Freitag, 23. November 2018

»Darf man einen Flughafen nach einem Vergewaltiger benennen?«


... fragt sich DiePresse — gewohnt souverän von her/APA/dpa abschreibend — bänglich, denn:
In Chile soll ein Flughafen den Namen des Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda tragen. Doch es gibt Protest, denn der Poet hat in seinen Memoiren eine Vergewaltigung gestanden. 
... wo Neruda doch zu den Säulenheiligen aller Linken, und insbesondere Linksextremen, gehört. Da fällt dann gleich — #MeToo hin, Kampf-Feminazi her — doch gleich ein milderes Licht aufs Poppen einer Hausangestellten, die das Geilheits-Gesabber eines proletariatsaffinen Edelmenschen einfach zu ignorieren wagte ...

Isabelle Allende tritt dem jetzt möglicherweise um eine Flughafenbenennung umfallenden Dichter — Polit-Propagandist wäre vermutlich zutreffender, man denke etwa an seinen zum Fremdschämen peinlich-servilen Stalin-Lobpreis*) — beherzt zur Seite (und posthum ihrer Geschlechtsgenossin in die Weichteile), wenn sie schreibt:
„Sehr wenige Menschen – insbesondere mächtige oder einflussreiche Männer – benehmen sich bewundernswert“, sagt Allende. „Unglücklicherweise war auch Neruda ein Mensch mit Fehlern, wie wir alle in der einen oder anderen Weise, aber 'Canto General' ist trotzdem ein Meisterwerk.“
Wie man sieht: auch einflußreiche Frauen können sich wenig bewunderswert benehmen. Kleine Frage an die GenossInnen: wie verträgt sich eigentlich solche Milde mit der harschen Beurteilung eines flapsig-ironischen Satzes eine SPÖ-Funktionärs, der deswegen in die Wüste geschickt werden soll? Ist eine nachweisliche Vergewaltigung für eine so herausragende Ehrung (und das ist eine Flughafen-Benennung zweifellos) etwa weniger störend, als eine bloß möglicherweise (der Redner bestreitet nämlich, den unterstellten Sinn intendiert zu haben) taktlose Stegreif-Anmerkung in der Wortmeldung eines Provinzpolitikers?

Es gibt etwas, was ich fürs Leben nicht ausstehen kann, das ist: Messen mit zweierlei Maß! Man stelle sich bloß vor, nicht ein Pablo Neruda hätte ein Hausmädchen vergewaltigt, sondern bspw. ein Ernst Jünger (den ich von der schriftstellerischen Qualität allerdings um ein paar Klassen über Neruda ansiedeln würde, und der dennoch nie den Nobelpreis erhielt — weil er eben kein Linker war). Würde man dann in Deutschland auch nur daran zu denken wagen, ein Flughafen nach ihm zu benennen ...? Ja, mehr noch: obwohl Jünger kein Hausmädchen vergewaltigt hat — dächte man daran?

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*) das einzige, was ich im Netz fand, war diese englische Übersetzung. Ich habe in meiner Bilbliothek zwar ein Buch, in dem auch eine deutsche Übersetzung zu finden ist, vergeude aber nicht meine Lebenszeit, so einen Schmarrn abzutippen.



5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"aber 'Canto General' ist trotzdem ein Meisterwerk."

Na, diese "Argumentation" wird in diesem Blog doch auch rauf und runter angewandt:

"aber im 3. Reich gab es auch eine saubere Justiz" (so vor wenigen Woche richtig ergriffen vom Penseur tremoliert)
"aber Putin hat trotzdem Eier"
"aber Erdogan zeigt den Linken, wo der hammer hängt"

usw. usf.

Le Penseur hat gesagt…

Cher (chère?) "Anonym",

na dann bitte: bringen Sie doch die Links zu den von Ihnen behauptete Äußerungen, denn das kann ja nicht so schwer sein, oder?

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Suchen. Und v.a. sehr viel Geduld. Und dann noch den Anstand, Ihre Flunkerei einzugestehen, wenn Sie es nicht gefunden haben.

Ich weiß — alles Wünsche ans Christkind bei Leutchen wie Ihnen ...

Michael hat gesagt…

"All hell's breaking loose" wegem dem dämlichen Sozen-Sager hier in Tirol! Recht hat er (wieder einmal mehr) der geschätzte LePenseur! Jetzt wird mir auch so richtig klar, woher die Bedeutung des Wortes "linkisch" kommt.

Volker hat gesagt…

"ein Buch, in dem auch eine deutsche Übersetzung zu finden ist, vergeude aber nicht meine Lebenszeit, so einen Schmarrn abzutippen."

Abtippen ist gar nicht nötig.
Hier hat einer ein paar Seiten als Bild-Datei eingestellt.

Le Penseur hat gesagt…

Cher Volker,

danke — diesen Artikel von über vier Jahren hatte ich in der Tat nicht mehr so richtig im Gedächtnis. Ich wußte zwar noch, daß ich irgendwann kritisch kritisch über Neruda geschrieben hatte, aber nicht, damals die Stalin-Ode in Volltext reingestellt zu haben.

Nochmals: Danke für Ihre Mitarbeit!


P.S.: bei nochmaligem Lesen muß ich sagen, sie ist noch erbärmlicher als ich sie in Erinnerung hatte ...