... übernahm nach dem Rücktritt von Egon Krenz (SED) der letzte Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Prof. Dr. Manfred Gerlach, dieses Amt, welches er bis zur Einberufung der neugewählten Volkskammer am 5. April 1990 ausübte.
Er war einer der wenigen DDR-Politiker, die sich bei/nach der »Wende« nicht bloß in wortreichem Wegschieben und Beschönigen ergingen, wenn es um die Frage ihrer konkreten Mitverantwortung für die Verbrechen des DDR-Regimes ging. Sicherlich: wie jeder Mensch war auch er bemüht, seine Ziele und Absichten in positivem Licht dastehen zu lassen. Doch in seinem Buch »Mitverantwortlich: Als Liberaler im SED-Staat« (Berlin 1991) findet er nicht nur über die SED und andere Blockparteien, sondern auch über »seine« LDPD, und eben sogar explizit über seine eigene, persönliche — und, wie er eingesteht, oft nicht gerade mutige! — Rolle im Gefüge der DDR-Spitzenpositionen offene Worte.
Gerlach war kein Held und Widerstandskämpfer. Er war ein Zauderer und Konsenspolitiker, der sich lange, allzu lange, mit der bequemen Rolle eines zwar protokollarisch geachteten, aber tatsächlich ganz einflußlosen Chefs einer Satellitenpartei der herrschenden SED abfand. Im Gegensatz zu den anderen Blockparteivorsitzenden — Götting, Homann und Maleuda —, die weiterhin jede Drehung und Wendung Honeckers und seiner SED brav mitmachten, erwachte er aber um das Jahr 1980 aus seiner »politischen Trance«, und begann zögerlich und voll Vorsicht eigene Gedanken über eine Reform des völlig verkalkten und verkrusteten DDR-Systems anzustellen.
Das erscheint auf den ersten Blick nicht viel — war aber doch deutlich mehr, als alles andere, was zu dieser Zeit von Politikern der DDR gewagt wurde. Und nicht nur der DDR, wie man gleich hinzufügen muß! Die SPD der Bonner Republik war nur zu gern bereit, mit den entfremdeten Brüdern von der SED guten Kontakt zu halten, bei den DGB-Kongressen waren Delegationen des FDGB stets willkommene Gäste, sogar Kohl rollte um des lieben Friedens willen für Honecker den roten Teppich aus, und Strauß war mit Schalck-Golodkowski über eine enge Jagd- und Männerfreundschaft verbunden, die ebenso effektiv wie wenig bekannt war ...
Gerlach vertat mit seinem Zögern, mit fliegenden Fahnen ins Lager der Wiedervereinigungsjünger zu eilen, und dort begeistert den »Wir-wollten-doch-immer-schon-zusammen«-Refrain anzustimmen, für sich jede Chance, als Wendehalspolitiker in der Rolle als soignierter elder statesman unter der neuen FDP-Geschäftsleitung zu reussieren. Dennoch — oder: genau deshalb! — ist er mir weit sympathischer als all jene, die 1989/90 auf einmal erkannten, daß sie in Wahrheit doch schon immer gegen den realen »Sozialismus in den Farben der DDR« gewesen waren.
Vor etwas mehr als drei Jahren, am 17. Oktober 2011 ist Manfred Gerlach, 83-jährig, nach langer, schwerer Kankheit verstorben. Das letzte veröffentlichte Photo zeigt einen fragil-verletzlichen Greis, der uns mit unsicherem Lächeln entgegentritt. Der Gestus, mit dem Gerlach sein LDPD-Parteiabzeichen vorzeigt, verrät zugleich, wie sehr ihm diese Partei, der er faktisch seit ihrer Gründung angehört hatte, und die er viele Jahrzehnte lang als Generalsekretär und schließlich Vorsitzender leitete, am Herzen lag.
Man wird ihm sicherlich nicht den Vorwurf ersparen können, zu sehr Funktionär gewesen zu sein, zu sehr Kompromisse eingegangen zu sein, um seine Position in dieser Partei zu wahren und zu sichern. Und dennoch ...
Wer es in seinem Leben anders tat, wer den Verlockungen gesicherter und prestigeträchtiger Positionen nicht nachgab, sondern (um Marwitz zu zitieren) »Ungnade wählte, wo Gehorsam nicht Ehre brachte« , der möge einen Stein werfen. Und nur der ...
Gerlach war kein Held und Widerstandskämpfer. Er war ein Zauderer und Konsenspolitiker, der sich lange, allzu lange, mit der bequemen Rolle eines zwar protokollarisch geachteten, aber tatsächlich ganz einflußlosen Chefs einer Satellitenpartei der herrschenden SED abfand. Im Gegensatz zu den anderen Blockparteivorsitzenden — Götting, Homann und Maleuda —, die weiterhin jede Drehung und Wendung Honeckers und seiner SED brav mitmachten, erwachte er aber um das Jahr 1980 aus seiner »politischen Trance«, und begann zögerlich und voll Vorsicht eigene Gedanken über eine Reform des völlig verkalkten und verkrusteten DDR-Systems anzustellen.
Das erscheint auf den ersten Blick nicht viel — war aber doch deutlich mehr, als alles andere, was zu dieser Zeit von Politikern der DDR gewagt wurde. Und nicht nur der DDR, wie man gleich hinzufügen muß! Die SPD der Bonner Republik war nur zu gern bereit, mit den entfremdeten Brüdern von der SED guten Kontakt zu halten, bei den DGB-Kongressen waren Delegationen des FDGB stets willkommene Gäste, sogar Kohl rollte um des lieben Friedens willen für Honecker den roten Teppich aus, und Strauß war mit Schalck-Golodkowski über eine enge Jagd- und Männerfreundschaft verbunden, die ebenso effektiv wie wenig bekannt war ...
Gerlach vertat mit seinem Zögern, mit fliegenden Fahnen ins Lager der Wiedervereinigungsjünger zu eilen, und dort begeistert den »Wir-wollten-doch-immer-schon-zusammen«-Refrain anzustimmen, für sich jede Chance, als Wendehalspolitiker in der Rolle als soignierter elder statesman unter der neuen FDP-Geschäftsleitung zu reussieren. Dennoch — oder: genau deshalb! — ist er mir weit sympathischer als all jene, die 1989/90 auf einmal erkannten, daß sie in Wahrheit doch schon immer gegen den realen »Sozialismus in den Farben der DDR« gewesen waren.
Vor etwas mehr als drei Jahren, am 17. Oktober 2011 ist Manfred Gerlach, 83-jährig, nach langer, schwerer Kankheit verstorben. Das letzte veröffentlichte Photo zeigt einen fragil-verletzlichen Greis, der uns mit unsicherem Lächeln entgegentritt. Der Gestus, mit dem Gerlach sein LDPD-Parteiabzeichen vorzeigt, verrät zugleich, wie sehr ihm diese Partei, der er faktisch seit ihrer Gründung angehört hatte, und die er viele Jahrzehnte lang als Generalsekretär und schließlich Vorsitzender leitete, am Herzen lag.
Man wird ihm sicherlich nicht den Vorwurf ersparen können, zu sehr Funktionär gewesen zu sein, zu sehr Kompromisse eingegangen zu sein, um seine Position in dieser Partei zu wahren und zu sichern. Und dennoch ...
Wer es in seinem Leben anders tat, wer den Verlockungen gesicherter und prestigeträchtiger Positionen nicht nachgab, sondern (um Marwitz zu zitieren) »Ungnade wählte, wo Gehorsam nicht Ehre brachte« , der möge einen Stein werfen. Und nur der ...
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