Freitag, 4. Oktober 2013

Über den Tapetentür-Mann

... (und hier bitte ich die vielen, ja weitaus überwiegend deutschen Leser dieses Blogs, die sich endenwollend für die Befindlichkeiten der österreichischen Polit-Szene interessiert zeigen, um Nachsicht — aber dieser Blog wird halt von einem Österreicher geschrieben! Love it or leave it ...) habe ich schon mehrmals kleine und größere Spitzen auf diesem Blog geäußert. Nun gibt es über ihn und seine Rolle beim Zustandekommen der neuen, kleinen »großen Koalition« einen g'scheiten Artikel aus der Tastatur von Rainer Nowak (derzeit »Presse«-Chefredakteur). Wer meinen Blog kennt, der weiß, daß ich Nowak so im Prinzip nicht wirklich ausstehen kann. Aber in letzter Zeit mehren sich bei ihm die lucida intervalla — und er bekommt mehr und mehr Artikel zustande, die ich ihm früher einfach nie zugetraut hätte. Also stimmt es vielleicht doch, daß Gott dem, dem er ein Amt gibt, auch den Verstand ... — nein, kann nicht sein, sonst wären Faymännchen und Spindi nicht die Pfeifen, die sie ohne jeden Zweifel sind!

Wie auch immer: Nowak schreibt zunehmend Artikel, die Durchblick verraten! Nicht immer, noch nicht einmal überwiegend — aber gelegentlich, und immer öfter. So wie eben diesen hier:
Die Tapetentür zur FPÖ geht nicht mehr zu

Heinz Fischer bleibt vermutlich der merkwürdigste Moment seiner Karriere erspart: die Angelobung einer rot-blauen Regierung. Schade eigentlich.

Der Moment wird ein Bild für Geschichtsbücher sein: Das vermutlich letzte Mal wird eine Große Koalition angelobt. Das vermutlich letzte Mal wird Heinz Fischer aus der Tapetentür treten und zufrieden großväterlich lächeln. Das letzte Mal werden die (in)offiziellen Vertreter von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer als Regierungsmitglieder Schultern klopfend angelobt. Das letzte Mal wird das in eine Regierung gegossene gemütlich behäbige Österreich in Kameras lächeln. Das letzte Mal wird alles sein, wie es in der Welt Heinz Fischers immer sein sollte.

Gut, eine SPÖ-Alleinregierung mit Zweidrittelmehrheit wäre in der Hofburg willkommen. Selbst eine Ampelkoalition aus SPÖ, Grünen und Liberalem Forum – an Neos wird sich Fischer nicht so schnell gewöhnen – würde er angeloben. Tief drinnen aber lehnt Fischer Experimente ab. Es könnte sich alles ändern!

(Hier weiterlesen)
Nein: ich stimme keineswegs mit allen und jeden Einschätzungen des Artikels überein. Aber manches ist so klarsichtig und zugleich »hinterlistig« (»g'feanzt« würde der Wiener sagen) an Wahrheiten in diese paar Absätze verpackt, daß einem das Herz im Leibe lacht (und manchen das Lachen im Halse stecken bleibt). Lesen! Und verstehen, warum das bekannte Diktum, daß Österreich »die kleine Welt, in der die große ihre Probe hält« sei, nicht ohne Berechtigung gesagt wurde. Und bekanntlich nicht einmal von einem Österreicher ...

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P.S.: der Kommentarposter »Anmerkung« erhellt zusätzlich die selbstverschuldete politische Patt-Situation der SPÖVP:
Sehr treffend …
... was Herr Nowak schreibt: "Der eigentliche Wahlerfolg Straches fand nicht bei der Wahl am Sonntag, sondern in den Tagen danach statt: In der SPÖ bricht eine Diskussion über den Umgang mit der FPÖ los."

In ähnlicher Weise, wie der Schuss der SPÖ - die roten Spin-Doktoren wollten mit einem vermeintlichen Pappkameraden aus Kanada so viele Stimmen aus dem "bürgerlichen" Lager abziehen, dass sich eine Koalition SPÖ/Grüne/Stronach ausgehen sollte - nach hinten losgegangen ist, so geht jetzt auch der Schuss der ÖVP, mit der FPÖ-Koalitionsdrohung die Roten noch mehr zum Nachgeben zu zwingen, nach hinten los.

Ein Debakel der roten und schwarzen "Parteistrategen".

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