... diese Kurzgeschichte »Das Begräbnis« von Wolfdietrich Schnurre. Und einer, der so wenig zum heutigen Tag, Pfingsten, passen will. Man muß sich das teilweise in seiner gestelzten Hilflosigkeit schon peinliche Geschwurbel, das schon bald um diesen Text anhub, nicht antun. Wenn die Gruppe 47 (als deren erster, vom Autor gelesener Text ebendieses »Begräbnis« figurierte — wovon Schnurre zum damaligen Zeitpunkt allerdings nichts wissen konnte, denn diese »Gruppe 47« entstand ja erst im Anschluß) sich zu einem Urteil versteigt:
Seine Kurzgeschichte Das Begräbnis des lieben Gottes, in knapper Sprache geschrieben, ist hart an der Wirklichkeit begründet und gleichzeitig transparent gemacht durch die metaphysische Verkettung. Eine Arbeit von Bedeutung, vielleicht ein Schulbeispiel für den magischen Realismus.
... dann fragt man spontan: »Was soll das, bitteschön,
heißen? Kann das wer in normale Sprache übersetzen? Können sie das vielleicht etwas tranparenter machen, und wenn leicht geht: ohne metaphysische Verkettungen ...?«Das Begräbnis gilt als „repräsentative Nachkriegsliteratur“ und wurde zur „literatur-geschichtlichen Pflichtlektüre der Schüler und Germanisten“.
darf Wikipedia triumphierend schließen. Na, wie schön ... Pflichtlektüren der Schüler kennen wir ja. Früher durften sie Schillers Balladen auswendiglernen, oder (zu meinen Zeiten) halt noch den Faust I lesen. Dann kam die Zeit, als man »Deutschstunde« durchkaute, und eben »Das Begräbnis« (oder die eine oder andere Kurzgeschichte von Böll, denn die Jugend hatte es zunehmend weniger mit langen Texten ...). Heute ist man bei irgendwelchen »Textsorten« gelandet, die es im Zug der Deutschmatura zu bearbeiten gilt. Nichts gegen »Textsorten« — aber den jungen, zu Greta-Vertrottelung gezüchteten Millenials täte richtige Literatur besser, als eine pompöse Aufgabenstellung à la »Schreiben Sie einen Leserbrief«, die ohnedies nur zeitgeistige Plattitüden als zulässig erachtet.
Doch zurück zu Schnurre: »Das Begräbnis« mag ein »epochemachender« Text sein — denn er löste diese, für mein Dafürhalten ziemlich unerträgliche, Gruppe 47 aus. Aber ist er deshalb auch wertvoll?
Wenn ich Schnurres Schattenfotograf zur Hand nehme (an dem ich eigentlich nur die beiden »f« im Titel nicht mag, besonders das zweite — weil ein »Graf« eben was anderes ist als ein »Graph« ...), dann muß ich sagen: Schnurre hat dort auf jeder Seite Wertvolleres geschrieben, als in diesem seinem »Begräbnis« — nein, wollen wir nicht übertreiben: aber auf vielen Seiten jedenfalls! Dennoch: man höre sich diesen Text an. Und sei es nur, um danach einen anderen Schnurre aus dem Regal zu holen, bspw. den »Schattenfotografen«. Auch wenn einen die »f«-Scheibung stört. Es lohnt sich ...
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P.S.: und weil wir gerade beim Begräbnis sind: heute vor dreißig Jahren ist der Autor nach langer, schwerer Krankheit gestorben. Begraben ist er auf dem Waldfriedhof Zehlendorf.
In einem Ehrengrab des Landes Berlin. Wenigstens das hat er dem Gott seiner Geschichte voraus ...
2 Kommentare:
Wer Gott begräbt, wird ihn in seinem eigenen Grab finden. Das erhoffe ich zumindest für Wolf-Dietrich Schnurre.
Dann kam die Zeit, als man »Deutschstunde« durchkaute ----
Apropos - Hatte es ein Aufsatzthema "Die Freuden der Pflicht" - noch dazu im Jugendknast - wirklich und wahrhaftig gegeben? Wenn ja, dann könnten wir Ostgoten noch nicht einmal meckern: Legen Sie ausführlich dar, warum mit dem zunehmenden Endsieg des Sozialismus die Schärfe der Klassenauseinandersetzung unweigerlich zunehmen muß ... Geistiger Sadismus in Vollendung.
D.a.a.T.
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