anderen Menschen nicht zugestanden werden, keineswegs als Eingriff in die Religionsfreiheit oder sich aus ihr ableitendes Recht. Aber das ist heute nicht mein Thema, auch wenn sich da vieles überschneidet.

Das Recht, im Kreise der Menschen zu sprechen, ist ein universelles Menschenrecht. Es steht mir zu, meine Gedanken zu Papier oder auch auf ein elektronisches Medium zu bringen und auf beliebigen legalen Wegen zu verteilen. Dass es an solchen Kleinigkeiten bereits hapert, kann man daran erkennen, dass man sich in Österreich schon strafbar macht, wenn man ein Flugblatt an einer Bushaltestelle liegenlässt oder an einen Laternenpfahl klebt. Man muss nämlich bereits Wochen vor der geplanten Verteilung die Flugblätter mit original zu verwendendem Text bei der Genehmigungsbehörde (Gemeindeamt oder BH) vorlegen und kostenpflichtig (Österreich eben, hier hat man nicht nur Rekordsteuerlast sondern muss für jeden Pups, den ein Beamter lässt, nochmal eigene Gebühren abdrücken) um die Genehmigung ansuchen, an einem fix definierten Platz zu einer fix definierten Zeit diese Blätter zu verteilen. Die Genehmigung kann erteilt oder abgelehnt werden, das wirkt sich jetzt auf die Vergebührung nicht aus, bedeutet aber, dass man, so abgelehnt wurde, sich strafbar macht, sollte man dieses Flugblatt trotzdem in die Öffentlichkeit bringen. Man kann fast verstehen, dass diesem System sowas wie Internetz, Fratzenbuch und Zwitscherbude mehr als suspekt ist. Beamtenfreier Raum ohne Vergebührungsmöglichkeit.

Na gut, Österreich ist ja auch keine Demokratie sondern hat das feudalistische Kaiserreich samt seinem Beamtenapparat übernommen, den Kaiser gegen einen wählbaren Grüßaugust und die Fürstenhäuser durch Parteien ersetzt. Wahlen sind nur ein Macht-Casting, das die Anzahl der Pfründe für die Parteihäuser von der Volkszufriedenheit abhängig macht, aber ansonsten hat sich nichts geändert. Das erkennt man auch an diesen ganzen Regelungen, die z.B. das Amtsgeheimnis vor die Auskunftspflicht stellen und bei wiederholter Nachfrage eines renitenten Bürgers auf dem Amt, wie weit eine Amtshandlung die ihn selbst betrifft gediehen sei, zu einer Ermahnung und Verwaltungsstrafe führen kann. Oder ihn eben zwingen, untertänigst nachzufragen, ob er ein Flugblatt verteilen darf und was da drauf stehen darf. Das ist gelebtes Kaiserreich aus dem 19. Jahrhundert, und das 2017.

Äh, wer hat nochmal behauptet, wir würden von progressiven Kräften regiert? Will der Yes-we-Kern! nicht Österreich in eine glanzvolle Zukunft fahrdienstleiten? Wie wäre es denn anstatt alle halbe Jahr ein großartiges Neustart-Programm auszuarbeiten, das eh wieder keiner umsetzt, mal den ganzen alten Mist aus dem vorvorletzten Jahrhundert aus den Amtsstuben zu entrümpeln und hier und dort kleine Fleckchen von demokratischem Rechtsstaat zu installieren? Ach ne, dem Volk jetzt mal Rechte gegenüber dem Staat einzuräumen ist auch der angeblich demokratischen Sozialisten Sache nicht.

Aber zurück zur Meinungsfreiheit, also der Freiheit, alles sagen zu dürfen, was man sagen möchte, egal was andere Leute davon halten, ob es ihnen gefällt oder nicht und ob sie dem zustimmen können oder nicht. Die ist, wie gesagt, ein universelles Menschenrecht und in einem angeblichen demokratischen Rechtsstaat, der bei anderen Menschenrechten wie dem Asylrecht die Latte sogar weit höher legt als die Menschenrechtskonvention selbst vorschlägt, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Eigentlich. Ein schönes Wort.

Auf ein universelles Menschenrecht kann ich selbst gerne verzichten. Ich kann mir eine Schere in den Kopf implantieren, die „böse“ Gedanken und Worte rausschneidet und entsorgt, bevor sie durch die Zahnreihen schlüpfen können. Macht man ja auch bei der Höflichkeit. Aber Höflichkeit zu empfangen ist kein Menschenrecht und ich kann diese bei anderen auch nicht einklagen, also gibt es auch keine Pflicht zur Höflichkeit. Man macht das freiwillig, das nennt sich Zivilisiertheit. Und man macht das aus Eigennutz, weil, wenn man dem Chef ehrlich sagen würde was man wirklich von ihm und seiner Betriebsführung hält, muss man damit rechnen, einen unvorteilhaften Karriereknick zu erleben.

Und da sind wir beim zweiten Punkt: der Verantwortung. Ich darf alles sagen, was immer ich will, aber ich muss dann auch die Folgen dafür tragen. Diese Folgen können sein, dass mich der Geschmähte nicht mehr mag, mir ebenfalls unhöflich begegnet, mich immer als letzten bedient oder mir den miesesten Drecksjob zuteilt, mich bei potentiellen Kunden schlechtredet oder auf dem Amt meinen Akt als letzten bearbeitet. Das Leben ist kein Ponyhof, sondern eine Abdeckerei. Wer sich freiwillig auf die Schlachtbank legt, hat keinen Grund zu jammern, wenn er das Wetzen des Messers hört.

Fassen wir zusammen: Das universelle Menschenrecht der freien Meinungsäußerung ist jedem Menschen zuzugestehen (das ist der Sinn des Wortes „universelles Menschenrecht“) und kann nur durch ihn selbst, aber niemals durch Dritte eingeschränkt werden. Es steht niemandem zu, jemand anderen „zum Schweigen zu bringen“, was nicht umsonst auch ein Synonym für körperlichen Mord ist. Aber man muss auch die Verantwortung für seine Meinung übernehmen.

Ein Mensch kann sich beleidigt fühlen und mich verklagen. Wohlgemerkt: ein Mensch. Wenn ich einen Menschen als etwas bezeichne, das eindeutig herabwürdigend ist, dann kann er sich dagegen wehren, und das ist auch gut so. Jedem steht es zu, einen Angriff abzuwehren und sich dagegen zu verwahren, dass die Grenzen der Persönlichkeitsrechte überschritten werden.

Einfaches Beispiel: Eine Religion ist weder eine Rechtsperson noch irgend eine andere Entität und hat genau gar keine Rechte, sich beleidigt zu fühlen. Ebensowenig wie der Straßenverkehr oder das Osterwochenende. Ich kann auch behaupten, das Weihnachtsfest wäre eine kommerzielle Veranstaltung zum Abzocken der Eltern, ohne damit diejenigen zu beleidigen, die an das Christkind glauben oder von der Gewerkschaft der Weihnachtsmanndarsteller wegen weihnachtophobischer Hetze verklagt zu werden. Das ist doch alles lächerlich, dass Gerichte sich überhaupt hergeben sich mit solchem Scheiß zu beschäftigen, während Kleinkriminelle mangels Kapazitäten nicht mehr verfolgt werden.
Mit welchem Recht schwingt sich die Staatsmacht, eigentlich (da ist es wieder…) vom Volk gewählt und bezahlt um seine Freiheit zu verteidigen, dazu auf, das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht nur selbst infrage zu stellen sondern auch noch private Vereine illegal mit Vollstreckungsmacht auszustatten? Ohne Möglichkeit der Verteidigung, ohne Einspruch oder höherinstanzliche Rechte.

Genau das passiert nämlich bei dieser ganzen kruden „Hetze im Netz“-Geschichte, eh schon wissen, Kampf gegen rechts und in Ruhe lassen linksextremistischer Hetzseiten wie „indymedia.linksunten“, wo sich Antifa-Rotten gegenseitig ihrer abgefackelten Straßenzüge rühmen, Namens- und Adresslisten Oppositioneller veröffentlichen um sie zu terrorisieren und ähnliches oder radikalmuslimischer Hassprediger- und Djihadverherrlicherseiten.
Nein, Facebook, ein privat organisiertes kommerzielles Netzwerk zur Nachrichtenverbreitung und Datenprostitution, bekommt die staatliche Aufgabe des peniblen Ausfilterns unkorrekter Beiträge und widerrechtlichen Sperrung von Nutzern. Widerrechtlich? Ja dürfen die als Firma nicht aussperren, wen sie wollen? Theoretisch ja, aber praktisch stehen dem genau jene Antidiskriminierungsgesetze im Wege, die es einem Geschäftsinhaber verbieten, einer Burkaträgerin den Eintritt zu verwehren. Das muss entweder für alle gelten oder für keinen. Auch hier gilt: nur ich selbst habe das Recht, darauf zu verzichten, ein bestimmtes Geschäft zu betreten, der Staat darf mich nicht daran hindern und nicht einmal der Geschäftsinhaber, solange ich nicht nachweislich strafbar gegen ihn geworden bin oder ihn anderweitig mutwillig geschädigt habe.

Noch deftiger wird es, wenn der Staat sich einen privaten Knecht schafft, nennen wir ihn mal AAS, und dort eine Mischung aus linksradikalen Hetzern und altbewährten Kommunisten mit aktiver Stasi-Vergangenheit die Vorfilterung vornimmt und privaten Firmen wie Facebook die Aufforderung zukommen lässt, die von ihnen als unerwünscht deklarierten Kommentare sofort zu löschen und die Nutzer zu maßregeln, ansonsten es strafrechtliche Konsequenzen für Facebook geben könne. Polizei und Justiz in einem? Judge Dredd war wenigstens noch Staatsbeamter, die Vollstrecker des Maasmännchens sind ein Privatclub.

Es ist eine ungeheuerliche Amtsanmaßung, einen Beitrag zu löschen, ohne dem Autor die Möglichkeit zu geben, seine Inhalte oder sich selbst zu verteidigen, Einspruch einzulegen, seine Worte zu erläutern oder einfach einen Irrtum einzugestehen und sich zu entschuldigen.  Nein, Schalter um, knips, weg, erledigt.

Es ist eine Ungeheuerlichkeit, wenn solche Amtsanmaßung privater Firmen und Vereine, ohne Verteidigungs- und Einspruchmöglichkeit einen Straftatbestand festzustellen (Schluss mit „mutmaßlich“; die Anzeige ist bereits die Verurteilung), ein Urteil zu fällen und sofort zu exekutieren, also das Gewalt- und Justizmonopol des Staates auszuhöhlen, auch noch von Ministerien des Staates gefordert, gefördert und aktiv unterstützt werden.
Eine irrsinnige Ungeheuerlichkeit ist es, wenn es das Justizministerium ist, das das Aushebeln der Justiz und sämtlicher rechtsstaatlicher Prinzipien betreibt, so wie es in Deutschland geschieht.

Eine Bankrotterklärung des Rechtsstaates, ja faktisch sein Tod, ist es, wenn dies ungesühnt bleibt, ja sogar eine Steigerung dieser Ungeheuerlichkeiten von Vertretern der Parteihäuser in Regierung und Parlament vehement eingefordert wird. Die selbstgefühlten Herrscher des Landes befinden sich in einem wahren Machtrausch gegenüber ihren Untertanen und holen ganz ungeniert den Knüppel aus dem Sack, hebeln die Rechtsstaatlichkeit aus und kehren in eine Form feudaler Willkürherrschaft zurück. DDR 2.0 ist auferstanden.

Jeder Beitrag jeden Nutzers darf von Blockwarten durchschnüffelt werden und sollten dort Gesetzesverstöße festgestellt werden, die das Persönlichkeitsrecht betreffen, den betroffenen Personen zur Kenntnis bringen und ihnen mitteilen, dass sie das zur Anzeige bringen könnten. Nicht weniger, nicht mehr. Alles andere ist Zersetzung demokratischer Grundpfeiler.

Und für die Leute, die sich so aufgeregt haben, als Trump einem Vertreter von CNN ausgerichtet hat, ihn würde er nicht einmal eine Frage stellen lassen, weil er ihn für den Verbreiter von Fake News halten würde – ihr tut genau das Gleiche! Ihr filtert unpassende Leute aus der Diskussion, lasst deren Meinung, selbst wenn sie höflich und mit nachweisbaren Fakten unterlegt daherkommt, löschen, und sollten die es wagen, noch einmal diese Meinung zu äußern, werden sie final aus der Diskussionsrunde herausgekegelt und ihnen das Rederecht entzogen. Wohlgemerkt, ohne zu beleidigen oder jemanden zu bedrohen. Einfach so, weil es nicht passt, weil jemand es nicht hören oder lesen will, ohne Möglichkeit, diese Meinung in einer Diskussion zu verteidigen oder auch – manchmal begeht man ja auch Irrtümer, da ist ja nichts dabei, niemand ist perfekt – zu ändern.

Die Herrschaft der Willkür, der Vernaderer und Blockwarte ersteht wieder auf. Hatten wir 80 Jahre lang nicht. Und im Osten Deutschlands immerhin knappe 30 Jahre. Hat es jemand vermisst?

Was genau ist jetzt eigentlich der Unterschied zwischen dem unwiderbringlichen Löschen eines für die Allgemeinheit gedachten Textbeitrages und einer Bücherverbrennung, außer dass ersteres schneller, günstiger und CO2-neutraler stattfindet? Was ist der Unterschied zwischen dem Veröffentlichungsverbot der Bücher eines Autors und dem Aussperren eines Autors aus den Meinungs-Marktplätzen des Internet? Merkt jemand, auf welchen Pfaden die Protagonisten da wandeln?

Den virtuellen Tod durch Löschung eines Avatars kann man zum Glück besser verkraften als den physischen Tod. Aber wer einmal lebenslang gesperrt ist, der kann nur noch als Avatar auftreten und nie mehr als der, wer er ist. Also ist der Unterschied zwischen virtuellem Auslöschen und physischem Tod kleiner, als man denkt. Und ob der kleine Unterschied auf Dauer bestehen bleibt, darf bezweifelt werden. Zu brutal und kaltschnäuzig geht das fröhliche Meucheln der Meinungsfreiheit voran.

Noch vor fünf Jahren konnte sich keiner vorstellen, welche Ausmaße das annehmen könnte, welcher Frontalangriff gegen Netz- und Meinungsfreiheit gefahren würde – denkt mal fünf Jahre weiter. Welche Undenkbarkeiten stehen uns noch bevor? Ich ahne nichts Gutes.

Oppositionelle als rechte Hetzer zu diffamieren ist eine Beleidigung, aber nicht so tragisch. Virtuell ihre Bücher zu verbrennen und ihre Existenzen zu vernichten hat eine andere Qualität. Das auch noch durch Private erledigen zu lassen, die gar kein Mandat dazu haben und plötzlich keine erreichbaren Rechtspersonen mehr sind (versucht‘s mal gegen Faceboook zu klagen…), sind Methoden einer Diktatur, die weder die Bezeichnung „demokratisch“ noch „Rechtsstaat“ verdient hat.

Den Anfängen kann man nicht mehr wehren.
Wir sind schon mittendrin.

1 Kommentar:

FDominicus hat gesagt…

Ich würde Sie gerne hierauf verweisen: https://bazonline.ch/ausland/europa/die-feinde-europas/story/20019634