Sonntag, 13. Juli 2014

Heute vor 125 Jahren

... mithin am 13. Juli 1889 starb der österreichische Dichter Robert Hamerling. In Anbetracht der seinerzeitigen Berühmtheit vieler seiner Werke mutet der bezughabende Wikipedia-Artikel, der unter dem Stichwort »Bedeutung« lapidar zu vermelden weiß:
Hamerling zählte zu seiner Zeit zu den meistgelesenen deutschsprachigen Autoren. Zu seinen Hauptwerken zählt das Epos Ahasverus in Rom (verfasst 1865), das ihn einer breiten Leserschaft erst bekannt machte, und Der König von Sion (1869).
denn doch ein wenig schmalbrüstig an. Aber wie wie wissen — Ruhm und Nachruhm eines Autors sind keineswegs kongruent, sondern oft geradezu komplementär. Auch das »Gutenberg-Projekt« übergeht Hamerlings erfolgreichstes und gerühmtestes Werk, Ahasverus in Rom, und bringt nur seinen König von Sion, von seinen zahlreichen Gedichten gerade ein einziges — und wahrlich nicht das beste.

In den Bodleian Libraries findet u.a. sich ein Digitalisat seiner »Blätter im Winde«, und in diesen Blättern lohnt es sich durchaus zu blättern. Sicherlich ist seine Lyrik vielfach dem Vorbild Heinrich Heines verpflichtet. Böswillig kann man sie als epigonal geringschätzen, und dennoch ... ... man lese nur aus »Singen und Minnen« sein

Lebenslied

O
 himmlische Wonne des Lebens,
 Urewig blühend und hold,
Hoch über der Öde des Abgrunds
  Hältst du dein Banner entrollt,
Und strömst im Glanze der Sonnen,
  Im rosigen Lichte des Seins,
Mit dunklen Todeswonnen 
  Geheimnisvoll in Eins.
 
O holdes Wiegen und Wallen,
  O sel'ges Streben und Ruh'n,
O jauchzendes Steigen und Fallen,
  O süßes Träumen und Tun!
O du schimmernde Lebenshelle, 
  O du selige Todesnacht —
Auf wechselnder Daseinswelle
  Wie faß' ich alle die Pracht?
 
Ich möchte wonnig gerne
  In jeder Blume blüh'n,
Ich möcht' in jedem Sterne
  Des Himmels selig glüh'n;
Auf den Schwingen jedes Falters
  Möcht' ich gaukeln durchs blumige Grün,
Und im Wirbel des Lerchenpsalters
  Hinsterben in Melodien.
 
Ich möchte mit allen Wellen
  Mich berauschen im Sonnenglanz,
Und in Schaumesfunken zerschellen
  Im jauchzenden Sturmestanz. 
Ich möchte mit allen Gewittern
  Hinzieh'n über Berg und Tal, 
Und mit jeder Eiche zersplittern
  Die berührt der himmlische Strahl.
 
O flössen in mir zusammen
  Die Ströme des Lebens all — 
Um, vereint in seligen Flammen
  Aufsprühend allzumahl,
Das süße Leben zu trinken
  Im goldenen Morgenrot,
Und vereint in den Schoß zu sinken
  Dem noch viel süßeren Tod.
oder:

Die Lerchen
 
E
s ziehen die Wolken,
 Es wandern die Sterne, 
Es schweben die Lerchen
  In goldiger Ferne; 
An himmlischer Pforte,
  Beseligten Drangs, 
Erlauschen die Worte
  Seraphischen Klangs.
 
Die Lerche fliegt nieder
  Aus himmlischen Höhen, 
Und was sie gehöret,
  Und was sie gesehen,
Das will sie verkünden
  Den Blumen im Tal, 
Den Wassern, den Winden,
  Mit lieblichem Schall.
 
Die Blumen, die Winde,
  Die Wellen, sie flüstern, 
Erzählen's geschwinde
  Viel trauten Geschwistern: 
Der Mensch geht vorüber
  Und lauschet und glüht, 
Und faßt es in Worte,
  Das himmlische Lied.
oder, ganz schalkhaft:

Die Primeln

S
ieh, Liebchen, hier im Waldestal
das Plätzchen unvergessen,
wo kosend wir zum letzenmal
im letzen Herbst gesessen! 

Und sieh, nun sind in goldner Pracht
hier an derselben Stelle
die ersten Primeln aufgewacht,
als wär's des Lenzes Schwelle!

Siehst du, wie Liebe Wunder tut,
daß wenn der Schnee zerflossen,
dort, wo ein Liebespaar geruht,
die ersten Primeln sprossen?

Nun wollen doppelt eifrig wir,
wenn Moos und Gräsen schwellen,
fürs nächste Jahr im Waldrevier
die Primelsaat bestellen.

Dann lächeln wir ob unserm Streich,
wenn Berg und Täler wimmeln
und keiner weiß, warum so reich
geraten sind die Primeln.

Muß man das alles kennen? Nein, sicherlich nicht. Aber man kann und darf es — und sich daran erfreuen ...

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