Wie mittlerweile bekanntwurde, wussten nämlich Vertreter der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die Berliner Provenienzforscherin Meike Hoffmann, mehrere Beamte des bayerischen Justiz- wie auch des bayerischen Wissenschaftsministeriums ebenso seit Monaten über den Kunstfund Bescheid wie Mitarbeiter des dem Bundesfinanzministerium unterstellten Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen. Doch niemand hielt es in den 20 Monaten seit der Beschlagnahmung für nötig, Opfervertreter, Museen, aus denen die Kunstwerke stammen könnten, oder die Öffentlichkeit zu informieren. [...]Ja, was macht man in so einer Situation? Empören, natürlich! Schon eine Frechheit, daß die Museen, deren damalige Betreiber (nämlich die damals eben von NS-Anhängern geleiteten Museumsverwaltungen) irgendwelche halbabstrakte Klexereien oder expressionistisch verzerrte Grimassenbilder einfach loswerden wollten (und an Gurlitts Vater auch loswurden), das jetzt nicht einfach beim Erben entschädigungslos beschlagnahmen dürfen, wo solche Bilder auf einmal viel Kohle wert sind. Na, mir kommen gleich die Tränen ...
Rückforderungsfristen abgelaufen
Doch eventuell hätte selbst eine frühzeitige Veröffentlichung der Bilder allenfalls die Sensationslust befriedigt. Denn immer mehr Juristen sind der Ansicht, dass es vermutlich keine juristische Handhabe gibt, die beschlagnahmten Werke an jemand anderes als Gurlitt zurückzugeben. Unstrittig ist, dass die derzeit geschätzt 300 Bilder aus dem Privatbesitz der Familie schnell an ihn zurückgehen müssten. Aber auch für Bilder der sogenannt entarteten Kunst und vermutlich sogar für die nach der Prüfung als NS-Raubkunst identifizierte Werke könnte dies gelten. Denn es gibt offenbar keine juristische Grundlage dafür, dass sogenannt entartete Kunst an diejenigen Museen restituiert wird, aus denen sie von den Nazis im Zuge der Säuberungsaktionen entfernt worden war. Und laut Experten sind auch die Fristen, innert deren man gemäss deutschen Gesetzen Raubkunst zurückfordern kann, abgelaufen. Das in den letzten Tagen vielzitierte «Washingtoner Abkommen», wonach Raubkunst identifiziert und zurückgegeben werden sollte, gilt nicht für Privatleute und ist zudem auch kein verbindliches Recht.
Tränen kommen freilich auch den professionellen Holocaust-Gedächtnisverwaltern, denn ihnen droht eine lukrative Empörungsinszenierung den Bach der Geschichte runterzugehen. Werden doch durch natürlichen Wegfall die tatsächlichen Opfer der Nazi-Zeit immer seltener und drohen demnächst gänzlich auszusterben! Was täte dann die Holocaust-Gedächtnisindustrie? Die wäre doch glatt arbeitslos, und das darf einfach nicht sein. Aber, keine Bange man weiß sich schon zu helfen:
Zentralratspräsident Graumann schäumt: Den "Opfern von damals" müsse zu Würde verholfen werden.... weiß »Die Presse« zu berichten. Und da jeder weiß, daß die Deutsche Regierung und ihr Beamten- und Justizapparat vor jedem — und erst recht einem »schäumenden« — Präsidenten des Zentralrats der Juden in jede Hose machen, die er ihnen hinhält, kann davon ausgegangen werden, daß das corriger la fortune à la Graumann den Sieg über den Rechtsstaat davontragen wird.
[...] "Nachdem die ganze Sache über 18 Monate hinweg fast konspirativ behandelt wurde, ist nun der Schnellschuss einer pauschalen Rückgabe sicher auch der falsche Weg", kritisierte der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, in der "Süddeutschen Zeitung". Bei Fällen von möglicher Raubkunst seien Sensibilität und Verantwortung gefragt; es gehe "nicht nur um den Rechtsanspruch auf Restitution". Die Sache besitze auch eine "moralische und historische Dimension". Es liege nun in der Verantwortung der Politik, "den Opfern von damals zur Würde von heute zu verhelfen". Der Jüdische Weltkongress hatte zuvor eine Änderung der Verjährungsfristen gefordert, um die Rückgabe von NS-Raubkunst zu erleichtern.
Dem kann man natürlich unschwer durch ein zweckmäßig eingeleitetes Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung (et al.) »nachhelfen«, denn ohne Zugriff auf seine Bilder wird Gurlitt eine effektive Verteidigung gegen eine Phalanx von Staats- und Rechtsanwälten nicht finanzieren können — und »zur Sicherung des Abgabenanspruches« läßt sich eine weitere Zurückbehaltung der Bilder jederzeit als völlig rechtsstaatliche Maßnahme verkaufen. Und wenn Gurlitt dann das Wasser bis zum Hals steht, kann man ihm gegen »freiwillige Übergabe« seines Eigentums wenigstens Haftverschonung anbieten. Großzügig, wie unser »Rechtsstaat«, diese Bananenrepublik Deutschland, nun mal ist.
Endgültig unappetitlich wird's freilich am Schluß des Artikels, wenn es süffisant dahingeschlenzt heißt:
Erben, welche die ihren Vorfahren von den Nazis geraubten Bilder zurückhaben möchten, haben also zwar zweifellos einen moralischen, aber möglicherweise keinen juristischen Anspruch auf «ihre» Bilder. Sie sind somit auf das Entgegenkommen von Gurlitt angewiesen. Doch der will alle Bilder wiederhaben, wie er kürzlich sagte. Doch wie und wo er dann die jetzt weltweit bekannten Werke schützen will, das ist völlig unklar. Fraglich ist, ob er das überhaupt richtig einschätzen kann.Was dafür der Leser fraglos völlig richtig einschätzen kann, ist die Unverfrorenheit, mit der da — in Klartext übersetzt — gesagt wird: »Stellen wir einfach die Bilder ins Internet und weisen ihn dann darauf hin, daß er bei einem "zufälligen" Einbruch alles verlieren wird! Dieser alte Drecksack verdient es nicht besser und hat keine Alarmanlage in seiner Wohnung — und an der Versicherung für den ganzen Schamott ginge er ohnehin pleite! Aber so wird er sich mit uns wohl "einigen" müssen ...«
Da kann man eigentlich nur sagen:
Ich stelle mir vor, ich wäre in vergleichbarer Situation wie Gurlitt:
AntwortenLöschenNach Rückgabe wenigstens eines Teils der Bilder (es wird von ca. 300 gesprochen) Umzug in die CH. Alsdann Verkauf derselben; jedenfalls zu größten Teilen.
Den ganzen Rest nach Rückerstattung in einer gemieteten Almhütte provisorisch einlagern, mit Heu umhüllen und anzünden. Als Unfall sozusagen.
In diesem Alter kann man sich gut von seinem Eigentum trennen und gleichzeitig unsterblich in die (Kunst-)Geschichtsbücher eintragen.
Das alles unter dem zu veröffentlichen Motto: Ihr habt mir mein Eigentum nicht gegönnt, ich gönne es Euch auch in Zukunft nicht. Und ich befreie Euch für alle Zukunft davor, nochmals Hand an fremdes Eigentum zu legen.
Nichts könnte mich vor diesem finalen Triumph über den Neid und die Raffgier zurückhalten.
Ich stimme Ihnen beiden zu. Wirklich wo kämen wir hin, wenn der Staat nicht einfach noch mehr klauen könnte. Den Vorschlag von quer finde ich einfach nur genial Das wäre die Atlas Shrugged Lösung. Keine Schulden hinterlassen ;-)
AntwortenLöschenDie Entartung gilt heute offenbar nicht mehr in der Kunst, die Entarteten laufen wohl herum und zeigen mal dem normalen wo der Bartl den Most holt.
Und noch was:
AntwortenLöschenDer nette Redakteur der NZZ sollte sich mal den Art. 26 seiner Bundesverfassung zu Gemüte führen.
Möglicherweise bekommt er große runde Augen und röchelt: "Isses möglich???"
Wie sich die Ereignisse gleichen: In der DDR war es üblich, Privatsammler auf ganz ähnliche Weise zu "schlachten". Erst wurde die Sammlung beschlagnahmt und auf einen grotesk überhöhten Wert "hochgeschätzt". Dann wurde gegen den Sammler ein Strafverfahren wegen langjähriger Hinterziehung von Vermögensteuern eingeleitet. Die geschätzten rückständigen Steuern erreichten zusammen mit Zuschlägen und Geldstrafe zufällig den Betrag, auf den die Sammlung zuvor geschätzt worden war. Also wurden die gesamten Kunstwerke unter Anrechnung auf die angebliche Forderung des Fiskus einfach einbehalten. Der Sammler mußte also "nur" noch eine Freiheitsstrafe verbüßen. Von dieser wurde er von der BRD für harte Devisen in den Westen freigekauft. Das brachte der DDR zuletzt weitere 90.000 DM ein. Bis auf den Freikauf gleichen sich die Dinge aufs Haar. Als Jurist, der einmal an den Rechtsstaat geglaubt hat, möchte man sich Grund und Boden schämen.
AntwortenLöschen@quer
AntwortenLöschenBeim "netten" Redakteur des besprochenen NZZ-Artikels handelt es sich um eine Dame: Stephanie Lahrtz, München (im Artikel vermerkt). Soll sie nun wirklich die Schweizerische Bundesverfassung studieren? Die ganze Affäre ist doch wohl eher eine Angelegenheit der deutschen Gesetzgebung.
thysus
Also schön, "Anonym", dann ist es also eine Frau. Und auch die kann lesen. Es ist davon auszugehen, daß hier eine Schweizerin in einer Schweizer Zeitung schreibt. Schweizer haben (oder sollten haben) laut Verfassung ein etwas anderes Verständnis von Eigentum und seinem Schutz.
AntwortenLöschenDemzufolge sollte der Tenor eines solchen Artikels aus Schweizer Sicht eher die Verwunderung über Handhabung von Eigentumsrechten in D zum Ausdruck bringen, statt etwa umgekehrt.
Als Schweizer habe ich genau daran Anstoß genommen. Aber auch die CH kennt in ihren Reihen sozialistisch inspirierte Leute, denen die eigene Verfaßtheit zugunsten Unrechtshandlungen Dritter wurst ist.
Ich verweise hier mal "wieder" auf PPQ
AntwortenLöschenhttp://www.politplatschquatsch.com/2013/11/rechtsstaat-tritt-ruckwirkend-auer-kraft.html
Ist es nicht interessant was Abgeordnete alles "fordern" können?
Gestern gab es wohl in der Jauch-engrube des Staatsfunks eine Labershow zu dem Thema. Ich habe mir allerdings nicht zugetraut, das anzusehen, da allein schon der Name Michael Naumann bei mir Brechreiz im Pornoquadrat auslöst. Das Spiegel-Gesülze zur Sendung bestätigt meine Befürchtungen, gut gemacht, Fonsi. Allein schon beim Begriff "Raubkunst", der so inflationär wie absichtlich falsch verwendet wird, rollen sich mir die Fußnägel auf. "Raubkunst" sind die Bilder zur Zeit, bzw. dann, wenn sie nicht an Gurlitt zurück gegeben werden.
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