Manfred Kleine Hartlage hat dieses in den Mainstream-Medien dezent unter den Tisch gekehrte Strategie-Papier in einem exzellenten Artikel unter die Lupe genommen, und die bornierte Heimtücke, ja geradezu Perfidie, die sich als Hintergrund durch alle Punkte dieses umfangreichen Memorandums zieht, herausgearbeitet. Hier nur eine kurze, aber m.E. besonders enthüllende Passage daraus:
Wenn in der politischen Sprache anderer Länder von Werten die Rede ist, dann meist im Zusammenhang mit einer inhaltlichen Konkretisierung – demokratische Werte, liberale Werte usw. Dagegen wäre es höchst befremdlich, wenn das etwa das deutsche Auswärtige Amt von “deutschen Werten” spräche und deren Verbreitung zum Ziel der eigenen Politik erklärte. Es handelt sich wiederum um eine amerikanische Besonderheit. Was immer die Werte sein mögen, von denen hier die Rede ist – und wir werden noch darauf kommen, welche das sind: Eines, das steckt bereits in der Formulierung, sind sie nicht: französische Werte.Mit einem Wort: in Frankreich soll das nachgeholt werden, was die USA in Deutschland nach 1945 bereits »erfolgreich« implimentiert haben: die Brechung jedes Eigenständigkeitswillens, die kritiklose Unterordnung unter den »american way of life«, sodaß das »Französische« bestenfalls noch als Lokalkolorit, als Umgangssprache der politisch und wirtschaftlich bedeutungslosen Massen, und in Kochrezepten vorkommt.
Andere Völker sich selbst, ihren Werten und Traditionen zu entfremden, gilt also durchaus als legitimes Ziel amerikanischer Außenpolitik. Zwar wird in dem Papier so getan, als gehe es darum, die Franzosen zu ihren eigenen Werten zurückzuführen, oder vielmehr zu dem, was die Amerikaner dafür halten. Tatsächlich zeigt aber bereits die Tatsache, dass man solche Anstrengungen von außen überhaupt für erforderlich hält, dass es hier um Umerziehung geht.
Da man die postulierte universelle Geltung “amerikanischer Werte” in der Wirklichkeit nicht vorfindet, ändert man die Wirklichkeit. Ob die Verbreitung “amerikanischer Werte” dazu dient, amerikanische Interessen zu fördern, oder ob umgekehrt die amerikanische Machtpolitik der Verbreitung dieser Werte dient, ist letztlich ein fruchtloses Henne-Ei-Problem – ähnlich wie es auch bei der Sowjetunion unmöglich war, das Verhältnis von Ideologie und Machtpolitik dadurch zu bestimmen, dass man die eine als Funktion der anderen behandelte. Es handelt sich um einander unterstützende Komponenten derselben Politikauffassung. Genau dies, verinnerlicht als Selbstverständlichkeit, steckt in der Formulierung “amerikanische Werte und Interessen”.
Nun ist es angesichts der Zerrüttetheit der USA in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht mehr als fraglich, ob dieses Konzept von einer selbst bereits wankenden Macht überhaupt ernstlich angedacht werden kann. Wer längst am pekuniären Tropf der Volksrepublik China hängt, wessen Notenbankpräsident bereits dunke Andeutungen über einen drohenden Staatsbankrott äußert, der wird wohl nicht mehr wirklich die Kraft haben, jahrhundertelang gewachsene Staaten und Völker umzumodeln. Doch wenn den USA auch die Kraft fehlen dürfte, hier eine Umgestaltung zu bewirken — die Kraft zur Zerstörung der bestehenden Ordnung (die einer Umgestaltung ja zeitlich vorausgeht) werden sie wohl noch haben (ein »flectere si nequeo Superos, Acheronta movebo«, das die Furcht vor dem eigenen Ende mit dem Kitzel des Mitreißens anderer in den eigenen Untergang versüßt). Und genau das macht die derzeitige Situation einer absteigenden (und demnächst vielleicht im freien Fall begriffenen) Weltmacht so labil und so brandgefährlich.
Europas Interesse an einer (nach der UdSSR) zweiten »failed super-power«, die vor ihrem Untergang eine Spur der Verwüstung durch ihren Machtbereich zieht, hält sich wohl in Grenzen! Was freilich nicht bedeutet, daß dies auch eine gleichgelagerte Interessenlage der US-Satrapen impliziert. Diese sind vielmehr zunehmend in der Situation kommunistischer Politbüros der Breschnew-Ära: im genauen Wissen, daß sie keineswegs das Vertrauen ihrer Völker, sondern bloß die willfährige Kollaboration mit US-Interessen an der Macht hält, werden sie lieber ihre Völker und Staaten zerstören, als ihre Pfründen zu gefährden. Und damit in der unvermeidlichen Zeit des Machtvakuums im Niedergang des amerikanischen Empires die Bahn für die neuen Weltmächte — China und ein neues Islamisches Reich — ebnen. Nach dem Motto: après nous le déluge ...
Seltsam, diese Wendung der Dinge.
AntwortenLöschenWas ist besser? Der Zusammenbruch des amerikanischen Kulturimperialismus oder der Verlust des atomaren Schutzschirmes, den wir durch die Amis bisher hatten?
Im Vergleich zu der sich anbahnenden Umbruchssituation 2011 war das Jahr 1989 ein Kindergeburtstag. Wir haben uns in Deutschland damals alle gefreut, aber die Wende in der DDR war eben keine klassische Revolution - eher eine geordnete Übergabe einer Satrapie von Hegemon_2 an Hegemon_1.
Wir müssen Strategien entwickeln, um unsere Kultur zu bewahren. Museen kann man plündern und verbrennen, Schüler bewusst verblöden, Konservative an den Pranger stellen usw. usw. ... aber man darf uns nicht unsere Sprache nehmen!
Viele Grüße
Joachim