Der Blog »Kreidfeuer« machte mich auf einen Todestag aufmerksam, und obwohl ich seinerzeit (d.h. in meinen »religiöseren« Zeiten) zum katholischen Geistlichen und Dichter Martin Gutl, welcher am 20. August 1994, also heute vor zwanzig Jahren, verstarb, und seinen Werken ein etwas distanziertes Verhältnis hatte, greife ich das Thema gerne auf. Mit vielen seiner Ansichten, Einstellungen und Überzeugungen konnte ich damals (und kann ich bis heute) nicht viel anfangen. Dessen ungeachtet: Martin Gutl war kein Gutmensch, sondern einfach ein guter Mensch, und manche seiner meditativen Gedichte, die einem jungen Menschen wenig bedeuten mögen, lesen sich »an der Schwelle des Alters« stehend, doch anders. Wie beispielsweise dieses, aus der reichen Tradition der Psalmentexte schöpfendes Gedicht, dessen Gedankenwelt mir zwar in manchen Einzelheiten doch recht fern steht, dessen zutiefst poetisch-meditative Struktur mich — und wohl nicht nur mich — dennoch ansprechen kann:
Wenn Gott uns heimführt
aus den Tagen der Wanderschaft,
uns heimbringt
aus der Dämmerung
in Sein beglückendes Licht,
das wird ein Fest sein!
Da wird unser Staunen
von neuem beginnen.
Wir werden Lieder singen,
Lieder, die Welt und Geschichte umfassen.
Wir werden singen, tanzen und fröhlich sein:
denn Er führt uns heim:
aus dem Hasten in den Frieden,
aus der Armut in die Fülle.
Wenn Gott uns heimbringt
aus den engen Räumen,
das wird ein Fest sein!
Und die Zweifler
werden bekennen:
Wahrhaftig, ihr Gott tut Wunder!
Er macht die Nacht zum hellen Tag,
Er läßt die Wüste blühen!
Wenn Gott uns heimbringt
aus den schlaflosen Nächten,
aus dem fruchtlosen Reden,
aus den verlorenen Stunden,
aus der Jagd nach dem Geld,
aus der Angst vor dem Tod,
aus Kampf und aus Gier,
wenn Gott uns heimbringt,
das wird ein Fest sein!
Dann wird er lösen
die Finger der Faust,
die Fesseln, mit denen wir uns
der Freiheit beraubten.
Den Raum unseres Lebens wird Er weiten
in allen Höhen und Tiefen,
in allen Längen und Breiten
Seines unermeßlichen Hauses.
Keine Grenze zieht er uns mehr.
Wer liebt wird ewig leben!
Wenn Gott uns heimbringt,
das wird ein Fest sein!
Wir werden einander umarmen und zärtlich sein.
Es werden lachen
nach langen Jahren der Armut,
die Hunger gelitten.
Es werden singen
nach langen unfreien Nächten
die von Mächten gelitten.
Es werden tanzen die Gerechten,
die auf Erden kämpften und litten
für eine bessere Welt!
Wenn Gott uns heimführt,
das wird ein Fest sein!
Den Verirrten werden die
Binden von den Augen genommen.
Sie werden sehen.
Die Suchenden finden endlich ihr Du.
Niemand quält sich mehr mit der Frage »Warum?«
Es werden verstummen,
die Gott Vorwürfe machten.
Wir werden schauen,
ohne je an ein Ende zu kommen.
Wenn Gott uns heimführt, das wird ein Fest sein!
Der Mensch sät in Betrübnis,
er leidet und reift!
Es bleibt sein Ende
ein Anfang!
Wer sät in Betrübnis,
wird ernten in Freude.
Denn Gott, unser Gott,
ist ein Gott der ewigen Schöpfung,
ein Gott,
der mit uns die neue Erde,
den neuen Himmel gestaltet.
Er läßt uns kommen und gehen,
läßt uns sterben und auferstehen.
Der Sand unserer irdischen Mühsal
wird leuchten.
die Steine,
die wir zusammentrugen
zum Bau unserer Welt,
sie werden wie Kristalle glänzen.
Wir werden uns freuen
wie Schnitter beim Ernten.
Wenn Gott uns heimbringt
aus den Tagen der Wanderschaft
das wird ein Fest sein!
Ein Fest ohne Ende!
Einige weitere Gedichte von Martin Gutl finden Sie hier, auf einer seinem Gedenken gewidmeten kleinen Website.
2 Kommentare:
Carlos Castaneda fand ich besser.
Cher Anonym,
das stimmt uns alle froh für Sie — aber was wollen Sie uns damit eigentlich sagen?
---
P.S.: Goethe finde ich sogar noch besser als Castaneda ...
Kommentar veröffentlichen