Ein nicht mehr ganz so verzweifelter Versuch
von Franz Lechner
Angesichts des von Trump augenscheinlich an den Tag gelegten Verhaltens ist es leicht, sich angewidert zu geben. Nun gut, das hat nichts zu besagen. Und keineswegs spricht das nicht fürs Gegenteil, also in etwa dafür, von Trump begeistert zu sein. Es war wirklich nicht nett, die Iraner mittels offensichtlich wohl-wollender Verhandlungsführung in Sicherheit zu wiegen und dann, mittendrin, loszuschlagen und dabei noch die iranische Delegation umzubringen. Eigentlich ist das sogar richtig mies, typische Ami-Art eben.
Warum also diese blödsinnige Einleitung? Soll die Betonung auf „augenscheinlich“ liegen? War es in Wirklichkeit gar nicht so?
Haben die vorangegangen Artikeln dieses Blogs allesamt unrecht, kann ich ganz neue Fakten auf den Tisch knallen?
Oder, anderer Ansatz, bin ich zum Verfechter des erzjesuitischen Grundsatzes geworden, wonach der Zweck die Mittel heiligt? Irgend so etwas scheint auch Markus Krall gemeint zu haben, wenn er schrieb:
Er [Trump] hat das iranische Atomprogramm definitiv zerstört, dessen einziger logischer Zweck der Bau einer Atombombe sein konnte. Denn der Anreicherungsgrad des Urans, der dort durchgeführt wurde, schließt eine zivile Nutzung aus. Es ist außerdem wenig glaubwürdig, Atomenergie unbedingt zu brauchen, wenn man auf einem der größten Erdölvorräte der Welt sitzt. Es kann nicht überraschen, dass dieses Atomprogramm von Israel als Bedrohung wahrgenommen wurde, da das Mullah-Regime immer wieder mit der Vernichtung des jüdischen Staates gedroht hat. Man kann nicht ständig mit so etwas drohen und sich dann wundern, dass man ernst genommen wird.
Nun, das ist offensichtlich Unsinn. Wie auch immer man zu meiner Auffassung, wonach Trump im Ergebnis etwas bewirkt habe, das zumindest eine gute Seite hat, auch stehen mag — die Zerstörung des iranischen Atomprogramms gehört ganz sicher nicht dazu, und zwar deshalb, weil es sie gar nicht gegeben hat.
Vielmehr ist dieses Atomprogramm sozusagen in den Untergrund gewandert und somit — zumindest vorläufig — ganz unberechenbar und unkontrollierbar geworden. So gewesen war’s der reinste Schlag ins Wasser! An sich sollte dieser Umstand in der alternativen Blogger- und Denkerszene bereits notorisch sein, und es ist erstaunlich, dass es Krall zuwege bringt, einen derartigen Unsinn zu schreiben. Man könnte noch weitergehen: Eine tatsächlich gelungene Zerstörung hätte unter ganz blöden Umständen eine nukleare Kata-strophe herbeiführen können. Seien wir froh, dass es nicht so gekommen ist!
Damit wären wir in medias res: Trump hat diese Katastrophe eben nicht ausgelöst, sondern, wie man mittlerweile zwingend annehmen muss, im Gegenteil vermieden oder gar hintertrieben. Und am Schluss hat er aktiv, dh mit einem seiner klassischen deals einen Frieden herbeigeführt, indem er dem Iran erlaubt hat, die mittlerweile leeren Basen zu bombardieren, ut aliquid fecisse videatur. Muss man angesichts dieses Erfolges nicht ein paar tote Hansln in Kauf nehmen?
Nein, so mag ich nicht argumentieren, wirklich nicht. Das Argumentieren fällt überhaupt recht schwer, da wir nichts wissen. Gestern im Zug nach Wien äußerte sich so ein Klugscheißer, natürlich etwas angewidert, in etwa wie folgt: „Für uns Normalsterbliche ist es wirklich unmöglich zu begreifen, was da eigentlich gespielt wird.“ Ganz augenscheinlich missbilligte er den Waffenstillstand. Die Vernichtung des Irans — pardon: ein dortiger regime-change — wäre im lieber gewesen.
Nun, wir Schwurbler und Konsumenten alternativer Medien, nicht zuletzt dieses großartigen Blogs tun uns da viel, viel leichter. Wir wissen, dass Trump die Gunst der Stunde nutzend seine ursprüngliche Intention verwirklicht hat, einen deal mit dem Iran und wohl auch mit Russland zu schließen. Die etwas dämlichen Mullahs werden es wohl nun nicht verabsäumen, sich unter russischen Schutz zu stellen und in weiterer Folge jegliche militärischen nuklearen Ambitionen aufgeben. Israel wird sie künftig nicht mehr anzugreifen wagen (bzw keinen offiziell brauchbaren Grund haben, dies zu tun). Strenggenommen war das jetzt leicht übertrieben: Wir können all das gar nicht wissen, dürfen es aber wenigstens mit so etwas wie gutem Grund hoffen.
Aber darüber hinaus tappen wir in ganz wesentlichen Fragen vollends im Dunkeln. Und ich würde deshalb in dubio pro reo plädieren, dh dafür, Trump in möglichst mildem Licht zu sehen. Unterm Strich hat er seine Versprechen wahrgemacht, keine Kriege zu führen. Kein demokratischer Präsident hätte sich auf einen derartigen deal der wechselseitigen Scheinbombardierungen eingelassen. Ohne Frage wäre der Krieg höchst real und heiß und zur Freude des militärisch-industriellen Komplexes auch hübsch langwierig geworden. Das ändert nichts daran, dass auf der Haben-Seite noch immer die tote islamische Delegation steht (neben etlichen toten israelischen Zivilisten). Und dass ich noch immer nicht an jenem Punkt angelangt bin, auf den es mir ankommt, nämlich, dass wir absolut nichts über Trumps Veranlassung wissen, diesem schändlichen israelischen Angriffsplan zuzustimmen.
In diesem Zusammenhang scheint mir vor allem jene Prämisse mehr als hinterfragenswert zu sein, Israel hätte diesen Angriff niemals ohne die Unterstützung der USA durchführen können. Ja, ich gehe so weit, zu sagen, dass das schlichtweg falsch ist. Israel verfügt über Atomwaffen und kann diese jederzeit selbständig einsetzen. Zufällig weiß ich, dass in Israel diese Frage ernsthaft diskutiert, dh von prominenten Vertretern bejaht worden ist. Viele glaubten das idiotische Narrativ eines verrückten iranischen Staates, der nichts anderes im Sinne hätte, als Israel zu vernichten und dabei die eigene Existenz aufs Spiel setzen würde. Was, wenn Trump derart unter Druck gesetzt schließlich, sozusagen als deal, dem konventionellen Angriff zugestimmt (und damit unzählige iranische Leben gerettet) hätte? Hätte er diesfalls nein sagen können bzw dürfen?
Wir wissen wenig bis nichts. Wir können nur Schlimmes vermuten, weil das vorliegende Verhaltensmuster in seiner Hinterhältigkeit und auch Gemeinheit wirklich nicht zum etwas täppisch polternden good old Donald passt. Feststeht, dass Trump Schlimmstes verhindert hat und am Ende die Sache sogar auf seine Art in den Griff gekriegt hat.
Ehrlich: von welchem momentanen Politiker des Westens sonst ließe sich derartiges auch nur ansatzweise behaupten?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen