Sonntag, 5. Januar 2020

Dystopische Zukunftsbilder (4): »Murder, Inc.«


... betitelt sich ein — wie fast immer — lesenswerter Artikel von Eric S. Margolis bei LewRockwell:
The US drone strike at Baghdad airport that killed Iran’s top commander, Gen. Qassem Soleimani, and a senior leader of Iraq’s Shia militia, has set the Mideast on fire. The Trump administration, which authorized the assassination, called it a ’pre-emptive’ strike.  Iran branded it ‘outright murder.’

Soleimani was Iran’s second most powerful figure and a national icon.  He headed up the Quds Force, the elite branch of Iran’s Revolutionary Guards, a key player in Syria, Iraq, Lebanon and the Gulf region. Soleimani was also the most capable, intelligent and effective military leader in a region of third rate generals.
Ob ein jetzt möglicherweise ausbrechender Nahost-Krieg wirklich die US-Wähler so scharenweise ins Lager Trumps treiben wird, bleibt abzuwarten. Bis zum Wahltermin ist es ja noch längere Zeit — und da mag alles mögliche die offensichtliche Wahltaktik konterkarieren. Und: hat Trump bedacht, daß er bei seiner Wahl nicht zuletzt damit gepunktet hat, daß er gegen die kriegstreibende »Falkin« Clinton auf- und angetreten ist? Ob also diese Kreise die Anzettelung eines neuen Nahostkrieges wirklich so goutieren werden, ist zumindest fraglich.

Die Annahme, daß die USA jetzt einfach den Iran niederbomben können, wenn es zu einem Krieg kommt, sollte sich bei einem kurzen Blick auf die Landkarte und in die Geschichtsbücher eigentlich verbieten. Wenn US-»Strategen« mit Rückblick auf den seinerzeit niedergebombten Irak die kecke Lippe riskieren, daß das schon funktionieren würde, dann sollten sie auf ein paar »kitzekleine« Unterschiede achten, die diese beiden Staaten nicht nur in ihrem Endbuchstaben unterschiedlicher machen, als ein oberflächlicher Beobachter aus Washington D.C. meinen möchte:
  • der Irak war und ist ethnisch und religiös ein Mischgebiet. Kurden, Schiiten und Sunniten waren unter sich in erbitterter Gegnerschaft; es gab eine nicht unbedeutende (und wirtschaftlich erfolgreiche) Zahl von Christen diverser Konfessionen, etc.; der Iran ist dagegen religiös und ethnisch weitaus einheitlicher
  • der Irak war vom Persischen Golf aus kaum durch geographische Barrieren geschützt; der Iran ist dagegen bis auf schmale Grenzgebiete durch Gebirgszüge umgeben, und dementsprechend mit Bodentruppen fast nicht einzunehmen
  • der Irak ist ein nach dem Ersten Weltkrieg von Großbritannien geschaffenes Kunstgebilde ohne nationale Identität; der Iran ist hingegen stolz auf die vieltausendjährige Geschichte und Kultur und die persische Sprache, die sich, anderes als in den benachbarten Ländern des Nahen Ostens nicht durch das Arabische (außer im strikt religiösen Kontext) verdrängen ließ
  • der Iran ist die »Hochburg« des Schiitismus — und wird deshalb von den fanatischen Sunniten (insbes. in ihrer wahabitischen Spielart)ebenso gehaßt, wie er diese seinerseits haßt! Der Irak beherbergt zwar die höchsten Heiligtümer der Schiiten, war und ist aber immer schon ein konfessionelles Mischgebiet gewesen, in dem traditionell die Sunniten den Ton angaben.
Unter solchen Umständen wird ein Krieg gegen den Iran weit weniger ein »Spaziergang« als gegen den Irak werden — und die Unzufriedenheit der iranischen Bevölkerung mit dem Mullah-Regime wird im Fall existenzieller Bedrohung der iranischen Nation vermutlich schnell in den Hintergrund treten.

Und daß Rußland einfach hinnehmen würde, an der Südküste der Kaspisee, nur durch ein paar hundert Kilometer Aserbaidschan getrennt, einen US-Satelliten als Nachbarn zu haben, oder China, seinen wichtigsten, von den USA unabhängigen Erdöl-Lieferanten zu verlieren, ist auch recht naiv. Wie die USA (womöglich mit Unterstützung der Saudis?) den Iran niederringen wollen, wenn der von Rußland und China aus dem Hintergrund gestützt wird, wird wohl auch ein Rätsel bleiben, für dessen Lösung man den »Geostrategen« im Pentagon nur eine Extraportion Glück und schönes Wetter wünschen könnte, wenn man denn hirnlos genug wäre, zu glauben, daß eine weltweite »pax« americana die Lösung aller Probleme (statt ihrer Ursache) wäre.

Fürwahr, wir leben in interessanten Zeiten ...


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