Sonntag, 23. Oktober 2022

Ein »Sandwich-Kind« der Musikgeschichte (Teil 2)

(Fortsetzung von Teil 1)

von LePenseur

 

 
Nach den Klaviersonaten Czernys No. 1 bis No. 5 kommen wir nun zu einem der beeindruckendsten Klavierwerke aus Carl Czernys Schaffen, auch einem, die gesamten Musikgeschichte mit ihren doch so zahlreichen großartigen Klavierwerken betrachtend, ebenfalls sehr eindrucksvollen und überzeugenden Meisterwerk, nämlich der Klaviersonate No. 6 in d-moll, op. 124:


Schon der Umfang des Werks ist überwältigend: es sind sieben Sätze mit einer Gesamtdauer von über 50 Minuten — spontan fällt einem Beethovens opus magnum, die sogenannte »Hammerklaviersonate« No. 29, op. 106, als Vergleich ein. Nun, dieser Beethoven ist vielleich ein klein wenig (aber wirklich nicht allzu viel) zu hoch gegriffen, aber die 6. Sonate von Czerny sollte auch hartnäckige Skeptiker von der Genialität dieses von der Musikgeschichte so grausam unterschätzten »Tastentigers« überzeugen!
 
Daß das Werk von Carl Czerny sicher in Gedanken an seinen verehrten Lehrer Beethoven komponiert wurde, legt auch der Umstand nahe, daß es im Todesjahr Beethovens erschienen ist und manches mehr oder weniger versteckte kurze Zitat — z.B. der Appassionata — sicher nicht unbeabsichtigt (oder gar in plagiatorischer Absicht) hineingenommen wurde.

Ein Youtube-Poster hat dankenswerterweise die einzelnen Teile des Monumentalwerks mit genauen Zeitangaben versehen — unbekannterweise herzlichen Dank dafür!
 
00:02 - 1. Satz: Introduzione in d-moll
03:04 - 2. Satz: Capriccio Appassionato in d-moll
15:31 - 3. Satz: in B-dur, eine Art Rondo, allerdings ABACBAB statt ABACABA.
23:21 - 4. Satz: Scherzo in D-dur 
26:09 - 5. Satz: Thema und Variations in d-moll. Theme: Cantique de la Bohème Varié, in d-moll | 28:11 - Variation 1 in d-moll | 30:08 - Variation 2 | 31:53 - Variation 3 | 33:38 - Variation 4 in D-dur | 35:37 - Variation 5 in d-moll 
38:10 - 6. Satz: Scherzo in g-moll
41:36 - 7. Satz: Finale in d-moll

Ein anderer Hinweis unter dem Video verrät uns, daß die Zahl der Notenblätter dieser Czerny-Sonate das Doppelte der berühmten 2. Klaviersonate von Sergei Rachmaninow beträgt. Nun bedeutet Quan-tität nicht notwendig Qualität ... aber Czernys No. 6 braucht sich vor Rachmaninows No. 2 wirklich nicht zu verstecken!

Die erheblichen technischen Schwierigkeiten der Sonate mögen neben der heute totalen Unbekanntheit des Werkes (und dem »verbrannten« Namen des Komponisten) ein gewichtiger Grund sein, daß sich die Pianisten unserer Zeit scheuen, dieses eindrucksvolle Werk in ihre Programme aufzunehmen.

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Ebenfalls aus dem Todesjahr Beethovens, 1827, datiert die Klaviersonate No. 7 in e-moll, op. 143 — auch sie legt in Ausdruck und Ernst den Gedanken an ein Werk zum Gedächtnis an den verstorbenen Meister nahe:
 

Das Werk ist fünfsätzig:
00:00 - 1. Satz: Allegro spirituoso
07:14 - 2. Satz: Andante. Sempre legato  
11:33 - 3. Satz: Scherzo. Allegro vivo  
16:39 - 4. Satz: Allegretto 
20:02 - 5. Satz: Finale. Allegro molto 
 
Nach dem überwältigenden Eindruck der 6. Sonate hat es diese kürzere, »leichtere« Sonate natürlich schwer, zu bestehen — aber sie ist ein Klavierwerk großer Schönheit und meisterlicher Durcharbeitung und sollte für sich genommen eigentlich ebenso eine Wiederentdeckung wert sein!
 
Der dritte Teil wird sich mit den Sonaten No. 8 bis No. 11 beschäftigen.

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