Dienstag, 20. Mai 2025

Kluges Aufrüsten für den Dritten Weltkrieg?

von LePenseur
 
 
Unter dem hübschen Titel „Die Freiheit ermüdet das Volk“ erschien in Österrreichs selbsternannten Qualitätsmedium DiePresse ein Gastkommentar, natürlich mit dem pro-forma-Hinweis
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Müssen nicht, aber können. Und tun es in aller Regel. Glaubt die Redaktion ernstlich, die Leser wären nicht behirnt genug, so einen Wasch-mir-den-Pelz-und-mach-mich-nicht naß-Disclaimer zu durchschauen? Wie auch immer. Der Gastautor ist ein gewisser Jan Kluge. Dieser ist, wie uns DiePresse mitteilt,
... Ökonom beim wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria in Wien. Er befasst sich vor allem mit Fragen der Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschaftsstandorts.
Kluge wäre klüger gewesen, hätte er sich auf sein Metier beschränkt und damit den Lesern nicht gezeigt, wie beschränkt er auf einem anderem Terrain unterwegs ist. Doch nein: vermutlich ist er ja gar nicht beschränkt, sondern wird von seinen Geldgebern in seiner Freiheit beschränkt, so klug zu schreiben, wie er heißt ...
 
Immerhin — Kluge zitierte Klassisches:
Wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor, lautet die antike Weisheit. Was sagt das über uns? Wollen wir keinen Frieden?
Bingo! Oder vielmehr: Floskel-Bingo! Denn dieser Satz — unterstellen wir einmal seine Richtigkeit — hat eine unschöne Eigenschaft: er läßt sich nicht „umdrehen“. Denn keineswegs jeder, der den Krieg vorbereitet, will deshalb Frieden — das wird auch beschränkteren Geistesleuchten durchaus einleuchten ... und auch das Nicht-Vorbereiten eines Krieges bedeutet keineswegs, einen solchen (also: einen Nicht-Frieden) zu wollen.

Nun steuert der Gastkommentator den Louvre an, verbreitert sich kurz über Delacroix und Victor Hugo und sucht dann eine Brücke ins hier und heute. Das klingt so:
Wie findet man nun den Bogen von den schönen Künsten und dem idealisierten Freiheitskampf der Franzosen zum österreichischen, Melange schlürfenden Alltagseinerlei, in dem die Freiheit nicht mehr ist als eine reine Formalität? Ein verbrieftes Recht. Schwarz auf weiß seit 1955. Sollte die Tyrannei dereinst an die Tür klopfen, halten wir ihr einfach den Staatsvertrag unter die Nase: Gehen Sie bitte weiter. Wir sind hier frei.

Hoffentlich reicht das. Bis uns die MA 37 nämlich die Barrikaden baupolizeilich abgenommen hätte, säße die Tyrannei schon beim Kaiserschmarren im Café Central.

Na, dann Mahlzeit! Das ist eine Überleitung, wie sie im Feuilleton steht! Aber gemach, es kommt gleich noch viel besser:

Auch die neue Bundesregierung hat die Schüsse nicht gehört. Während es wieder einmal die Franzosen sind, die Westeuropa im Abwehrkampf gegen Wladimir Putin wachhalten, legt Schwarz-Rot-Pink lieber die Hände in den Schoß. 

Waaas? Putin und seine pöhsen Russkis haben Westeuropa angegriffen? Und — was für ein Skandal! — nicht einmal DiePresse hat bisher davon berichtet?! Aber noch skandalöser: das im Abwehrkampf gegen Wladimir Putin liegende Westeuropa muß in diesem kriegerischen Tun auch noch wachgehalten werden! Ja: schläft denn die Nato??!! Kluges Entsetzen über die Schläfrigkeit einer Nato, deren drei größte Mitglieder in Europa (Deutschland, Großbritannien un Frankreich) selbst „im Schlaf“ schon seit jeher deutlich mehr fürs Militär ausgaben und -geben als diese pöhsen Russkis, verblüfft mindestens so sehr, wie Kluge von Österreichs Regierungsprogramm verblüfft wird, in dem u.a. steht:

„Zur langfristigen Absicherung unserer Verteidigungsfähigkeit wird […] das budgetäre Ziel auf zwei Prozent des Brutto-Inlandsproduktes [sic] angehoben (Anm.: Bis 2032).“
Erstens, welcher Lektor lässt „Brutto-Inlandsproduktes“ durchgehen? Und zweitens, welches Kommunikationsgenie hat in letzter Sekunde diese dreiste Anmerkung hinzugefügt? Bis 2032? Bis dahin ist das Baltikum vielleicht schon russisch. 

Vielleicht übernehmen in Deutschland die, wie DerStandard schriebe, „gesichert rechtsextremistischen“ Reichsbürger die Regierung und führen Österreich „heim ins Reich“. Möglich ist bekanntlich alles. Nur halt mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit des Eintritts ... und daß das Baltikum 2032 russisch ist (was es, von der Bevölkerung her, zum Teil auch jetzt ist — doch was kümmern einen schon Minderheitenrechte, wenn's gegen die Russen geht ...), ist recht überschaubar groß. Und selbst wenn: das Baltikum ist etwa so weit von Österreich entfernt wie Istanbul und wenn (was ebenso unwahrscheinlich ist) sich die Russen mit den Türken zoffen, ist das für Österreich (international als neutraler Staat anerkannt) kein Grund, für einen Krieg zu rüsten. Oder vielmehr: wäre kein Grund, doch Kluge (bzw. seine Geldgeber im Thinktank) sehen das anders:

Natürlich sind über fünf Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr keine Kleinigkeit. Aber Rüstung ist eben teuer. Erst recht dann, wenn man jahrzehntelange Versäumnisse aufholen muss. Erst kürzlich hat man im Verteidigungsministerium fast eine Milliarde Euro für zwölf neue Black Hawks hingeblättert. Eine fabrikneue F-35 geht derzeit für über eine Viertelmilliarde Euro über die Ladentheke.

Und weil man kürzlich ca. ein halbes Jahresbudget von Burgenland für ein Dutzend neue Black Hawks auf den Tresen der US-Rüstungsindustrie legte (damit diese Armen nicht Hunger leiden müssen!) soll man das in Zukunft alljährlich gleich verfünffachen. „Geht's der Rüstungsindustrie gut, geht's uns allen gut“, oder so ähnlich lautete doch ein Slogan der Wirtschaftskämmerer. Was, freilich cum grano salis, noch eine gewisse Berechtigung hätte, wenn Österreichs Rüstungsindustrie davon profitierte: Steueraufkommen, Arbeitsplätze etc. ... — aber hier wird der größte Teil einfach über den Atlantik geworfen, damit dort Gewinne gemacht und dort (vielleicht) Arbeitsplätze gesichert/geschaffen werden. Man muß in der Wolle gefärbter Transatlantiker sein, um das geil zu finden! Aber, so belehrt uns Kluge: 

Krieg kostet. Wir machen uns offensichtlich weiterhin nicht klar, was es bedeuten würde, wenn uns Russland einen Krieg aufzwänge. Oder weniger martialisch und hoffentlich realistischer ausgedrückt: uns zu einer Aufrüstung zwingen würde, die einen Krieg zu verhindern imstande wäre. 

Nicht bloß „weniger martialisch und hoffentlich realistischer“ ausgedrückt, sondern schlicht und einfach völlig realistisch ist, daß Rußland uns keinen Krieg aufzwingen wird. Denn zu diesem Behufe müßte es die Ukraine (nun, das mag ja irgendwie denkmöglich sein ...) und dann zusätzlich noch Polen, Slowakei und Ungarn überrollen, bis es uns „einen Krieg aufzwingen“ könnte! Und selbst dann: was hätte es davon? Daß russische Oligarchen dann sanktionslos in Grinzing zum Heurigen gehen können, oder nach Kitzbühel auf Schiurlaub? Für wie vertrottelt hält Kluge eigentlich die Russen? Was soll diese lächerliche Panikmache zugunsten höheren Reibachs der US-Rüstungsindustrie?

Endgültig unappetitlich wird es, wenn Kluge dann noch von sich gibt:

Die Industriellen Europas hätten nicht das Geringste gegen noch ein paar Jahrzehnte Friedens-dividende und billiges Gas einzuwenden gehabt.
Ja, aber der Military Industrial Complex der USA, die Neocons in Washington D.C. und die transatlantisch selektierten Nato-Satrapen in West- und Mitteleuropa hatten was einzuwenden. Weil die halt so gern wieder wie unter Jelzin die Bodenschätze Rußland für lau sich unter den Nagel reißen würden. Weil die wie bisher den Herrscher der Welt spielen würden, ad infinitum. Und weil die wissen: wenn Rußland besiegt und in Stücke geteilt ist, dann ist China das nächste Schlachtvieh zum Filetieren. Das kitzekleine Problem dabei ist: das wissen sowohl Rußland wie auch China. Die beiden stehen quasi Rücken an Rücken und halten sich den wechselseitig frei, weil sie wissen, daß der eine ohne den anderen die Einkreisung nicht überleben wird und jeder Verrat am Partner nur den Untergang für beide bedeutet.

Es fällt schwer, das würgen im Halz zu unterdrücken, wenn man Kluge weiterliest:

Deshalb muss nun im Budget priorisiert werden; und zwar zulasten der Ausgabenposten, bei denen uns kein wild gewordener Aggressor die Pistole auf die Brust setzt. Wir können nicht entscheiden, ob wir demnächst Black Hawks brauchen werden; aber schon, ob wir unser Pensionssystem reformieren und das 30-Milliarden-Loch zuschütten wollen, das darin klafft.

Keine Frage: das Pensionssystem zu reformieren ist dringendst nötig. Aber nicht, um für dort eingespartes Geld demnächst Blck Hawks anzuschaffen. Dieses Geld könnte man vielmehr zum Schuldenabbau verwenden und zum weitaus dringlicheren Ausbau der Österreichischen Infrastruktur. Oder zur Senkung der Abgabenquote, die derzeit jeden Leistungswilligen demotiviert! Und von welchem „wild gewordenem Aggressor“ halluziniert Kluge denn, der uns die Pistole auf die Brust setzen wollte? Gemeint ist sicher wieder der pöhse Putin, aber sorry: Unsinn gewinnt auch durch Wiederholung nicht an Sinn! Was, Herr Kluge, sollte Rußland veranlassen, Österreich eine Pistole an die Brust zu setzen? Bodenschätze? Lächerlich! Landwirtschaftsproduktion? Noch lächerlicher! Geopolitische Vorteile seiner geographischen Lage? Ja, vielleicht minimal, aber doch in keinem Verhältnis zur Anstrengung, überhaupt mal bis zu uns zu gelangen. Mit einem Wort: wieder bloße Panikmache!

Und die einfach perfide Demagogie, dann noch lässig

Oder lohnt es sich etwa nicht, um ein Land zu kämpfen, wenn es nicht mehr 32 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für soziale Wohltaten ausgeben kann?

hinzurotzen! So einem klugen ... Kopfbzw. sonstigem Körperteil nach Wahl des Leserskann man nur antworten: natürlich wäre es wünschenswert, allzu üppige soziale Wohltaten, insbesondere für vorgebliche „Asylanten“ zu reduzieren, aus dem von internationalen Konzernen gezielt finanzierten Klimawahnsinn auszusteigen, der medial bedenkengetragenen Wehleidigkeitsgesellschaft einen Tritt in den Allerwertesten zu geben und so jede Menge an sinn- und nutzlosen Ausgaben einzusparen — aber nicht, um das Geld dann Lockheed & Consorten in den gierigen Rachen zu werfen, „weil uns doch sonst die Russkis erobern“!

Das ist, mit Verlaub, nichts als Bullshit! Und Herr Kluge ist sicher klug genug, dies auch genau zu wissen. Was freilich über seinen Charakter, es dennoch so zu publizieren, einiges verrät. Nichts positives, freilich.


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