Montag, 19. April 2010

Prioritäten

Jetzt wissen wir also, was die oberste Priorität im Pflichtenkatalog eines österreichischen Bundespräsidenten ist (zumindest wenn er Heinz Fischer heißt): im Fall einer Kollision zwischen einem international hochrangig besuchten Staatsbegräbnis in Polen, das gleichzeitig einen historischen Durchbruch in den Beziehungen zwischen Polen und Rußland besiegelt, und einer Wahlkampfsendung in einem Wiener Privat-TV mit 2% Zuseherquote wird letzterem der Vorzug gegeben. Denn die Wiederwahl (die eigentlich, glaubt man den veröffentlichten Umfragen, ohnehin völlig unstrittig ist) geht vor.

Österreich hält sich also einen Bundespräsidenten nicht, damit dieser die Republik nach außen vertritt, sondern dafür, daß er mit satter Mehrheit wiedergewählt werden kann. Für die Vertretung nach außen läßt er sich vertreten — duch den österreichischen Botschafter in Polen. Der ist Teilnahme an Staatsbegräbnisen ja gewohnt. Kaum stirbt irgendwo ein Bürgermeister einer größeren Stadt mit Städtepartnerschaft nach Österreich, muß er einen Kranz niederlegen kommen. Oder wenn irgendein Sejm-Präsident a.D. beigesetzt wird. Oder ein Ex-Minister. Oder halt der polnische Staatspräsident, wenn der Bundespräsident wichtigeres zu tun hat. Eine Wahlkampfdiskussion in ATV, beispielsweise ...

Könnte das vielleicht damit zu tun haben, daß Polens Staatspräsident nicht eben jene von Fischer bevorzugte Couleur aufwies? Daß Fischer wohl ein weites und warmes Herz für stalinistische Diktatoren und kubanische Terroristen hat, aber nicht für einen Präsidenten konservativer Überzeugung, zu dessen Beisetzung er vertretungsweise mit Minimalprotokoll einen Beamten schickt.

Die Sache gewinnt zusätzlich an Pikanterie, wenn man sich vor Augen hält, daß es genau die beabsichtigte Teilnahme an dem Staatsbegräbnis in Krakau war, die als Vorwand diente, die ORF-»Pressestunde« am Sonntag nicht live auszustrahlen, sondern am Samstag aufzuzeichnen und — wie man annehmen darf — in gefällig geschnittener Fassung (wenn HeiFisch etwa ein wenig weniger vorteilhaft dreinschaut, wird geschwind auf einen ehrerbietig lächelnden Journalisten geblendet etc.) am Sonntag vormittags auszustrahlen.

Die Frage ist also nicht ganz unberechtigt, wozu wir uns einen Bundespräsidenten antun sollen, der
  • zwar seinen verfassungsmäßigen Repräsentationspflichten im Ausland nur ungenügend nachkommt; dafür aber
  • genau solche Pflichten vorschützt, um sich vom Staatsfunk ein gefälliges Interview schneiden zu lassen.
Denn nur für Ordensverleihungen und Festspieleröffnungen ist der stattliche Millionenaufwand der Präsidentschaftskanzlei wohl etwas viel hinausgeschmissenes Geld ...

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