Sonntag, 7. Oktober 2018

Er stand (und steht) im Schatten seines jüngeren Kollegen



... aus dem er erst jetzt, langsam und zögernd heraustritt: Sir (Charles) Hubert Hastings PARRY, Bt. (27.2.1848 – 7.10.1918), der heute vor hundert Jahren verstorben ist. Der im Titel genannte Kollege war natürlich Sir Edward ELGAR, Baronet wie er, und — das sei konzediert — wohl der »genialere« Komponist von beiden. Dennoch: die Vergessenheit, in der Sir Hubert jahrzehntelang schlummerte, war nicht gerechtfertigt ...

Man nehme sich nur ein wenig Zeit, um in seine fünf Symphonien »hineinzuhören«! Ja, da will auch bisweilen etwas von Johannes Brahms (nur in der Stimmungslage, nicht als Plagiat) mitschwingen — aber macht das die Musik ein Jota weniger hörenswert?

Gleich seine Symphonie Nr. 1 (1882) läßt — ex ungue leonem — trotz noch mancher minimaler Unfertigkeit den kommenden »Löwen« klar erkennen:


Ein erfrischendes, bei aller Melodienseligkeit zugleich ernstes Werk, über das ein Kommentarposter auf Youtube völlig richtig bemerkt: »... if I needed cheering up, I would listen to an early Schubert symphony or maybe a Parry Symphony ...«

Schon die nur ein Jahr später erschienene Symphonie Nr. 2 in F-dur, die den Titel »Cambridge« trägt, zeigt die beeindruckende Entwicklung, die der damals mit 35 Jahren in der Mitte seines Lebens stehende Komponist (er starb mit siebzig) in kurzer Zeit genommen hatte:


Wikipedia hat sicherlich nicht unrecht, wenn sie über den Kompositionsstil schreibt: »Parrys eigene Musik ist stark von Bach und Brahms geprägt.« Aber es darf das genuin »Englische« seines Stils darüber nicht überhört werden (Parry bereitete als Professor für Musikgeschichte am Royal College of Music die Grundlagen der späteren »English Musical Renaissance« um Ralph Vaughan Williams den Boden vor).

Die 1889 folgende Symphonie Nr. 3 in C-dur trägt nicht ohne Berechtigung die Bezeichnung »The English« — in der Tat tragen wenige Werke vor Elgar so deutlich die Merkmale eines »britischen Nationalstils«:


Obwohl alle Sätze ihre je eigenen Stärken Schönheiten ausweisen, so überzeugt doch das quasi »im Volkslied-Ton« in heiterer Gelassenheit dahinfließende Finale besonders.

Auch die im selben Jahr 1889 entstandene Symphonie Nr. 4 in e-moll (Parrys erste in einer Moll-Tonart) beeindruckt in der thematischen und formalen Meisterschaft der der Komponist inzwischen mühelos beherrscht:


Die deutlich später komponierte Symphonie Nr. 5 in b-moll (1912), die im Vergleich zu ihren vier Vorgängern mit ca. 27 Minuten verhältnismäßig kurz ist (und bis zu den Gesamteinspielungen der fünf Symphonien bei Naxos lange Zeit die einzige auf Tonträger verfügbare war) ist unzweifelhaft ein Meisterwerk des Altmeisters Parry: wenn eine Symphonie die Bezeichnung »Brahms-Symphonie des 20. Jahrhunderts« verdient, dann diese! Nicht, weil sie in irgendeiner Weise eine Plagiat, oder das schwächliche Werk eines Epigonen wäre, sondern weil sie den ernst-zergrübelten Charakter gerade der symphonischen Meisterwerke von Brahms in überzeugender Weise »wiederzuspiegeln« weiß:


Wie eine Ironie der Musikgeschichte mutet es an, daß Sir Hubert Parrys einziges konstant bis heute populär gebliebenes Werk, die Chor-Hymne »Jerusalem«, ihre durchschlagende Publikumswirkung in unzähligen Konzerten der »Proms« (und anderswo) in der Instrumentation durch jenen jüngeren Meister, Edward Elgar, in dessen Schatten Hubert Parry bis heute steht, entfaltet. Dennoch — welch passenderer Abschluß für dieses Gedenken wäre wohl möglich?



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