Mit edeln Purpurröten
Und hellem Amselschlag,
Mit Rosen und mit Flöten
Stolziert der junge Tag.
Der Wanderschritt des Lebens
Ist noch ein leichter Tanz,
Ich gehe wie im Reigen
Mit einem frischen Kranz.Ihr taubenetzten Kränze
Der neuen Morgenkraft
Geworfen aus den Lüften
Und spielend aufgerafft –
Wohl manchen liess ich welken
Noch vor der Mittagsglut;
Zerrissen hab ich manchen
Aus reinem Übermut!Mit edeln Purpurröten
Und hellem Amselschlag
Mit Rosen und mit Flöten
Stolziert der junge Tag –
Hinweg, du dunkle Klage
Aus all dem Licht und Glanz!
Den Schmerz verlorner Tage
Bedeckt ein frischer Kranz.
Conrad Ferdinand Meyer — oft als bloßer Vers-Artist geschmäht — versteht es wie nur ganz wenige Dichter, geradezu erschütternde Inhalte in reine, vollendete Form zu kleiden. Diese Gedichte erinnern mich — man verzeihe den gewagten Vergleich — an Teilnehmer an einer Beerdigung, deren Pietät gegenüber dem Verstorbenen ebenso wie ihre Selbstachtung es ihnen nicht erlaubt, sich in ihrer Trauer gehen zu lassen. Man erschrickt über den Schmerz, den man freilich nicht in lauten Klagen, oder in Gesten, sondern nur in den verschleierten Augen erkennt ...
»Hundert notwendige Gedichte« (geordnet nach Autorennamen): Theodor Däubler – Richard Dehmel – Annette Droste von Hülshoff – Joseph von Eichendorff – Albrecht von Haller – Li-Tai-Peh (übertragen von Egmont Colerus) – Conrad Ferdinand Meyer (1) – Anton Wildgans (1) | (2) – Stefan Zweig.
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