Samstag, 1. September 2018

Hundert notwendige Gedichte XLVIII: Friedrich Georg Jünger






Im Grase

Wer sich ins Gras legt,
Wer lang liegt, für den ist
Zeit und Mühn nichts.
Wer liegt, der vergißt.

Was sich um ihn bewegt,
Wenn er liegt,
Bewegt ihn sanft mit.
Er wird gewiegt.

Ihn verläßt, ihn flieht
Zahl und Zeit.
Er entrinnt, ihm verrinnt
Lust und Leid.

Weise wird er, still
Wie das Gras, das grüne Moos.
Er bettet sich tief
In der Himmlischen Schoß.

Der Wind kommt und geht.
Die Wolke zieht.
Der Falter schwebt. Der Bach
Murmelt sein Lied.

Halm und Laub
Zittern und flüstern leis.
Wasser und Wind
Gehen im Kreis.

Was kommt, geht. Was geht, kommt
In der Wiederkehr Gang.
In der Himmlischen Bahn
Wird die Welt Tanz, wird Gesang.



Heute vor 120 Jahren, am 1. September 1898, wurde der Dichter in Hannover geboren. Zeitlebens ein wenig im Schatten des älteren und »prominenteren« Bruders Ernst stehend (mit dem ihn stets eine neidlose, enge Beziehung verband), hat er doch einige der schönsten Gedichte der deutschen Literatur des Zwanzigsten Jahrhunderts geschaffen. Es ist entlarvend, wenn Wikipedia seine in den 1960er und 70er-Jahren verblassende Bekanntheit auf die geänderten »Literaturverhältnisse« zurückführt, und so einen genuin marxistisch-leninistischen Begriff verwendet — in der Tat: die marxistischen Kultur-Herostraten der Frankfurter Schule und ihre ach so »kritischen« Studenten der 1968er-Revolte waren dafür verantwortlich. So, wie sie für den Zusammenbruch der geistigen Grundlagen der früheren, der bildungsbürgerlichen Kulturnation Deutschland verantwortlich waren, weil sie aus Ressentiments der niedrigsten Art nicht ertragen konnten, daß es eine Elite gab, zu der sie aufgrund ihrer mediokren Charaktere wohl nie gehören würden.

Mittlerweile ist Friedrich Georg Jünger auf dem Weg, ein »Wiederentdeckter« zu werden. Über den Umweg der Technikkritik — die fundamental verschieden ist von hirnloser Baumumarmungs-Nostalgie à la GrünInnen (doch das merken die in ihrer Beschränktheit halt nicht ...), aber irgendwie »zeitgeistig« anmutet.

Die Geschichte ganz generell, doch auch die Geistesgeschichte schlägt oft wunderliche Kapriolen ...






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