Donnerstag, 15. Juni 2023

Vor einigen Wochen wurde

von LePenseur
 
 
... des ersten Deutschen Kaisers, nämlich Wilhelm I, in einem Artikel gedacht. Falsch, werden sofort einige Habsburg-Legitimisten zornig hochfahren: Jahrhundertelang waren schließlich die Habsburger, wenn auch nicht erbliche, so doch quasi in Erbfolge »gewählte« Kaiser!

Ja, stimmt! — aber nicht Deutsche Kaiser, sondern Römische Kaiser, nämlich des »Heiligen Römishen Reichs Deutscher Nation« — und dann Kaiser von Österreich. Aber nie Deutsche Kaiser. Und so, wie sich am 9. März der Todestag jenes ersten Deutschen Kaisers zum 135. Male jährte, so jährt sich heute der Todestag seines tragik-umschatteten Sohnes, Kaiser Friedrich III, der nach nur 99 Tagen Regierung seiner heimtückischen Krebserkrankung erlag.


Der begnadete Porträtist jener Jahrzehnte des Deutschen Kaiserreichs 1871-1918, Anton von Werner, hat in obigem Gemälde den späteren Kaiser Friedrich III noch als Kronprinz, in seiner langen Zeit als Thronfolger seines fast unsterblich scheinenden Vaters, auf einem Hofball des Jahres 1878, also zehn Jahre vor seinem Tode, als stattlichen Mann voll Vitalität und straffer Eleganz dargestellt. Sicher haderte dieser ein wenig mit dem Schicksal, daß sein Vater ihm so lange den Weg zum Thron nicht freimachte, obwohl er ihm voll Pietät den legitimen Platz wohl von Herzen gönnte. Denn wenngleich der Kronprinz, sicher auch unter dem Einfluß seiner englischen Frau, der ältesten Tochter von Königin Viktoria, ohne Zweifel weit liberalere Vorstellungen von seiner Amtsführung hegte als Wilherlm I, der nicht zu Unrecht als der »letzte König von Preußen« bezeichnet wurde und in seinem Wesen sehr viel an genuin preußischem Friderizianismus verkörperte, so war doch das Verhältnis von Vater und Sohn über viele gemeinsame Jahrzehnte insbesondere militärischer Zusammenarbeit zu einem harmoni-schen Miteinander geworden.

 
Wer eine Thronbesteigung Friedrichs eher zu fürchten hatte, war Reichskanzler Fürst Bismarck, dem nicht nur der künftige Monarch, sondern v.a. auch dessen »englische« Gattin mit skeptischer Distanz gegenüberstand! So mengt sich in die gezeigte Betroffenheit Bismarcks über die Krebsdiagnose etwas von einem Gefühl, daß die erwartbar kurze Regierungszeit des Kaisers Friedrich dem Langzeit-Kanzler nicht gänzlich unerwünscht war, hoffte er vermutlich, den nächsten in der Reihe der Thronfolge, den späteren Kaiser Wilhelm II in seiner Unerfahrenheit leichter lenken zu können, als den Kronprinzen Friedrich, der in einigen Fällen sein Unbehagen über Bismarck'sche Winkelzüge und Ränke nicht ver-borgen hatte.

 
Die Frage, wie sich die Geschichte Deutschlands, ja Europas insgesamt unter einer längeren Regierung von Friedrich III entwickelt hätten, ist seriös kaum beantwortbar. Aber man kann doch davon aus-gehen, daß die – über seine Gattin – enge familiäre Beziehung zum britischen Königshof doch manche Härte in der britischen Politik gegenüber dem auftrebenden Konkurrenten Deutschland etwas gemildert hätte – und eine längere Vorbereitung auf die Regentschaft unter diesem Vater hätte auch seinen Nachfolger Wilhelm II sicherlich manch Fehlgriff vermeiden lassen und ihn vielleicht mit größerer charakterlicher Reife den Thron besteigen lassen.

So jedoch bestieg ein nur unzureichend auf das Monarchenamt vorbereiteter Endzwanziger, ein »Twen« voll Unausgeglichenheit und Flausen, den früh verwaisten Thron, zerstritt sich nach wenigen Jahren mit Bismarck, wollte als Kaiser und König das Deutsche Reich durch sein »persönliches Regiment« führen. Ein Unterfangen, dem weder die Zeitgegebenheiten, noch die Anlagen des jungen Monarchen wirklich entsprachen. Deutschlands Hoffnung auf eine solide, aber gemäßigt liberale Staatsführung lag in einem Marmorsarkophag im Mausoleum.


Im zur Seite gebettet ruht seine Frau, »Kaiserin Friedrich«, wie sie sich nannte: gehaßt von Bismarck, kalt ins Abseits geschoben von ihrem Sohn Wilhelm II – auch ein tragisches Schicksal, das sie freilich mit Würde und Unbeugsamkeit trug ...

3 Kommentare:

  1. Aus der Erinnerung: Ich glaube, in seinem Buch "Gedanken und Erinnerungen" schrieb Bismarck, dass am deutschen Hof im Umfeld der englischen Prinzessin Ideen diskutiert wurden, mit Rußland "zu seinem eigenen Besten" Krieg zu führen und es in kleinere Teile zu zerschlagen ( upps, kommt uns das bekannt vor?). Er identifizierte diese Ideen als englische und österreichische, Länder, die ihre eigenen Interessen in Bezug auf Rußland hatten. Aber wir kennen den bismarckschen Satz, dass die Interessen Österreichs im Spannungsfeld der Auseinandersetzung mit Rußland auf dem Balkan die Knochen nicht eines preußischen Grenadiers wert sind. Die Einlassungen der englischen Prinzessin ( im offensichtlich englischen Interesse ) empfand er deshalb als nicht besonders hilfreich.

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  2. Cher (chère?) Anonym,

    Fürst Bismarcks "Gedanken und Erinnerungen" sind zwar ein ebenso stilistisch-literarisch hochwertige wie historisch überaus "spannende" Lektüre — nur würde ich in Anbetracht der bei ihm nachweislich stark ausgeprägten Abneigung gegenüber der (späteren) Kaiserin Friedrich — wie auch gegenüber Kaiserin Auguste, der Gemahlin Wilhelms I, die er geradezu boshaft karikierte — für die Korrektheit seines Berichts meine Hand nicht ins Feuer legen.

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  3. Kommentar von Unbekannt gelöscht - Löschgrund Nr 1. und Nr 2.

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