Dienstag, 16. März 2010

Nützliche Idioten

... scheinen in der Tat nicht recht verstanden zu haben, worum es in der ganzen »Mißbrauch«-Medienorgel eigentlich geht. Da stehen die ganz 150%igen Libertären und Freidenker auf und sind ganz zackig auf »Verteidiger des Freigeists« unterwegs. Daß eine ganz offensichtlich aus dem Hintergrund gezielt angezettelte und geschürte Kampagne in Wahrheit auch den freigeistigsten Menschen (und, eigentlich, gerade diesen!) mit tiefster Besorgnis erfüllen sollte, darauf kommen diese Kämpen gegen Pfaff & Teufel gar nicht ... jo, mei! Insancta simplicitas, halt.

Als alter Freigeist (wie oft wurde ich in allen möglichen Foren von strenggläubigen Katholiken wie Protestanten gescholten, wenn ich recht unverblümt Skepsis gegenüber Fundamentalismen und kritiklosen Nachbetereien artikulierte!) stehe ich in dieser Sache trotzdem auf Seite dessen, der zu Unrecht angegriffen wird. So, wie ich es z.B. vor Jahren nun einmal nicht mochte, daß vor Gericht ein — zwar ganz offensichtlich schuldiger — Angeklagter von einem Richter im Prozeß geschurigelt wurde, daß es nur so eine Freud' war (und ich mir als bloßer Zeuge erlaubte zu bemerken, daß auch ein Verbrecher das Recht auf einen nicht voreingenommenen Richter habe), ebensowenig mag ich es nun, wenn mit offenkundig unterschiedlichen Maßstäben Ettaler Watschen zum Auffetten der etwas mageren Berichtslage um einen schwulen Pater zum "Mißbrauch" hochstilisiert werden, und gleichzeitig jahrelange, von einem ganzen Lehrerteam wochenend-planmäßig betriebene Odenwälder Hinterladereien klamm-heimlich im Pressearchiv entsorgt werden (aus welchem sie, soviel wage ich ohne große Gefahr zu prognostizieren, vermutlich nie mehr wieder auftauchen werden).

Das mag ich einfach nicht. Und der Gedanke, das jetzt höhnisch grinsend mit einem "Ätsch!" zu kommentieren, bloß weil ich — ich versuche fairneßhalber Katholen und Evangelen jetzt gleichermaßen gegen mich aufzubringen — die Meßopferlehre als magischen Mumpitz, oder die Rechtfertigunglehre samt den »solas« als ebenso ahistorischen wie unlogischen Schwachsinn betrachte, kann mich nicht erbauen.

Im Gegenteil: wer jetzt fröhlich Deschner & Co. zitiert, verrät m.E. damit, daß sein vorgeblicher Unglaube bei weitem nicht so gefestigt ist, wie er glauben machen will. Und darüber hinaus noch, daß er das eigentliche Problem, das allen Freiheitsfreunden unter die Haut gehen sollte, nicht einmal erkannt hat! Wer jetzt fleißig als nützlicher Idiot beim antikirchlichen Watschentanz mitplattelt, wird irgendwann erkennen müssen, daß selbst die Verbrechen der Kirchen immer noch vergleichsweise harmlos sind, wenn man sie mit den Monstrositäten explizit antikirchlicher und antireligiöser Ideologiesysteme vergleicht.

Und vielleicht erkennt er bei ein bißchen Nachdenken sogar schon jetzt, daß weder die Alptraum-Vision von "Brave New World", noch die von "1984", solche aus dem Weihrauchfaß sind. Aber, verdammt noch mal, uns dafür tausendmal wahrscheinlicher drohend als die Wiedereinführung der Spanischen Inquisition oder der päpstlichen Universalmonarchie ...

1 Kommentar:

CrisisMaven hat gesagt…

Sehe grade, Sie haben mich auf Ihre "blog roll" gesetzt - habe mich soeben revanchiert. Zu den nuetzlichen Idioten - ja, es wird leider fast immer im politischen Argument an einer Sache gleich noch eine eigene politische Agenda aufgehaengt, was die Diskussion unnoetig erschwert, oft gar verunmoeglicht. Wer Milch einkauft, muss auch nicht gleich einen vollstaendigen agrarpolitischen und womoeglich einen tierschuetzerischen Dialog dazu abspulen. So, wie die Steuerdatei auch Politiker enthalten duerfte, so, siehe US-Kongress, gibt es Missbrauch auch von seiten der Parlamentarier, Richter, Staatsanwaelte, Polizisten, Hochschullehrer etc.