Samstag, 8. April 2017

Faktenscheck


von Fragolin

Google sorgt sich um die Wahrheit. Das finde ich toll. Ausgerechnet Google, das uns allen unsere Fenster zur Welt nicht nur öffnet sondern regelrecht entglast, und sich ansonsten selbst lieber hinter wasser- und informationsdichten Schotten verbirgt.

Jedenfalls will man der wildwuchernden Fake-News-Verbreitung zu Leibe rücken. Denn immer mehr private Personen verbreiten nicht verifizierte Nachrichten im Netz; wo früher Gerüchte erst von Ohr zu Ohr kriechen mussten und dabei recht kreative Veränderungen des Inhaltes dieser „stillen Post“ geschahen, genügt heute ein Klick und den Rest erledigen „Teilen“ und „Kopieren“.
Klingt also nach einer feinen Sache, wenn sich die Googler der Wahrheit widmen und ganz selbstlos der Lüge den Kampf ansagen.

„Google wird künftig verstärkt auf Hintergrundberichte hinweisen, in denen Medienunternehmen oder Verlage die Faktenlage bei strittigen Themen überprüfen.“

Ach. Medienunternehmen oder Verlage. Andere sind also eher nicht in der Lage, die Faktenlage bei „strittigen“ Themen zu prüfen? Augenzeugen zum Beispiel?
Dann stellt sich es mir so dar: Jemand veröffentlicht eine Meldung. Jemand, nennen wir ihn Blockwart oder Denunziant, meldet Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Meldung an, damit wird sie zu einer „strittigen“ Meldung. Google holt Informationen von Medien / Verlagen ein, die das bestätigen oder anders darstellen. Am Ende gilt immer die Angabe der Medien als Wahrheit und der Verbreiter der Meldung entweder als Wahrheitssprecher oder als Lügner.

Medien und Verlage legen also fest, was die Wahrheit ist. Na gut, die haben ja auch bessere Recherchemöglichkeiten, und niemals irgendwelche Interessen, eine Faktenlage, sagen wir mal, in eine bestimmte Richtung zu deuten. In die dem geldgebenden Hauptinserenten oder der Presseförderungsauszahlungsstelle genehmen.

Radaktionsstuben, früher, als es noch keine „Fake news“ als Kampfbegriff der Meinungsjäger gab, auch gerne mal als „Entenzucht“ bezeichnet, sind also plötzlich Garanten für nichts als die reine Wahrheit? „Lügen wie gedruckt“, ein geflügeltes Wort seit Erfindung der Druckerpresse, ist vergessen?

„Das Faktencheck-Label werde von sofort an nicht nur bei Google News eingesetzt, sondern auch auf die Google-Suche ausgeweitet. Außerdem sei das Label nun für Medienunternehmen und Verlage weltweit verfügbar, teilten Justin Kosslyn von dem Google-Thinktank Jigsaw und Cong Yu, Wissenschaftler bei Google Research, am Freitag mit.“

Ach, nur Medienunternehmen und Verlage dürfen das nutzen. Die alleinige Macht zur Korrektur von Inhalten gebührt also Unternehmen.
Naja, ist ja nicht ganz unlogisch, entscheiden doch inzwischen auf Weisung des deutschen Justizministers Unternehmen darüber, welche Meinungsäußerung strafrechtlich relevant ist und löschen diese, speichern sie nur im Hintergrund ab und lassen nur noch ermittelnde Behörden ran. Man verbrennt Bücher nicht einmal mehr, weil sie nachweislich unangenehme Inhalte enthalten, sondern verbrennt gleich alles, was solches auch nur enthalten könnte. Welcher Rechtsstaat braucht schon Gerichte oder den Respekt vor den verfassungsmäßigen Rechten der Bürger. Das wird vollkommen überbewertet. Fragen Sie Herrn Maas.

„Jede Minute würden tausende neue Artikel online veröffentlicht, eine Menge an Inhalten, die wohl die meisten Nutzer überfordere, heißt es in der Mitteilung.“

Ach, und die arbeiten die fleißigen Google-Bienchen jetzt alle auf, polieren ihren Wahrheitsgehalt und filtern dann vor? Wann wird nicht mehr nur ein Stempel draufgeknallt sondern die Veröffentlichung gleich von diesem Stempel abhängig gemacht, also wann ist nur noch überprüfte und linientreue Veröffentlichung möglich?

 „Und leider sind nicht alle Inhalte korrekt oder wahr, es fällt den Menschen daher oft schwer, Fakten von Fiktion zu unterscheiden.“

Das gilt aber auch, wenn ein Stempel draufpickt. Man kann auch lügen wie gedruckt und sich dann selbst einen Stempel geben, dass man seine Lüge für wahr deklariert. Denn jetzt kommt es:

„Deshalb habe Google im Oktober 2016 zusammen mit Jigsaw in einigen Ländern das „Faktencheck-Label“ eingeführt, mit dem Medienunternehmen und Verlage ihre entsprechenden Artikel in Google News kennzeichnen könnten.“

Ha, die geben sich den Stempel selbst. Die pappen ein fröhliches „Alles wahr, weil wir Faktenchecker sind!“ dazu, und schon kommen sie als die mit der einzig wahren Lüge daher. Da kann man fragen, was bringt das alles? Warum macht Google das?

„Nach Auswertung der Rückmeldungen von Nutzern und Medienhäusern wolle man diese Funktion nun erweitern.“

Ach wirklich? Pekuniäre Auswertungen fanden keinen Eingang in die Bewertung? Die Nutzer wollen das so? Naja, wird wohl so sein, wenn die Wahrheitshüter das so schreiben.

Bei einer Google-Suche, für deren Ergebnisse ein Faktencheck durchgeführt wurde, wird dies auf der Seite der Suchergebnisse entsprechend angezeigt. In dem betreffenden Fenster sehen die Anwender dann, um welche Behauptung es geht, von wem sie stammt, und ob eine seriöse Quelle die Informationen verifiziert oder widerlegt hat.“

Ah. Und woran erkenne ich eine „seriöse Quelle“?

„Generell kämen nur Medien für die Nutzung in Frage, die auf Basis von Algorithmen als seriöse Informationsquellen eingeschätzt werden.“

Ach so, Algorithmen, jaja, dann passt das schon. Zum Glück wissen gefühlte 90% der Bevölkerung nicht, was ein Algorithmus überhaupt ist.
Aber wer hat diese Algorithmen entwickelt. Wer hat deren Seriosität verifiziert?
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Da bestimmen von Privatunternehmen geschriebene Computerprogramme die Einschätzung, wessen Meldung die wahre und wessen die falsche ist.

Und wer Google kennt, der weiß ja auch, dass dort absolut altruistisch gehandelt wird und niemand auf die Idee käme, bei diesem „Label“, das Medien zur Nutzung überlassen wird, die Einzahlung bestimmter Beträge auf das Konto in den Bewertungsalgorithmus mit einzubauen.

Ich persönlich glaube weder an den Weihnachtsmann noch den Osterhasen, und ich glaube auch nicht, dass jemand, der sich einen Stempel bei einer Privatfirma kauft und ihn neben seinen Briefkopf stempelt, deshalb mehr oder weniger lügt als bisher. Aber ich glaube an die Macht des Geldes und die Zucht von Melkkühen.
Die Medien referenzieren sich gegenseitig und Google casht ab.

Der angegebene und verlinkte Artikel erschien übrigens im gleichen Wortlaut in mehreren Publikationen. Seriöser Verlage. Damit ist erwiesen, dass er wahr ist. Denn es schreiben ja alle das Gleiche. Und alle recherchieren ja sorgfältig und würden nie auf die Idee kommen, einfach vorgegebenen Text zu kopieren ohne ihn zu faktenchecken.
So funktioniert Selbstreferenzierung.
Übrigens kopieren die alle den Text von einer Agentur. Wem die gehört, wer die finanziert und wie genau dort Meldungen überprüft oder gewichtet werden – tja, das wäre mal eine Aufgabe für einen knallharten Faktencheck. Aber unsereiner wird das wohl nicht hinbekommen, so ganz ohne Presseausweis und Anrecht auf Auskunft. Und ohne Möglichkeit, einen „Wahrheits“-Stempel neben seine Worte zu drücken. Denn das können nur die, die das dann dementieren.

Was für ein Geschäftsmodell. Die Politik kann Meinungsmorden, die Medien können sich als einzige Quelle der Wahrheit bewerben und Google kassiert. Den Fakten-Scheck.

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