Sonntag, 18. November 2012

1002. Wir sind vom Warfare State in den Welfare State gewechselt.

... meint der britische Historiker Niall Ferguson in einem lesenswerten Interview, das »Die Presse« gestern veröffentlichte. An Inconvenient Truth, kann man dazu nur sagen — aber nicht im Sinne jener dem ökommunistischen Zeitgeist nur allzu »convenienten« untruth, die Al Gore & Co. verbreiten ...
DiePresse: Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Weimarer Republik und heute: Deutschland hatte Schulden nach einem Weltkrieg. Wo kommen unsere Schulden heute her?

Wohlfahrt. Wir sind vom Warfare State in den Welfare State gewechselt. Wenn ein Wohlfahrtsstaat von einer großen Finanzkrise getroffen wird, dann wachsen die Schulden sehr schnell. Europa hat nach dem Krieg Sozialstaaten aufgebaut, die Sicherheit von der Wiege bis ins Grab bieten sollten. Dieses System hat so gut funktioniert, dass es heute nicht mehr leistbar ist. Weil es auf Lebenserwartungen von 60 Jahren ausgerichtet war, nicht auf 80 Jahre. Die Finanzkrise hat die Arbeitslosigkeit steigen lassen und auch die Defizite. Wir finden uns in einer Neuauflage der 1920er wieder – in dem Sinne, dass die Schulden sehr hoch sind auch im Vergleich zum Steueraufkommen. Was heute anders ist als damals: Die Menschen sind nicht durch einen Krieg traumatisiert. Die soziale und politische Lage ist nicht so instabil.

Der Sozialstaat ist also verantwortlich für die Schuldenkrise?

Natürlich. Um es einfach zu sagen: Ein Sozialstaat, der erfolgreich die Lebenserwartung verlängert, bekommt ein Problem, wenn das Pensionsalter nicht angehoben wird. Er zerstört sich selbst. Und kaum ein europäischer Staat hat diese Anpassungen vorgenommen. Der andere Punkt ist: Europa hat etwas sehr Instabiles kreiert. Den Euro, die Währungsunion. Die Mitgliedsländer haben sehr unterschiedliche Versionen desselben Problems – müssen aber mit nur einer Geldpolitik leben.

Deutschland hat in den 1920er-Jahren durch die Inflation vielleicht eine kommunistische Revolution verhindert, aber zehn Jahre später war Hitler an der Macht. Glauben Sie, dass es da eine Verbindung gab?

Ja, es gab diese Verbindung. Das traditionelle Argument ist: Die Hyperinflation hat die Mittelklasse traumatisiert. Das ist vielleicht zu einfach. Die Inflation hat den Glauben vieler Deutscher in die Demokratie und den Rechtsstaat untergraben. Weil Schulden mit wertlosem Geld zurückgezahlt werden konnten – legal. Die Inflation hat auch das politische System zerstört und die deutsche Wirtschaft war sehr verwundbar. Die Zinsen waren hoch, wegen des Risikos für Inflation, das nach 1923 immer eingerechnet wurde.
Wenngleich ihm in vielerlei Hinsicht nicht zuzustimmen ist, ist der Artikel dennoch lesenswert. Und Ferguson ist schließlich Historiker, kein Nationalökonom — so entgeht ihm beispielsweise, daß die Zentralbanken mit ihrer lockeren Geldpolitik (die eine notwendige Folge des Umstandes ist, daß sie letztlich immer politisch, nicht ökonomisch agierende, weil politisch bestellte und von der Politik  abhängige Monopolisten sind!) genau jene Probleme (Blasenbildung und darauf folgende Krisen) erst entstehen ließen, die sie dann mit ihren (gewöhnlich eher untauglichen) Aktionen zu bekämpfen suchen.

Fergusson übersieht auch, daß unsere sozialstaatlich alimentierten Prekariate vom herrschenden politischen System gezielt und ganz absichtlich erzeugt und gefördert wurden (und werden) — denn unseren Politikern kommt es eigentlich nur auf eines an: wiedergeählt zu werden, koste es die Steuerzahler, was es wolle. Denn die sind nicht die »Zielgruppe« politischer Umwerbung!

Die wirklichen Steuerzahler sind nämlich weder in der breiten, proletarisierten Masse (die aber bei Wahlen die Mandate bringt), noch in der schmalen Spitze der Superreichen zu finden, die sich's eh immer »richten« können (und dafür mit den Politruks ungeniert die perversesten Zweckbündnisse eingehen), sondern in jenen geschätzten 20% der Bevölkerung, die mit viel Leistung und kreativem Einsatzwillen die Volkswirtschaft in Wahrheit am Laufen halten, und dafür — weil man mit der Vertretung ihrer Interessen keine Mandatsmehrheiten gewinnt — von den Politikern verarscht und abgezockt werden, was das Zeug hält.

Solche Dinge offen an- und auszusprechen, ist wohl nicht die Art eines britischen Gentleman — insbesondere nicht, wenn er als Harvard-Professor tunlichst die Hand nicht beißen sollte, die in füttert. Es ist nämlich die fürsorgliche Hand derer, die »Gottes Geschäft« betreiben, die auch Harvards Institutionen diskret und effizient lenkt. Und die es schon ganz in Ordnung findet, wenn die misera plebs der Leistungsträger für den Erhalt eines politischen Systems, dessen Vorteile Geschäftsträger Gottes nutzen können, ohne ihre Nachteile tragen zu müssen, ausgenommen wird wie die sprichwörtliche Weihnachtsgans.

11 Kommentare:

  1. "...jenen geschätzten 20% der Bevölkerung, die ... von den Politikern verarscht und abgezockt werden, was das Zeug hält."

    Und wen wählen die Verarschten&Abgezockten?

    Warum gibt's keine PVA, keine Partei der Verarschten und Abgezockten?

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    1. Oh viele von denen nennen sich einfach Nichtwähler.

      Nur eine kleine "Korrektur" welfare = war fare. Und zwar geht es um den Krieg der Nehmenden vs den Zwangsgebenden. Eine Wahl hat man nicht wie man als Normalo auch im Krieg keine Wahl hat. Somit ist es egal wie man es nennt es werden immer bestimmte Kreise bekriegt...

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    2. "Oh viele von denen nennen sich einfach Nichtwähler."

      Ja klar, damit erreicht man auch etwas. "Ich behalte meine Stimme" - und die Abzocker lachen sich einen Ast und setzen ihre Ärsche auf die gutdotierten Mandatsplätze.

      Wer nicht wählen geht, hat schon verloren und nichts besseres verdient.

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    3. Oh ja weil ja die Alternativen so wählenswert sind. Welches sozialdemokratisches Schweinchen oder Farbe darf es sein...

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  2. Globale Liquiditätsfalle

    "Die Kaufkraft des Geldes nimmt ab, das Geld entwertet sich, die Waren werden teurer, die Preise steigen (Inflation), wenn die umlaufende Geldmenge im Verhältnis zur Warenmenge vergrößert wird, und wenn das Geld schneller umläuft. Umgekehrt: Die Kaufkraft des Geldes nimmt zu, das Geld wird "besser", die Waren werden billiger, die Preise fallen (Deflation), wenn die umlaufende Geldmenge im Verhältnis zur Warenmenge verkleinert wird, und wenn das Geld langsamer umläuft.
    Kann man aber durch Vermehrung oder Verminderung der umlaufenden Geldmenge die Kaufkraft des Geldes senken oder heben, so muss es auch möglich sein, durch planmäßige Verwaltung des Geldes seine Kaufkraft zu festigen, den Durchschnitt der Warenpreise (den Index) auf gleicher Höhe zu halten (Indexwährung), - vorausgesetzt, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes geregelt ist!
    Gerade an dieser zuletzt genannten Voraussetzung hapert es aber beim Dauergeld (Zinsgeld mit Wertaufbewahrungs(un)funktion). Nehmen wir an, das einzurichtende staatliche Währungsamt, dem die Aufrechterhaltung der Indexwährung obliegt, stellt fest, dass der Index Neigung hat zu steigen. Es wird daher Geld aus dem Verkehr ziehen und umgekehrt, wenn der Index Neigung zeigt zu sinken, wird es zusätzlich Geld in den Verkehr geben. Diese Maßnahmen werden solange wirksam sein, als das Lockmittel des Zinses hoch genug ist, um das Geld umlaufen zu lassen. Sinkt aber bei Vollbetrieb der Wirtschaft die Rentabilität, so wird das Geld immer zögernder investiert werden. Die Geldbesitzer können dieses Geld, das ja keinen Zins mehr bringt, ohne Schaden aus dem Verkehr ziehen, aufhäufen (auf Girokonten liquide halten), unregelmäßig auf den Markt werfen und dadurch die Festwährung stören, woran sie schon deshalb ein Interesse haben, weil sie der Konjunkturschwankungen zur Erlangung der Differenzgewinne (Spekulationsgewinne) bedürfen."

    Otto Valentin (aus "Warum alle bisherige Politik versagen musste", 1949)

    Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Zusammenbruch einer Zinsgeld-Ökonomie (zivilisatorisches Mittelalter) erfolgt nach dem Schema: Liquiditätsfalle > Deflation > Hyperinflation. Weil die Zentralbank keinen Einfluß auf die effektive Umlauffrequenz des Geldes hat, kann sie immer nur Währungspfusch betreiben und durch Geldmengenausweitung die Liquiditätsfalle (kollektiver Rückzug der Ersparnisse aus der langfristigen Anlage) hinauszögern, auf Kosten einer Verkürzung der Zeitspanne von der einsetzenden Deflation bis zur anschließenden Hyperinflation.

    Geld – wie es (noch) ist und wie es sein soll

    Ein "Reset" war bisher nur durch Krieg möglich. Doch eine Anhebung des Zinsfußes durch umfassende Sachkapitalzerstörung konnte nur solange der Vater aller Dinge sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!

    Jüngstes Gericht

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    1. Globale Liquiditätsfalle?

      Oh ja Voodo Puppe + Nadel = realer Schmerz. Das hat man ja in so vielen Filmen schon gesehen. Das muß ja stimmen.


      Am schönsten sind dann Konstrukte wie planmäßige Verwaltung de Geldmenge... Und auch wie sich die Geldbesitzer völlig aus dem Wirtschaftskreislauf ausklinken können. Selbstverständlich haben diese Ausklinker keine Wünsche und Bedürfnisse außer noch mehr Geld anzuhäufen. Leben wollen Sie schon mal "gar" nicht.

      Und es impliziert auch die Rettung. Man muß die bösen Geldbesitzer bestrafen, wenn Sie Ihre Geld nicht schnell genug ausgeben. Stellen Sie sich vor das haben wir heute schon nennt sich Geldentwertung.

      Sarkasmus aus.

      Nein danke, ich habe von deartigen Meinungen schon mehr als genug ertragen müssen. Bitte lassen Sie mich damit ein für allemal in Ruhe.

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    2. Alle von Ihnen genannten Vorurteile habe ich bereits erklärt. Sie hätten sich Ihren sarkastischen Ausbruch also auch sparen können.

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    3. Selbstverständlich, Sie wissen es sind Vorurteile. Ich weiß es ist Blödsinn.

      Wer mir etwas von Liquididätsfallen erzählen möchte, mit dem brauche ich nicht mehr versuchen zu diskutieren. Ich weiß jedes Wort ist da verloren.

      Somit bleibt mir nur. Ich wünsche Ihnen Ihr Schwundgeld (was wir zwar schon haben) und mir wünsche ich ein Geld als Wert ohne Zentralbanken. Sie lassen mich in meiner "Geldwelt" leben und Sie können Ihre geniessen. Aber selbst dazu können sich ja die Voodoo-Gläubigen nicht aufraffen, und leider sind das diejenigen die uns beherrschen.

      Ich danke noch einmal für den Hinweis mit Leuten mit bestimmten Ansichten nicht zu diskutieren. Es ist sinn und zwecklos. Und damit werde ich versuchen mich jedes Kommentars mit "Voodoo"-VWL zu enthalten.

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  3. "...mir wünsche ich ein Geld als Wert ohne Zentralbanken."

    Bei Ihnen ist die "Vertreibung aus dem Paradies" wirklich gelungen.

    Die Rückkehr ins Paradies

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    1. Immer schön philosphisch, nicht wahr?

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    2. Schade das editieren nicht geht. Wie wäre es Sie schauten sich:
      http://lepenseur-lepenseur.blogspot.de/2012/11/1006-sag-zum-abschied-leise.html

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