Klar muss ich da auch auf den Wahlkampf eingehen. Man könnte meinen, es wäre eine rein rumänische Angelegenheit — aber ich werde den Eindruck nicht los, dass es sich hier um ein länderübergreifendes Problem handelt. Daher habe ich im rumänischen Facebook geschrieben (ich übersetze):
ES IST TRAURIG, WOHIN DIESES LAND GEKOMMEN IST
Warum mache ich mir diese Gedanken?
Nach der letzten Wahl am 4. Mai 2025, als sich herausstellte, dass Simion als Kandidat der Opposition einen kräftigen Vorsprung vor den anderen Kandidaten hatte, und nun Simion gegen Dan antreten wird, da begann sich plötzlich der Hass zwischen den Menschen aufzubauen.
Was hier an Unwahrheiten, an Beschuldigungen, an Verdächtigungen und an Weltuntergangsstimmung verbreitet wird — es ist schon schauderhaft! Für mich nichts anderes als ein Indiz, dass die Leute entweder nicht begriffen haben, was Demokratie ist, oder nicht reif sind für eine Demokratie.
In einem anderen Artikel habe ich geschrieben: „Die Parteien und deren Politiker kommen und gehen, aber wenn man durch restriktive Äußerungen langjährige Freunde verliert, dann hat man einen echten Verlust.“ Was ich für absolut gefährlich finde, das ist eine politische Einstellung, im Verlaufe derer man den Andersdenkenden regelrecht als Feind empfindet. Nach dem Motto: „Nur, das was ich vertrete, ist gut für das Land, und wenn du anders denkst, dann bist du ein Feind des Landes!“
Diese Leute glauben von sich, dass sie demokratische Grundsätze vertreten — zum Glück behaupten es die Wenigsten von sich. Voltaire hatte den grundlegenden demokratischen Grundsatz geprägt, veröffentlicht von Beatrice Hall:
„Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“
Leider haben viele Leute im Land das bis jetzt nicht kapiert, dass nur so eine Einstellung als demokratisch bezeichnet werden kann. Dabei geht es da nicht um irgendeine untere Schicht der Bevölkerung, das sind auch Leute, die absolut gebildet sind und viele auch promoviert haben. Genau das macht mich nachdenklich. Woher kommt das?
Hat die Gehirnwäsche über die staatliche Propaganda sowie über die bezahlten Medien schon solche Erfolge produziert? Es kann natürlich auch sein, dass es unter den Befürwortern der konservativ-sozialdemokratischen Politik viele Leute gibt, die genau deshalb davon persönlich profitieren. Natürlich hat dann so jemand ein großes Interesse daran, dass sich da nichts ändert, wenn er jahrelang von dieser Konstellation seinen Vorteil hatte. Kann man auch verstehen.
Aber dann sollen sie wenigstens so viel Ehrlichkeit aufbringen, und das auch zugeben. Bei manchen Seiten im Net weiß man ja, dass sie von der elitären Regierungskoalition bezahlt werden, auch, wenn die das niemals zugeben werden. Aber ich frage mich, warum dann die Profiteure der konservativ-sozialdemokratischen Kumpanei überhaupt den Umsturz 1989 als Erfolg begrüßen? Sie hätten es doch unter Ceausescu besser gehabt. Das Parteibuch war doch der Schlüssel zu einem relativ guten Leben in Rumänien, auch damals.
Ich diskutiere oft und viel in meinem Bekanntenkreis, oft auch kontrovers. Aber auch dann, wenn sich unterschiedliche Meinungen bei den Gesprächspartnern aufbauen, so verabschieden wir uns doch am Schluss jedes Zusammentreffens mit herzlichen Grüßen, entweder mit Händedruck oder oftmals auch mit Umarmungen. Gerade gestern hatte ich wieder eine Diskussion mit jemanden der konservativen Partei, und wir unterhielten uns hervorragend. Dabei habe ich auch seine Beobachtungen erfahren, mit denen ich so nicht gerechnet habe:
Er meinte, dass es für ihn erschreckend sei, welche hochstehenden Werte (Freundschaft, Bekanntschaft, etc.) man im Verlaufe von politischen Diskussionen man dabei riskiert und auch verliert. Er verwies auf die Corona-Zeit, wodurch sich bis heute bei verschiedenen Leuten Diskrepanzen erhalten haben, aufgrund der unterschiedlichen Anschauung zur Impfung. Und nun geht es mit der Politik weiter.
Manches habe ich mit ihm gestern Abend diskutiert, und trotz unterschiedlicher Sichtweisen für dieses oder jenes Problem aus politischen Gründen sind wir doch immer Freunde und werden auch Freunde bleiben. Warum kapieren das nicht auch andere Leute? Ich sehe das so, du siehst das anders, aber beide wollen wir doch dasselbe, nämlich dass es in diesem Land aufwärts geht.
Ich werde hier in Rumänien als Nazi beschimpft, weil ich mich für Leute einsetze, die aus politischen Gründen in Untersuchungshaft genommen wurden oder werden sollen und im Interesse ihrer Familie das Land verlassen haben. Keine Anklage, kein rechtskräftiges Urteil, nur der von bestimmten Politikern angeführte Verdacht. Klare politisch motivierte Verfolgung. Hatten wir ja schon alles, damals in den 30er Jahren in Deutschland. Wer ist denn nun der Nazi?
Nun zu den bevorstehenden Stichwahlen:
Zwei Fronten stehen einander gegenüber, einmal der Kandidat der Oppositionspartei AUR (*), George Simion, und der sogenannte unabhängige Kandidat Niculescu Dan (**), der von den Parteien unterstützt wird, die jahrelang in der Regierungskoalition waren und das Land an die Wand gefahren haben. Soll ich nun voraussagen, wer der bessere Kandidat ist? Das kann ich nicht. Das wird die Zukunft zeigen. Auch bei Johannis (***) war ich davon überzeugt, dass er der Richtige ist, und in der zweiten Amtsperiode wurde ich bitter enttäuscht.
Es kann durchaus sein, dass auch die Präsidentschaft von Simion nichts bringt. Aber schlechter kann es wohl kaum werden, wenn er wenigstens ein Viertel seiner Ankündigungen einhält. Dass er Zusagen einhalten kann, das hat er bei der Überschwemmungskatastrophe in Kreis Galati bewiesen. Von den Politikern der Regierungskoalition habe ich dort niemanden gesehen.
Was ist mit Dan? Er hat bereits angekündigt, dass er im Falle eines Wahlsieges den derzeitigen Interimspräsidenten Bolojan (****) der PNL als Premierminister einsetzen will. Was die PNL in den letzten Jahrzehnten an Unglück über Rumänien gebracht hat, das wird wohl jeder wissen. Dazu die Äußerung betreffend der NATO. Seine Unterwürfigkeit hat er bereits bekundet.
Wenn es zu einer Entscheidung der NATO zum Kriegseinsatz auch durch die rumänische Armee in der Ukraine kommt, dann wird er den Marschbefehl unterschreiben, das ist sicher. Ihn betrifft es ja nicht, auch nicht seine Familie. Er hat zwei kleine Kinder, die noch zu jung für die Armee sind, dazu ist er ja nicht verheiratet, womöglich tragen diese Kinder nicht einmal seinen Namen.
Simion wird sich also an denjenigen orientieren, die hinter seiner Partei stehen, und Dan wird im Falle seines Wahlsieges denjenigen den Vorzug geben, die ihm zum Sieg verholfen haben, und das sind PNL, PSD, USR und UDMR (*****). Soll mir jemand einen einzigen Grund nennen, warum sich unter Dan dann in der kommenden Legislaturperiode etwas in Rumänien ändern soll. Ich wüsste nicht was.
Die Verdummung des Volkes mit gelenkten Maßnahmen, wie z.B. der plötzlich hohe Wechselkurs und auch die Situation an der Börse, alles durch die staatlichen Institutionen gelenkt, die darauf einen Einfluss haben und persönlich einen Nachteil befürchten, wenn diese korrupte Koalition nicht weiter im Amt bleibt, das sind doch billige Tricks, die leicht zu durchschauen sind.
Abschließend:
Niemand kann garantieren, dass nun im Falle einer Wahl des Oppositionskandidaten goldene Zeiten anbrechen. Das bleibt abzuwarten. Aber ich sehe da keine Möglichkeit, dass es besser wird, wenn Dan Präsident wird. Denn er wird von den Parteien, die ich weiter oben genannt habe, gewählt und ist dadurch denen nach der Wahl verpflichtet. Also wird es weiter gehen wie bisher.
Dann wird es ans Aufräumen gehen, Gräben zuschütten, Mauern einreißen, Brücken bauen, wo es überall möglich ist. Überall wird es nicht gelingen, und dann bleiben die Aversionen bestehen, zusätzlich zu den Spaltungen in der Gesellschaft, die durch Corona produziert wurden.
Worüber ich aber am meisten den Kopf schüttle, das ist die Dummheit in der Bevölkerung, die gar nicht merkt, was hier in Wirklichkeit gespielt wird. Zwei Elemente braucht eine korrupte Politik, um ein Volk willfährig zu machen: Angst und Spaltung. Ein im Grundgedanken geeintes Volk wird immer eine Gefahr für die Politiker darstellen. Das wusste schon Cäsar. Daher kam auch seine Methode des Regierens: „Divide et impera“ (Teile und herrsche).
Ob in den letzten paar Tagen vor der Stichwahl am 18.Mai noch bei verschiedenen Leuten der Verstand in die Köpfe eine Einkehr findet? Man kann nur hoffen, aber Anzeichen sehe ich kaum welche dafür.
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(*) stärkste Oppositionspartei in Rumänien, zu vergleichen mit AfD oder FPÖ
(**) Gegenkandidat, von den bürgerlichen Parteien als „unabhängig“ deklariert. Die seit Jahren an der Macht befindlichen Parteien wissen genau, dass sie mit einem Kandidaten, der als ihr Parteikandidat deklariert wird, keine Chance haben, was sich ja auch bei der Wahl am 4. Mai herausgestellt hat.
(***) Johannis war der rumänische deutschstämmige Präsident, der zwei Amtsperioden absolviert hatte.
(****) Bolojan wurde nach dem Ende von Johannis als Interimspräsident von den Konservativen (PNL) aufgestellt.
(*****) Das sind die Parteien, die seit Jahrzehnten in wechselnder Koalition das Land in den Abgrund gefahren hatten
Nun meine Frage: Ist das "Rumänienspezifisch"? Ist das in Österreich anders oder genauso?
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