von LePenseur
Heute vor zehn Jahren starb der Schauspieler Pierre Brice, bis jetzt noch mit seiner wohl berühmtesten Rolle, Winnetou, assoziiert. An seinem Todestag schrieb ich, damals gerade auf Urlaub, ein paar Zeilen zu seinem Gedenken:
Kurze Urlaubsunterbrechung
Die Erinnerung kam einfach hoch bei der Meldung ...
Die Erinnerung an den Volksschüler, der mit seiner Familie Sommerfrische
machte, damals in den mittleren 1960ern. Irgendein kleines Kaff im
Innviertel, von wo die Oma mit dem Autobus nur ein paar Stationen fahren
mußte, um im Thermalbad Schallerbach (hieß doch so, oder?) ihren
Ischias zu lindern. Oder ihre Spondylose. Oder war das für beides ...?
Das Kind spielte währenddessen in den Wäldern und Feldern mit
Bauernbuben. Und mit der Tochter der Zimmervermieterin. Gelegentlich gab
es was Besonderes: ein richtiger Maler zeigte Bilder im Pfarrsaal. Ein
Großbauer war gestorben, und beim Requiem gab's so viel Weihrauch, daß
dem Buben aus der Stadt ganz schlecht wurde. Und gelegentlich gab's einen
Film im Dorfkino. »Sissi« und dergleichen. Naja. Oder »Das Haus in
Montevideo« mit dem Ski-Ass Toni Sailer in einer Nebenrolle — das war
schon besser ...
Einmal, nach dem Ende des Films »Winnetou III« lief der kleine Bub
heulend in den Wald, weil Winnetou tot war. Man ging ihn suchen — nein,
es war keine gefährliche Situation, wirklich nicht! Die Wäldchen in der
Umgebung waren zahm und friedlich wie die sanfte Hügellandschaft des
Innviertels überhaupt. Und man tröstete den in Tränen aufgelösten Buben,
indem man ihm versicherte, daß der Schauspieler ja in Wahrheit nicht
tot sein, der lebe und drehe sicher bald wieder seinen nächsten Film.
Der Bub war nun doppelt unglücklich: unglücklich darüber, daß Winnetou
gestorben war, und noch mehr, daß seine Familie ihn offenbar für einen
kompletten Trottel hielt! Natürlich wußte er, daß der
Schauspieler nicht tot war, sondern »bloß« die Filmfigur Winnetou! Und
damals ahnte er, daß die Erwachsenen offenbar ihre eigene Kindheit
vergessen haben. Oder sogar vergessen müssen — sonst könnten sie ihr
Leben, das ganz so ohne Erfahrung, ohne Eintauchen in eine zweite
Realität dahinging, wohl nicht aushalten. Und er beschloß, es anders zu
machen. Aber wie? Verlacht und mit billigem Pseudo-Trost abgespeist zu
werden, war nicht angenehm.
Er entschloß sich zu lesen. Das war angesehen und respektabel. Und eine
zweite Realität — mit der reichen Phantasie der jungen Jahre glänzender,
vielschichtiger und aufregender als je ein Film sein könnte. So
verdankt LePenseur — der damals jener kleine Bub war — höchstwahrscheinlich die
»Initialzündung« seiner späteren Bildungsinteressen jenem Schauspieler,
dessen Darstellung des Sterbens ihm damals (und in der Erinnerung noch
heute) die Tränen in die Augen trieb, und der heute selbst gestorben
ist:
Pierre Brice
6. Februar 1929 - 6. Juni 2015
Er ruhe in Frieden ...
1 Kommentar:
Der kleine Bub ist nicht das Problem. Aber Erwachsene, die Mario Adorf lynchen wollten, weil er Winnetous
Schwester erschossen hatte. Im Film. Soviel zu "Demokratie".
Ich bin von niederer Herkunft, pflege aber dennoch einen Pöbelhass wie Theognis von Megara.
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