Volkssport Verrat: Die Rückkehr der Inoffiziellen Mitarbeiter
Richard Sorge wusste, dass Verrat auch Gutem dienen kann.
Markieren, überwachen, melden und anzeigen - mit Behörden und überstaatlichen Institutionen zusammenzuarbeiten, hat sich im Deutschland des Jahres 25 nach dem Ende der DDR-Staatssicherheit zum Volkssport entwickelt. Seriöse Zeitschriften machen mit, Tageszeitungen geben Anzinktipps, Bundesminister geben in Blättern, die einst selbst wegen abweichender Meinungsäußerungen verboten waren, hilfreiche Hinweise dazu, wie ein meinungssicherer Mob gemeinsam so viel Druck auf Internetanbieter ausüben kann, dass der "schlimme Kommentare" (Der Westen) so mal rein vom Gefühl her weglöscht. Und die dafür Verantwortlichen "mit aller Härte " (Sigmar Gabriel) bestraft.
Ein Wertewandel erfasst die ganze Gesellschaft, begründet einen neuen Maßstab von Anständigkeit und nimmt den jahrtausendealten moralischen Bann vom Spitzel, der sich seit August Heinrich Hoffmann von Fallersleben immer sagen lassen musste: "Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant."
Das war einmal. Galten inoffizielle Mitarbeiter des Mielke-Ministeriums in der zweiten deutschen Diktatur noch als Haderlumpen, die ihre Mitmenschen verrieten, nur weil die bestimmte Ansichten vertraten, bestimmte Klamotten trugen, in bestimmten Kreisen verkehrten und die Regierung oder aber das gesamte System ablehnten, erlebt der Denunziantin diesen Tagen eine Widergeburt als freiwilliger Helfer der Postdemokratie: Er zeigt den falschen Pullover an, und der Träger verliert seinen Job. Er notiert fragwürdige Kommentare und wohnt den folgenden Konsequenzen als Zuschauer bei.
Den Mut haben heutige Beamte, die selbst unter der Drohung der Denunziation arbeiten müssen, freilich selten. Politiker nie — und warum denn auch? Sie sind es schließlich, die davon am meisten profitieren, ihre Gegner durch diese Methode abservieren zu lassen ...
Rechtsstaat? Daß ich nicht lache! Wie lautet doch schnell das Zitat oben in der Titelzeile ...?
P.S.: dazu paßt (wenn auch nicht auf den ersten Blick, aber eben doch wie angemessen) ein Zitat, das Michael Klonovsky in seinen »Acta diurna« heute (1.9.2015) veröffentlichte:
"Entgegen allen Verlautbarungen (...) leben wir heute gerade nicht in einer 'pluralistischen' Gesellschaft. Es gab sie etwa in Weimar, als es ein nationales, ein kommunistisches, ein katholisches, ein sozialdemokratisches etc. Milieu gab – mit den entsprechenden Ideologen, Zeitschriften, Verlagen usf. Davon kann keine Rede mehr sein. Wir haben heute nur ein einig Volk von Verfassungspatrioten", notierte Günter Maschke vor 30 Jahren in seinem glanzvollen Essay "Die Verschwörung der Flakhelfer", der vielleicht profundesten Analyse deutscher Nachkriegsbefindität, die ja letztlich darin besteht, dass wir in einem Land leben, "in dem jeder zum Verfassungsfeind des anderen werden kann".
Es gibt eine kleine Gruppe die die Ideale des Liberalismus hochhält. und dafür entweder belächelt oder mit der Nazikeule behandelt wird. Lustigerweise ist noch niemand auf die Idee gekommen diese Gruppe links zu nennen.
AntwortenLöschenMan merke als liberal ist heute rechts. Das bedeutet mit ziemlicher Sicherheit schlimme Zeiten....