... erblickte heute vor hundertfünfzig Jahren, am 8. Dezember 1865, das Licht (bzw. im hoch nördlich gelegenen Geburtort, Hämeenlinna, wohl eher: das Dunkel) der Welt:
JOHAN JULIUS CHRISTIAN, genannt JEAN SIBELIUS
(rechts sieht man das eher unauffällige Geburtshaus des wohl größten Sohnes dieser mittelfinnischen Stadt).
Jean Sibelius wurde 1865 in Hämeenlinna als Sohn von Christian Gustaf Sibelius und dessen Frau Maria Charlotte, geborene Borg, in eine schwedischsprachige Familie geboren. Janne, wie der Junge zuhause und in der Schule gerufen wurde, wuchs ab 1868, als der Vater starb, als Halbwaise auf. Den Rufnamen hatte Sibelius indirekt seinem Onkel zu verdanken. Der Schiffskapitän Johan Sibelius war 1864 auf einer Atlantikfahrt an Gelbfieber gestorben und war innerhalb der Familie eine legendäre Gestalt. Der junge Komponist fand später im Nachlass seines Onkels einen „Packen Visitenkarten, auf denen sein Vorname nach damaliger, unter Handelsschiffern übli- cher Sitte auf französisch geschrieben war: Jean Sibelius. Diese Visitenkarten nahm zwei Jahrzehnte später sein Neffe in Gebrauch, als er dabei war, seine Künstlerlauf- bahn anzutreten.“
berichtet Wikipedia in ihrem — angesichts der ostentativen Geringschätzung, die wegen Theodor W. Adornos hämisch-polemischer Abqualifizierung des finnischen Nationalkomponisten in Deutschland bis heute nachwirkt — erstaunlich objektiv gehaltenen Artikel, dem auch die näheren biographischen Details entnommen werden mögen.
Lesenswert ist auch ein in der »Wiener Zeitung« in der jüngsten Wochenend-Beilage erschienener Artikel über den Studienaufenthalt, den der junge Kompositions-Student Sibelius 1890/91 in Wien absolvierte (ein Gedenktafel auf der Wieden, dem 4. Wiener Gemeindebezirk, erinnert an das Haus, indem er wohnte), wo er u.a. bei Robert Fuchs (der mit einer der seinerzeit so beliebten Serenaden bereits auf diesem Blog zitiert worden ist) Unterricht nahm.
Lesenswert ist auch ein in der »Wiener Zeitung« in der jüngsten Wochenend-Beilage erschienener Artikel über den Studienaufenthalt, den der junge Kompositions-Student Sibelius 1890/91 in Wien absolvierte (ein Gedenktafel auf der Wieden, dem 4. Wiener Gemeindebezirk, erinnert an das Haus, indem er wohnte), wo er u.a. bei Robert Fuchs (der mit einer der seinerzeit so beliebten Serenaden bereits auf diesem Blog zitiert worden ist) Unterricht nahm.
Meine »persönliche« Begegnung mit dem finnischen Meister fand auf Empfehlung meines Bruders beim Hören einer Schallplattenaufnahme eines seiner populärsten Werke statt: der Karelia-Suite op. 11. Es war m.W. eine Aufnahme mit Hans Rosbaud (dieses großen, und leider fast vergessenen Dirigenten wurde auf diesem Blog bereits gedacht) — oder mit Kurt Sanderling (einem ebenso fast vergessenen »Großen der zweiten Reihe«, leider ...)? Die Rosbaud-Aufnahme läßt sich (vermutlich aus Copyright-Gründen) für mich nicht auf Youtube abspielen — aber hier der Link für erfolgreichere Bemühungen anderer. Diese Interpretation, die ich in meinem Gedächtnis bewahre, ist recht ähnlich der folgenden:
Nun ist die Karelia-Suite, ebenso wie die anderen »Standardstücke«, die als ein bisserl »exotische« Garnierung allzu brav geratener Abonnementkonzerte eingeschoben werden — also: der »Schwan von Tuonela«, »Finlandia« oder »Valse triste« —, zweifellos ein angenehm zu hörendes Werk, aber nichts, was den Weltruhm eines Komponisten rechtfertigen könnte! Und doch verdankt Sibelius seine — v.a. im angelsächsischen Raum ungebrochene — Popularität und weite Verbreitung insbesondere diesen Stücken.
Sicher, auch seine Symphonien nehmen in Amerika im Orchester-Repertoire weitgehend den Platz der (dort wiederum fast unbekannten) Bruckner-Symphonien ein, aber das sind trotzdem Werke, die zwar vom Konzertpublikum mit gewisser »Andacht« gehört werden, und dann doch irgendwie in einer akademisch kultivierten Weihe verbleiben, ohne wirklich ans Herz zu rühren. Eine Ausnahme macht vielleicht die romantisch-schwungvolle Symphonie Nr. 2 in D-Dur, op. 43:
Je später die Symphonie, desto unbekannter, ist man versucht zu sagen — dabei sind sie alle von tiefer Originalität und herber Schönheit, so. z.B. die Nr. 5 (hier in der zu recht gepriesenen Interpretation durch Karajan):
Aber auch in die anderen Symphonien sollte man wenigstens »hineingehört« haben! Hier eine kurze Auswahl an empfehlenswerten Interpretationen:
Nr. 1 (Bernstein) : https://www.youtube.com/watch?v=UJGWz...
Nr. 3 (Vänskä): https://www.youtube.com/watch?v=4kNtcbu6Veo
Nr. 4 (Karajan): https://www.youtube.com/watch?v=zl_q1...
Nr. 6 (Karajan): https://www.youtube.com/watch?v=FChg3...
Nr. 7 (Karajan): https://www.youtube.com/watch?v=XHHfv...
Nun ist die Karelia-Suite, ebenso wie die anderen »Standardstücke«, die als ein bisserl »exotische« Garnierung allzu brav geratener Abonnementkonzerte eingeschoben werden — also: der »Schwan von Tuonela«, »Finlandia« oder »Valse triste« —, zweifellos ein angenehm zu hörendes Werk, aber nichts, was den Weltruhm eines Komponisten rechtfertigen könnte! Und doch verdankt Sibelius seine — v.a. im angelsächsischen Raum ungebrochene — Popularität und weite Verbreitung insbesondere diesen Stücken.
Sicher, auch seine Symphonien nehmen in Amerika im Orchester-Repertoire weitgehend den Platz der (dort wiederum fast unbekannten) Bruckner-Symphonien ein, aber das sind trotzdem Werke, die zwar vom Konzertpublikum mit gewisser »Andacht« gehört werden, und dann doch irgendwie in einer akademisch kultivierten Weihe verbleiben, ohne wirklich ans Herz zu rühren. Eine Ausnahme macht vielleicht die romantisch-schwungvolle Symphonie Nr. 2 in D-Dur, op. 43:
Je später die Symphonie, desto unbekannter, ist man versucht zu sagen — dabei sind sie alle von tiefer Originalität und herber Schönheit, so. z.B. die Nr. 5 (hier in der zu recht gepriesenen Interpretation durch Karajan):
Aber auch in die anderen Symphonien sollte man wenigstens »hineingehört« haben! Hier eine kurze Auswahl an empfehlenswerten Interpretationen:
Nr. 1 (Bernstein) : https://www.youtube.com/watch?v=UJGWz...
Nr. 3 (Vänskä): https://www.youtube.com/watch?v=4kNtcbu6Veo
Nr. 4 (Karajan): https://www.youtube.com/watch?v=zl_q1...
Nr. 6 (Karajan): https://www.youtube.com/watch?v=FChg3...
Nr. 7 (Karajan): https://www.youtube.com/watch?v=XHHfv...
Sibelius verstummte vergleichsweise früh als Komponist — schon in den 1920er-Jahren, und lebte, als lebende Komponistenlegende mit einer Ehrenrente der finnischen Republik in seinem Landhaus noch jahrzehntelang, bis zu seinem Tod am 20. September 1957. Sein letztes großes veröffentliches Werk ist die Tondichtung »Tapiola«, op. 112 (1926), um die mythologische Figur des finnischen Waldgottes — welches seinem kompositiorischen Schaffen einen fürwahr krönenden Abschluß verlieh:
Wenn man dieses großartige Werk, das in so vieler Hinsicht die Quintessenz seines kompositorischen Genies darstellt, gehört hat, versteht man, warum Sibelius mit der Fertigstellung und Veröffentlichung seiner achten Symphonie jahre- und jahrzehntelang rang — und sie schließlich (ohne daß mehr als ein paar Skizzen überlebt hätten) vernichtete, weil er sie nicht für gut genug erachtete. Die tragische Geschichte der vom Komponisten unvollendet vernichteteten Symphonie kann man in der englischen Wikipedia nachlesen.
Wenige Tage vor seinem Tod sah Jean Sibelius einen Schwarm Kranich über sein Landhaus ziehen, wie um Abschied zu nehmen, und war beglückt, die »Vögel seiner Jugend« noch einmal gesehen zu haben. Der Kranich ist in der finnischen Mythologie aber auch der Künder des Todes — und Sibelius soll gegenüber seiner Familie geäußert haben: »Sie kamen, mich zu holen«.
Womit sich Jean Sibelius den abgrundtiefen Haß von Theodor W. Adorno zugezogen hat — dieser sicher spannenden Frage geht ein Artikel in der »Zeit«-Community nach:
Anlässlich des Berliner Sibelius Zyklus mit Simon Rattle war viel von der deutschen Sibelius Rezeption die Rede und geflissentlich tauchte natürlich in jedem Artikel der Verweis auf Adornos Glosse über Sibelius auf, eines selbst für Adorno sehr gehässigen Textes, in dem Adorno kein gutes Haar an Sibelius lässt und der in der Tat lange Zeit in Deutschland seine Spuren hinterließ.Aber war Sibelius denn wirklich so »anti-aufklärerisch«? Schließlich war er ein prominenter, und durchaus bewußter Freimaurer (der auch einige Musik zu ihren Ritualen beisteuerte) — und einem Freimaurer wird man »anti-aufklärerische« Haltung wohl schwer unterstellen können. Nein, es ging Adorno wohl nicht bloß um »Aufklärung«, sondern um gezielte, marxistisch konnotierte Gesellschafts-Veränderung, zu der er eben auch eine »neue Kultur«, inklusive einer »neuen Musik« postulierte. Pech für ihn, daß seine »neue Musik« einfach nicht angenommen wurde von den Leuten! Planwirtschaft ist auch auf kreativem Gebiet ein Rohrkrepierer. Sibelius hatte diese Frustration auszubaden (Strauss war ja schon tot, und »Nazi« in den wirren Anschauungen eines Salonmarxisten à la Adorno).
Doch keiner fragt sich was es damit auf sich hat? Was ist dran an Adornos Invektiven und was haben sie uns zu sagen? Sehr oft offenbart gerade der Hass und Abscheu etwas fundamentales über sein Objekt, und natürlich auch über das Subjekt. Allem Apologetentum ist immer auch ein wenig Beschönigung beigemengt, der Hass dagegen ist gnadenlos offenbarend. Tolstois moralischer Abscheu vor Shakespeare rührt an Tiefstes und offenbart mehr über Shakespeare als das idealisierte Bild, das sich Goethe von Shakespeare machte.
Was ist also der Grund für Adornos Abneigung? Zunächst spielt sicher eine Portion Neid und Enttäuschung eine Rolle. Zwanzig Jahre waren seit dem Aufbruch in die Atonalität vergangen, doch statt der erträumten Vormacht der Neuen Musik der Schönberg Schule war alles mehr oder weniger beim alten geblieben Und statt Schönberg zählte Sibelius, vor allem in den angelsächsischen Ländern, zu den wenigen zeitgenössischen Komponisten, die sich im Konzertleben dauerhaft etabliert hatten. Das muss Adorno mächtig gegen den Strich gegangen sein.
Doch der Hass, den man bei Adorno spürt, hat noch wesentlich tiefere Ursachen. Was Adorno an Sibelius nicht ertragen konnte, war dessen antiaufklärerische, antimoderni-stische Haltung. Alles wofür Adorno stand und mit aller Macht seiner immensen rhetorischen Mittel kämpfte, nämlich den Fortschritt und die Vollendung der Auf- klärung, das alles spielte für Sibelius nicht nur keine Rolle, sondern wurde geradezu negiert.
(Hier weiterlesen)
Doch wollen wir hoffen, daß die gehässige Kritik allmählich in den Orkus der Geschichte sinkt, und die Werke des finnischen Meisters den Kritikaster siegreich überleben. Vielleicht war es aber auch ein Bonmot, das den »bekennenden Linken« so auf die Palme brachte — mit dem ich diesen Artikel beschließen will. Sibelius merkte einmal — und sicherlich zwischen zwei Zügen aus seinen edlen Zigarren, die er zu rauchen liebte — süffisant an: »Über Musik unterhalte ich mir nur mit Bankiers! Künstler reden doch nur dauernd übers Geld!«
1 Kommentar:
Hallo, Sie pausierend Pausierender!
In dieser Pausenpause geht doch um Musik?
Dazu hätte ich mal einen musikalischen Hinweis auf eine zuckersüße Melodei von unserem Ehrenarier Akif:
der-kleine-akif.de/2015/12/07/wer-die-musik-bestellt
Krzws.
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